Frank Eiffert

Halbleiter und andere Manager


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sofort klar, dass Überraschung, Ablenkung und Gewalt die erfolgreichsten Mittel sind, um einer schwierigen Situation Herr zu werden. Aber auf wessen Kosten? Wie wirkst du (jetzt erst recht) auf Joe? Was denkt er vor dir? Hast du ihn körperlich oder – noch viel schlimmer – seelisch verletzt? Wird er je wieder dein Vertrauen genießen, oder müsste die Frage nicht aus seiner Perspektive anders lauten? Aber was interessiert dich seine Perspektive? Und wieso sieht diese Frau gar nicht wie deine aus? Das mag daran liegen, dass dies zwar deine Wohnung ist, aber deine Frau nichts von der Existenz der Wohnung weiß, geschweige denn von der Existenz dieser Frau, resp. der Rolle, die sie in deinem Leben spielt.

       Aber das zeichnet dich als Manager aus: du weißt immer, wer wann was zu wissen hat und wann der andere etwas besser nicht wissen darf. Denn das Beherrschen der Information ist dein Schlüssel zum Erfolg...

      Während du dich mit Joe einigst, aus dieser für alle verfänglichen Situation mit einem positiven Ergebnis herauszukommen, hast du DAS Managementziel schlechthin vor Augen: die "Win-Win" Situation. Bestes Argument ist, dass die Alternative mindestens ein "Lose" enthält und dass dieses "Lose" konstant an Joe gebunden ist. Wird es begleitet von einem "Lose" für dich selbst, so ist das eine umso größere Motivation für dich, das "Lose" von Joe mit allen Mitteln zu erhöhen. Dann schon lieber "Win-Win", koste es, was es wolle. Verhandlungen mit dir sind immer schwierig, denn du musst Vertrauen ausstrahlen, Verhandlungsgeschick haben und trotzdem den Druck aufrechterhalten und vermeiden, dass die Situation sich dreht und der Druck auf dich zurückprallt.

      Als Joe nach der Einigung den Tatort verlassen hat, bist du endlich mit der "Frau aus dem Bad" alleine. Wenn der Stress abfällt wird jeder Manager anfällig für Probleme niederer Natur: es beginnt deine Lieblingsdebatte mit dem Thema "Wie legalisiere ich ein Verhältnis?". Solche Diskussionen eskalieren sehr schnell. Nun sind an diesem denkwürdigen Tag auch noch deine Fähigkeiten als Mediator und De-Eskalator gefragt. Darin bist du perfekt und daher fällt es dir leicht, am Ende der Eskalation auch noch das Abwaschen an das schwache Geschlecht zu delegieren.

      Damit endet das Fallbeispiel für Manager-Fähigkeiten im Alltag, oder die, die man als solche ansieht. Hast du sie alle erkannt? Dann wirst du sie in anderer Reihenfolge auch in den Kapiteln dieses Buches wiederfinden.

      Ich hoffe nur, du hast Joes Waffe eingesteckt...

      Der Manager

      Lust und Launen

      Ein Manager steht im Tagesgeschäft in der Regel unter einem hohen Druck. Termine jagen Termine, ohne dass je der eine Termin den anderen einholt; sie kollidieren höchstens. Da ist das Gemütsleben eines Managers starken Verwerfungen unterworfen, und somit teilt sich die Gemütslage aller in seinem Umfeld meistens in die folgenden Substatus auf:

       Wochenend-Euphorie

      Kennst du das auch? Nichts ahnend kommt man am Montagmorgen ins Büro – dass heißt, man will ins Büro kommen – da klingelt schon das Handy auf der Fahrt zur Arbeit. Gut, es ist klar, am Montag sind die Straßen immer besonders verstopft, von den Leuten, die sich am Wochenende dermaßen auf dem Rummel oder wo auch immer erholt haben, dass sie es gar nicht erwarten können, wieder ins Büro zu kommen, von denen, die noch stoned sind von der Party am Samstag und denken, sie führen sonst wohin, von den Wochenendpendlern, die genervt für die ganze Woche zur Arbeitsstätte anreisen und natürlich von all den anderen, die wie du den Frust haben, heute wieder hin zu müssen. Erreicht dich dein Chef, dann sind die ersten 90 Minuten deiner Arbeitswoche damit gelaufen, die Aktionspunkte des Telefonats abzuarbeiten. Erreicht er dich nicht, so leuchtet mit Sicherheit das Rückruflämpchen an deinem Telefon an deinem Arbeitsplatz. Fünf Anrufe, Chef, heute, 6:50 Uhr, 6:53 Uhr, 7:04 Uhr, 7:09 Uhr und noch mal 7:09 Uhr. „Das hat er nur gemacht, damit ich sehe, dass er schon wieder aus dem Bett gefallen ist.“

      Die Wochenend-Euphorie, die dein Chef mit ins Büro bringt, lässt sich in keinem Fall mit deiner eigenen vereinbaren. Mindestens wird deine verdrängt und muss bis zur Mittagspause warten, in der Regel wird sie deine allerdings in den ersten 2 Stunden ganz verdrängen. Danach hast du schlechte Laune, die besonders schnell auf deine Umwelt abfärbt, auch auf deinen Chef, der diese spätestens mit der mangelhaften oder Nicht-Erfüllung der erteilten Aktionspunkte assimiliert. Daraus können wir nun das erste Axiom ableiten:

       Axiom 1: Es ist egal, mit welcher Laune du am Montag ins Büro fährst.

       Wochenend-Panik

      Unter den vielen Gemütszuständen, die dein Chef am Montagmorgen mit ins Unternehmen bringen kann, ist die Wochenend-Panik mit die gefährlichste. Der Ablauf hinsichtlich Verteilung der Aktionspunkte schon bevor du deinen Arbeitsplatz erreicht hast ist die gleiche wie bei der Wochenend-Euphorie. Allerdings bleibt es nicht bei der Ruhe, in der du frustriert innerhalb von einigen Stunden deine Schlechte Laune erarbeiten kannst. Dazu lässt die Panik deinem Chef und damit auch dir nicht genügend Raum:

      "Um Gottes Willen, da bist du ja endlich. Wir müssen dringend bis heute Mittag die Reaktion auf das Anschreiben von letzter Woche vorbereiten. Hans-Georg will noch heute Morgen draufschauen. Hast du letzten Freitag schon die Roadmap überprüft? Ist die Vertragsergänzung vorbereitet und hat die Rechtsabteilung abgenickt?" – "Guten Morgen."

      Die Wochenendpanik vergeht allerdings schneller als die Euphorie, meist dadurch, dass es einen noch wichtigeren Problemfall zu lösen gibt oder es dir gelingt, deinem Chef klarzumachen, dass du alles im Griff hast. Eine Überprüfung, ob das stimmt, geschweige denn eine Überprüfung der Ergebnisse deiner Arbeit erfolgt in der Regel nicht, und wenn, dann meistens mit einem so großen zeitlichen Abstand, dass es unendlich viele Gründe gibt, warum die Ergebnisse dann doch nicht so sind wie angekündigt.

       Wochenend-Gleichgültigkeit

      Die Gemütslage, die dein Chef am Häufigsten aus dem Wochenende mitbringen wird, ist die Wochenend-Gleichgültigkeit. Nach einer ereignisreichen Woche voller Entscheidungen, Delegationsaufgaben, Eskalationsaufgaben und Negieren von Fakten führt vor allem Letzteres dazu, dass am Wochenende eine Gleichgültigkeit gegenüber den Aktionspunkten der letzten Woche eintritt. Nicht, dass die Wochenendgleichgültigkeit bedeutet, dass das Engagement deines Chefs insgesamt oder die Identifikation damit nachgelassen hat, was er für die Unternehmensziele hält. Nein, die Gleichgültigkeit bezieht sich ausnahmslos auf die Aktivitäten der letzten Woche und schließt vor allem die Aktionspunkte für Ihn ein, die er für Dich erfüllen sollte, wie etwa Eskalationen einzuleiten oder Ziele und Aufträge zu klären.

       Dabei kommt es natürlich vor, dass die Wochenendgleichgültigkeit von einer schnell am Beginn der Woche einsetzenden Panik überlagert wird, die den Chef darin unterstützt, die Aktionspunkte der letzten Woche zu verdrängen. Man braucht hier schon viel Erfahrung, um die von Panik überlagerte Wochenend-Gleichgültigkeit von der Wochenend-Panik mit nachfolgender Gleichgültigkeit unterscheiden zu können.

      Emotionale Intelligenz

      Es ist noch gar nicht so lange her, da lagen Bücher und Abhandlungen über emotionale Intelligenz voll im Trend. Auf endlos vielen Seiten wurde dem Manager mundgerecht zubereitet, was Verhaltenspsychologen, Sozialanalytiker, Logopäden und Geriaten in langen Versuchsreihen über die Fähigkeiten des Managers in Erfahrung gebracht haben. Dabei wurde natürlich ein besonderer Wert auf diejenigen Fähigkeiten des Managers gelegt, die es ihm erlauben, durch ein einfaches Wort, eine einfache Geste oder durch seine pure Anwesenheit eine Masse zu beherrschen und nach seinem Willen zu beeinflussen. Dies gelingt nur, wenn der Manager dazu in der Lage ist, die Stimmungen, Schwingungen und Befindlichkeiten seiner Untergebenen enorm schnell aufzunehmen. Es ist nicht damit getan, nur auf die Kleidung, den Haarschnitt und den Sitz der Krawatte zu achten. Zugegebenermaßen ist es möglich, von der Kleidung her z.B. auf das Funktionieren der Schlafzimmerbeleuchtung seines Angestellten zu schließen. Es ist klar, dass der Kollege, der weiße Socken zum schwarzen Anzug trägt, sich im Dunkeln angezogen haben muss. Dieses Interpretieren von Indizien reicht aber nicht aus, um von emotionaler Intelligenz reden zu können. Vielmehr fehlt mindestens eine weitere Schlussfolgerung, vielleicht eine aus folgendem