Frank Eiffert

Halbleiter und andere Manager


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schon aus reinem Selbstschutz, dafür hast du natürlich Verständnis. Sprichst du deinen kränkelnden Kollegen darauf an, dass er das Unternehmen zum Wohle aller am besten verlassen sollte, so wird dir Engstirnigkeit und Unverständnis begegnen, bis hin zum Leugnen von einfachen Sachverhalten, so dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sie frustriert und entnervt nicht mehr mit dem gewohnten Elan bei der Sache sind. Spätestens wenn dieser Zustand über eine längere Zeit anhält, leidet die Identifikation mit den Unternehmenszielen mehr und mehr. Schließlich, im Endstadium, kümmert sie der Erfolg des Unternehmens einen Dreck. Diese Leute sind dann oberflächlich und gleichgültig, schlecht zu motivieren und machen meist nur Ärger. Höchste Vorsicht ist geboten!

      Rekapitulieren wir die verschieden möglichen Indizien und die daraus resultierenden Konsequenzen, so haben wir echte emotionale Kompetenz eines Managers bewiesen, die wir hier nochmals kurz zusammenfassen wollen:

       Weil wir uns in den Kollegen hineinzuversetzen versuchten, war das Ergebnis eine Bewertung des Kollegen und eine Prognose über die Auswirkung seines Verhaltens auf das Unternehmen und damit uns, den Manager, der untrennbar mit den Geschicken des Unternehmens verbunden ist.

       Es ist eigentlich völlig egal, wie wir argumentieren, eines ist klar: wir irren nicht, die Indizien sind eindeutig, denn wir kommen immer zum selben Schluss.

       Konklusion: Es ist offensichtlich, dass Theorien zur emotionalen Intelligenz total überbewertet werden.

      Dermaßen desillusioniert kann man Axiom 2 festschreiben:

       Axiom 2: Wer nicht erwartungskonform ist, lebt gefährlich.

      Die Wahrheit dieses Axioms werden wir in weiteren Fallbeispielen belegen. Die Allgemeingültigkeit dieses Axioms ist dabei erstaunlich, wird es uns doch noch in vielen Abarten begegnen.

      Ich, der Manager, im Spiegel

      Wer eitel ist, benutzt einen Spiegel. Warum solltest du also einen brauchen? Kommt es wirklich darauf an, ob du dich toll findest? Oder ist es wichtig, dass du toll auf die Kollegen und Mitarbeiter wirkst?

      Es gibt zwei Beweggründe, in einen Spiegel zu schauen:

       Ich finde mich toll.

       Ich möchte sehen, wie ich aussehe.

      Der letzte Grund sollte es sein, der dich in den Spiegel schauen lässt. Nur ist es allzu oft aber ein erfahrener Manager, der sich die Frage stellt: "Soll ich hineinschauen oder nicht?" Der Manager ist dabei meistens nicht sonderlich motiviert hineinzublicken, denn er wäre ja nicht zum Manager gemacht worden, wenn er nicht eine positive Wirkung auf andere Menschen hätte, oder? Andererseits wird von einem erfolgreichen Manager natürlich verlangt, möglichst schnell auf Basis von wenigen Informationen die optimale Entscheidung zu treffen, was in der Regel wenig Platz für Albernheiten wie Unsicherheit, Rücksichtnahme und das Beleuchten von Alternativen lässt. Nein, der erfolgreiche Manager verliert quasi mit der Ernennung zu einem solchen die Fähigkeiten, die ihn zu einem gemacht haben. Daher kann das Bild nur negativ ausfallen, wenn die Bewertungskriterien nicht angepasst werden. Und wer könnte das besser als du selbst.

      Diese Argumentation ist nicht schlüssig, meinst du? Da muss ich widersprechen: denn Folgendes ist offensichtlich richtig und in der Weltgeschichte und der sie dokumentierenden Weltliteratur mehrfach bestätigt und auch nachlesbar:

       Ein Manager muss hart in der Sache sein.

       Ein Manager muss seiner Linie treu sein.

       Ein Manager muss über sich selbst reflektieren können.

       Ein Manager wird an seinem Erfolg gemessen.

      Das Ergebnis ist also, dass der Manager in den Spiegel blickt und genau das sieht, was er erwartet und was auch das Unternehmen und seine Chefs von ihm erwarten. Damit wird das Paradoxon dadurch aufgelöst, dass man erkennt, dass es lediglich der Hauptdarsteller selbst sein muss, der sein Bewertungsschema anpassen muss, damit er wieder mit den Anforderungen an sich im Reinen bleibt. Gut, das positive Verhältnis zu seinen ehemaligen Kollegen, jetzt Mitarbeitern bleibt genauso auf der Strecke wie die unternehmensweite Meinung über ihn, aber das ist der Preis der Macht.

      Wenn wir also erkennen, dass der Manager bei dem Blick in den Spiegel quasi einer Realitätsverschiebung unterliegt, sind wir einen Schritt weiter, um erfolgreich mit ihm zusammen arbeiten zu können. Wir müssen bei Managern einfach andere Realitäts-Randbedingungen annehmen, um seine Reaktionen, Meinungen und Ansichten verstehen und voraussagen zu können. Aber wie sieht so eine Manager-Realität aus? Für dich und mich ist es klar, dass wir in einem offenen System in der freien Marktwirtschaft agieren, den Randbedingungen wie Angebot und Nachfrage, CAPEX und OPEX, Hire und Fire unterliegen. Wie sieht der Manager aber diese Themen? Begeben wir uns dazu einmal in das Manageruniversum und schauen uns die Gesetze der Unternehmensphysik einmal aus seinem Blickwinkel an.

      Die Gesetze des Manager-Universums (Auswahl):

      1 Gesetz: "Wenn 20 Leute ein Projekt in einer Woche erledigen können, dann sind 2000 Leute in 20 Minuten fertig."

      2 Gesetz: "Wenn die Qualität der Arbeit nicht ausreichend ist, dann hilft es, tägliche Statusberichte einzufordern."

      3 Gesetz: "Wenn 50% aller Mitarbeiter über Überlastung klagen, hilft es nicht, die Arbeit umzuverteilen (Nur die guten Mitarbeiter können Krisen bewältigen)."

      4 Gesetz: "Wenn eine Ressource zu 100% ausgelastet ist, kann diese mindestens weitere 20% leisten (es gibt ja Überstunden)."

      5 Gesetz: "Wenn eine Ressource zu mehr als 100% ausgelastet ist, ist ein Fehler in der Auslastung: mehr als 100% geht nicht! (Der Mann existiert ja genau einmal.)"

      6 Gesetz: "Setze immer Tools ein, um Prozesse zu schaffen."

      7 Gesetz: "Erfülle immer ALLE Kundenwünsche, vor allem die der internen Kunden."

      8 Gesetz: "Lehne nie einen Auftrag ab, es könnte dir als Unfähigkeit, Zeichen von Missmanagement oder fehlender Kundenorientierung ausgelegt werden. (Wir lassen keinen im Regen stehen.)"

      9 Gesetz: "Mit Priorisierungen kann jedes Ressourcenproblem gelöst werden."

      10 Gesetz: "Statusberichte, die nicht "im Plan" zeigen, sind fehlerhaft."

      11 Gesetz: "Eskaliere immer mit ausreichendem Vorlauf, am besten Wochen bevor das Problem aufgetaucht ist."

      12 Gesetz: "Abhängigkeiten zwischen Projekten decken immer die anderen auf."

      13 Gesetz: "Come-Together-Events heben das Arbeitsklima."

      14 Gesetz: "Es ist reine Zeitverschwendung, Entscheidungsgründe transparent zu machen, die meisten Mitarbeiter sind von den Gründen zu weit weg."

      15 Gesetz: "Das Abbauen von Überstunden und Resturlaub senkt die Rückstellungen und erhöht das EBITDA und ist als Ziel ebenso wichtig wie die Terminerfüllung und natürlich mit einander vereinbar."

      Diese Gesetze stellen natürlich nur einen kleinen Ausschnitt aus der Realität des Manageruniversums dar. Die Liste ließe sich unendlich erweitern und würde ohne weiteres in der Lage sein, alle restlichen Seiten dieses Buches zu füllen. Wichtig ist bei der Betrachtung dieser Gesetze, sich in den Manager hineinzuversetzen, der diese Gesetze vertritt und fest davon überzeugt ist, dass Teilaussagen oder sogar einzelne Gesetze als Ganzes volle Gültigkeit haben. Aber wie kommt es zu dieser Fehlwahrnehmung? Betrachten wir dazu ein Gespräch zwischen Joe und seinem Chef:

      "Hey, Joe. Warte bitte kurz." – "Hallo Peter, was gibt's. Ich habe eigentlich keine Zeit, ein dringendes Meeting..." – "Dauert nur eine Sekunde. Es gibt doch dieses alte Projekt 17. Weißt du noch? Du bist der Produktmanager davon. Mussten wir seit 5 Jahren nicht mehr anfassen." Joe wurde unwohl. Dunkel konnte er sich an das Projekt 17 erinnern. "Nun, Klaus hat Tool 25 anpassen müssen, wegen der Abhängigkeit zu Anforderung 78. Junge, das war ein Ding! Ist fast bis zum Executive eskaliert, als 'rauskam, dass er die Abhängigkeiten nicht beachtet hatte.