Frank Eiffert

Halbleiter und andere Manager


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Peter erinnert sich an das Gesprächsende von vor 3 Stunden, aus dem er mit einer bestimmten Meinung über Joes Arbeitsweise und damit über Joe persönlich herausgegangen ist. Auf dieser Ebene antwortet Peter.

       Joe macht den entscheidenden Fehler: er wechselt auf die Prozessebene und dringt damit in einen Managerdomäne ein!

      "Oh nein! Jetzt erzähl' mir bitte nicht, wir haben auch noch ein Prozessproblem! Das ist ja eine Katastrophe! Um Gottes willen! Wie oft soll ich euch noch sagen, dass der Kunde nur dann optimal arbeiten kann, wenn die auf ihn abgestimmten Prozesse optimal durch unsere Tools unterstützt werden. Es kann einfach nicht sein, dass hier schon wieder geschlampt wird. Und dann fragt nachher wieder keiner, wer es gewesen ist, es heißt einfach wieder pauschal: die Tools sind schuld. Mensch, Joe, wie hast du das wieder hingekriegt?" – "Aber Peter, mal langsam, hast du mir nicht zugehört? Ich habe doch an der ganzen Geschichte bisher nicht mitgewirkt, wieso fährst du jetzt aus der Haut?" – Der berechtigte Einwand hatte keinen Effekt. Peter war auf hartem Kurs, das zog er jetzt durch... – "Und genau das ist das Problem. Du ziehst weder die Informationen aktiv an dich heran noch bist du bereit, ein Problem zu deinem eigenen zu erklären, um proaktiv an der Lösung mitzuarbeiten. Zu sagen: "Ich war nicht informiert" wird mir hier zur Mode. Das kann es nicht sein. Wir haben eine Verantwortung unseren Kunden gegenüber, die mit der Bereitstellung des Tools endet, das geht hin bis zur Prozessverantwortung. Wieso hast du keine regelmäßigen Abstimmungsmeetings einberufen? Wieso gibt es keine Verantwortungsmatrix, das muss doch controlled werden, so geht das doch einfach nicht." – An dieser Stelle hatte sich Peter nun zu sehr in Rage geredet und seine Manager-Pflicht verletzt! Er begann zu sehr, Dinge zu verallgemeinern und verlor damit die Kontrolle über die Argumentationskette. Joe nutzte das schamlos aus: "Und genau das zu controllen ist Susannes Aufgabe!"

      1:0 für Joe, aber es ist ein bitterer Sieg. Die Diskussion steht am Scheideweg, sie kann nun in beide Richtungen kippen: Peter kann sich geschlagen geben und weich werden. Oder er setzt eine weitere Management-Technik ein, um sich aus dieser Zwangslage zu befreien. Doch bevor wir dieser Unterhaltung weiter folgen, schauen wir uns einmal an, wie Peter sein "Hart-Sein" in der Argumentation einsetzt:

       Peter wird laut.

       Peter wiederholt Direktiven und aus seiner Sicht feststehende Grundsätze.

       Peter verwendet Unterstellungen und verallgemeinert, stellt das gleich mit der Verhaltensweise Dritter.

       Peter verwendet indirekte Argumente. Die Ausführungen, dass Joe keine Informationen "an sich zieht" und nicht "proaktiv" arbeitet, sind nur dann haltbar, wenn es ein Argument geben würde, dass er so handeln muss. Das könnte zum Beispiel dadurch gegeben sein, dass es in der Abteilung von Peter die Direktive: "Wir lassen keinen im Regen stehen.", "Mit uns geht alles", "Der Kunde ist König" oder "Nein sagen die anderen." geben würde. Doch solche Direktiven sind nicht nur gefährlich, sondern setzen auch alle Beteiligten nur unnötig unter Druck. Mehr noch kann es vorkommen, dass man in dem Aufgabenbereich des Auftraggebers wildert, ohne es zu wollen. Eine solche Einstellung sorgt früher oder später für Unzufriedenheit der Mitarbeiter und Konflikte mit anderen Abteilungen und den Kunden.

       Peter verwendet viele Feststellungen, die er anschließend als Sachverhalte in seine Argumentationskette einbringt. Zur "Schwächung" seines Gegenübers verwendet er gezielt Fragen, deren Antwort er vorauszusehen scheint. Und dabei begeht er dann den Fehler.

      Peter erkannte nun auch seinen Fehler. Wie konnte er nur so dumm sein. Und dann auch ausgerechnet zu Lasten von Susanne. Sollte er einlenken und weich werden? Nein, nicht mit ihm, so nicht. Das Thema schien darüber hinaus so komplex zu sein, dass er schon wieder den Anforderer und auch das Tool vergessen hatte, welches der Grund für diese Diskussion war. Bei solchen komplexen Fragestellungen konnte Peter ungefährdet die Managementstrategie "unvorhergesehener Themenwechsel" einleiten: "Das ist doch hier gar nicht die Frage." sagte Peter ruhiger. Er musste sich nun konzentrieren, denn Joe sollte ja nicht mitbekommen, dass er ihn in eine Sackgasse argumentiert hatte. "Releasekoordination ist immer nur so gut, wie die Zuarbeit, die dem Koordinator geleistet wird, und an der Stelle haben wir eine Bringschuld." Joe schaute ein wenig irritiert. Peter erkannt blitzschnell, dass die Kuh noch nicht vom Eis war, er war noch zu nah am Thema und befand sich immer noch in der Argumentationskette. "Toolunterstützung aus einem Prozess heraus hat nun mal eine enge Bindung zur Releasekoordination, das kann man nicht trennen. Das wäre ja gleichbedeutend mit der Ablehnung eines Kundenauftrages!" – Na bitte – so schnell ist man wieder auf Kurs, aber: Vorsicht! – "Und du kennst unseren Abteilungsgedanken. Ein "Nein" ist keine Lösung. Also müssen wir uns dem Thema stellen und proaktiv mitarbeiten." – Nein, Peter war noch nicht durch, aber Joe hielt still. Andererseits gelang es Peter nicht, sich schnell genug vom Thema zu entfernen, daher beschloss er, dann doch weich zu werden und den Stress aus der Diskussion heraus zu nehmen. Egal, das Ergebnis der Diskussion zählte, und das Ergebnis musste sein, dass er Recht behielt und eine Anweisung aussprechen konnte, der Joe folgen musste. "Daher ist es wichtig, dass wir die Toolkette schnell wieder zum Fliegen bringen. Ich werde noch mal mit dem Projektmenschen sprechen und die Anforderung hinterfragen und du erarbeitest mir bitte bis morgen Mittag eine provisorische Roadmap, woraus hervorgeht, bis wann wir was wie auf die Reihe kriegen können. Und morgen Nachmittag priorisieren wir dann deine Themen neu und quetschen die Lösung noch rein. Wäre doch gelacht, wenn wir das nicht hinkriegen würden. Ok?" – Joe fühlte sich zugeredet und überfahren. Er hatte schon zu oft Diskussionen dieser Art mitmachen müssen, daher ergab er sich in sein Schicksal. Dieses Mal.

      Druck und Gegendruck

      Das Gleichgewicht der Kräfte ist ein physikalisches Gesetz, welches auch in Diskussionen zwischen leitenden und nicht-leitenden Mitarbeitern seine Existenzberechtigung und Gültigkeit hat. Dabei ist es nicht nur eine Frage des Inhaltes der Diskussion und des sozialen Zusammenspiels der Gesprächspartner, die entscheidend für den Verlauf einer solchen Diskussion sind, nein, vielmehr kommt es einfach darauf an, was den Chef gerade umtreibt. Meistens sind die Gründe für den Untergebenen nicht zu erkennen, warum das Gespräch den einen oder anderen Verlauf nimmt.

      Wichtig ist aber in dem Rollenspiel genau vorhersagen zu können, bis zu welchem Grad man das weich sein treiben kann, ohne als Weichei dazustehen und andererseits das hart sein nicht zu überspannen, um nicht den Ruf eines Cholerikers zu bekommen. Der Druck kann zu jeder Zeit durch folgende Strategien aus einer Situation herausgenommen werden:

       Wenn ich hart bin, werde ich weich. "Du weißt ja, das ist ein Kündigungsgrund, und denk mal nicht, dass das nur eine leere Drohung ist! Aber eigentlich ist mir der Ärger mit dem Betriebsrat zu viel und deine Abfindung zu hoch. Vielleicht sollte man das Thema nicht überbewerten."

       Wenn ich mich verargumentiert habe, wechsele ich das Thema. "Du weißt ja, das ist ein Kündigungsgrund, und denk mal nicht, dass das nur eine leere Drohung ist! Oh, schon 12! Gehst du mit zum Essen?"

       Wenn ich mich verrannt habe, fällt mir ein wichtiger Termin ein, den ich fast vergessen hätte. "Du weißt ja, das ist ein Kündigungsgrund, und denk mal nicht, dass das nur eine leere Drohung ist! Oh, schon 12! Ich muss weg."

       Wenn ich mich zu sehr in die Enge getrieben fühle, benutze ich endlose Argumentationsketten, denen keiner mehr folgen kann, und berufe mich auf den Anfang der Kette. "Das habe ich doch schon vor Stunden gesagt. Weißt du was, wenn du mir nicht zuhören willst, will ich auch nicht mit dir reden! Tschüss."

      Hart sein

      Hart sein liegt nicht jedem, daher sollte das ein jeder angehende Manager pro Tag einige Stunden vor dem Spiegel oder vor seinem Partner üben. Wenn du das mit deinem Partner übst, kannst du deinen Erfolg daran messen, wie oft der Partner wechselt. Nach mehreren Wechseln sind dann auch erniedrigende Vergleiche möglich!

      Hart sein sollte von folgender Mimik, Gestik, Stimmlage und sonstigem Verhalten begleitet sein:

       Laute Stimme.

       Roter Kopf.

       Zynismus.