Truppe‘.
„So ist das“, sagte Gregor zu Géraldine, „genau so und nicht anders. Das Glück ist ein Föhnsturm. Wenn es uns sieht, überfällt es uns voller Übermut und wirbelt uns um und um, bis uns schwindlig ist vor Glück.“
Seile, Pflöcke, Ketten, Stangen und viel Tuch – Maika und Ettorino stellen ein Zelt auf
„Ist auch alles da, ist es das, ganz bestimmt?“, sorgte sich Ettorino.
„Es wird schon alles da sein!“, brummte Maika.
Und dann packten sie aus, legten Seile, Pflöcke, Ketten, Stangen auf der Wiese aus, auf der das Zelt stehen sollte, legten sie in der Reihenfolge aus, in der sie sie brauchen würden. Je weniger Handgriffe nötig wurden, umso mehr Kraft sparten sie. Der Aufbau des grossen Zirkuszelts war selbst für die starke Maika eine Herausforderung.
Ganz innen legten sie die Holzböcke für die Manege hin. Kreisrund musste sie werden, bevor sie mit Sägespänen gefüllt wurde.
Rundherum dann die Bretter für die Sitzbänke, dazu die Metallstreben.
„Und die Schrauben, die vielen Schrauben, die sind das Allerwichtigste“, rief Ettorino. Eine ganze Kiste voller Schrauben schleppte er an. Das wäre ja noch schöner, wenn die Bänke nicht halten, wenn die Zuschauer herunterpurzeln würden mitten in der Vorstellung.
„Die grossen, dicken Männer würden sich ganz besonders weh tun“, sorgte sich Ettorino. Um die Kinder machte er sich weniger Sorgen. Kinder wissen, wie man fällt. Üben sie sich nicht jeden Tag darin? Sie fielen hin ohne sich weh zu tun, rappelten sich wieder auf und lachten. Aber die Männer, die grossen, die dicken, die üben das Fallen nicht so oft.
„Sie werden schon sitzen bleiben, die Männer – und auch die Frauen und die Kinder“, beruhigte ihn Maika. Sie hatte einen Schraubenschlüssel zwischen den Zähnen und war schlecht zu verstehen.
Weiter ging’s mit all den Stangen und Pflöcken, über die das rotweisse Zelttuch gespannt wurde. Unzählige Meter Stoff waren das, und die hatten ihr Gewicht.
„Die Pflöcke und die Stangen müssen schon halten“, verlangte Ettorino. „Hier müssen wir ganz besonders sorgfältig und gewissenhaft arbeiten. Und kontrollieren, kontrollieren und nochmals kontrollieren.“
Maika nahm den Schraubenschlüssel aus dem Mund und lachte. Im Kontrollieren war Ettorino der Beste. Ein Zelt, das von Ettorino kontrolliert worden war, konnte nicht einstürzen. Auch bei einem Erdbeben nicht.
„Ein Zelt, das von Maika, der stärksten Frau der Welt, aufgebaut wurde, kann nicht einstürzen!“, sagte Ettorino treuherzig.
Und nun zogen sie die beiden schweren Teleskoppfeiler auseinander, die dem Zelt seine Form gaben.
Und da stand es auch schon, das rotweisse Zirkuszelt. Es war weithin sichtbar. Die Kinder der Stadt sahen es zuerst, wie immer. Sie kamen angerannt und fragten:
„Wann spielt ihr denn?“
„Schon heute“, versprach Ettorino.
„Heute um drei“, sagte Maika. „Um drei seid ihr alle eingeladen. Die erste Vorstellung ist gratis.“
„Das bringt Glück“, sagte der junge Zirkusdirektor Gregor in seiner neuen roten Livree. Ja, inzwischen trug er sie, die Livree, auch wenn ihm Nonno Louis noch jederzeit zur Seite stand.
„Genau“, sagte Géraldine und hängte sich an seinen Arm. „Die erste Vorstellung ist gratis. Das bringt Glück! Und je mehr Kinder kommen, umso grösser ist das Glück.“
Kurz und Hager wollen grosse Ermittler werden
Kurz: Auch Holmes und Watson hatten oft herzlich wenig Anhaltspunkte.
Hager: Aber sie haben stets präzise beobachtet …
Kurz: … und scharf analysiert.
Hager: Sie zogen die richtigen Schlüsse.
Kurz: Oft hatten sie aber auch einfach unverschämt Glück.
Hager: Wie kommst du denn darauf?
Kurz: In England werden jede Menge Verbrechen begangen.
Hager: In England liegen die Verbrechen auf der Strasse
Kurz: Hierzulande nicht?
Hager: Hier nicht. Hier geschieht nichts, was nicht zum Gähnen langweilig wäre.
Kurz, gähnt: Richtig, mir ist gerade zum Gäääääääääähnen langweilig!
Hager: Bestenfalls suchen Eltern nach ihrem Sohn.
Kurz: Und welche Schlüsse ziehen wir aus diesen unerfreulichen Tatsachen?
Hager: Wo keine Verbrechen zu finden sind, erfindet man welche.
Kurz: Alle Zirkusleute sind Gesindel.
Hager: Die haben es bestimmt faustdick hinter den Ohren!
Kurz: Das ist Wasser auf die Mühlen von Herrn und Frau Schröder.
Hager: Wir müssten ihn nur noch finden, diesen Zirkus.
Kurz: Wo ein Zirkus ist, ist auch ein Gregor!
Willkommen Arthur! Nonno Louis verschenkt seine Handschuhe
Martigny, 30. April 1922
Im zweiten Zirkusjahr wurden Géraldine und Gregor Eltern. Der kleine Arthur kam Ende April zur Welt. Ein Gewitter lag in der Luft. In grosser Eile zogen die Wolken über den Himmel. Ein frischer Wind spielte mit den Blumen, und Vögel sangen in den zartgrünen Bäumen.
Arthur hatte dunkle Haare und Augen und ein stilles, ernsthaftes Gesicht.
„Ein Ältester!“, sagte Maika.
„Der erste einer stolzen Pyramide“, behauptete Gregor kühn. Voller Freude und Zärtlichkeit betrachtete er seinen Sohn.
„Ein Neuanfang für den Zirkus Louis und Louise“, freuten sich die Grosseltern. „Ein überaus vielversprechender Neuanfang!“
Feierlich und langsam zog Louis seine blütenweissen Handschuhe aus und legte sie in Gregors ausgestreckte Rechte.
„Eine Livree und einen Zylinder hast du“, sagte er. „Nun nimm auch die Handschuhe. Sei Zirkusdirektor mit Leib und Seele!“
„Bis Arthur Zirkusdirektor wird!“, rief Ettorino.
„Halt, halt, nicht so schnell“, wehrte sich Gregor. „Nun bin ich erst mal Zirkusdirektor.“
„Und Arthur wird Clown“, verlangte Ettorino.
„Er wird Kunstreiter“, freute sich Nonna Louise.
„Nein, Zauberer, er wird Zauberer.“
„Jongleur wird er, Jongleur.“
„Er wird Luftakrobat, Trapezkünstler.“
„Er wird, was er wird. Lasst ihn erst mal grösser werden, damit er sich selbst etwas aussuchen kann“, verlangte Géraldine.
„Er wird Dompteur, und damit basta!“, rief Maika, bevor sie ihren Werkzeugkasten und Bretter holte, um einen Wohnwagen für den neuen kleinen Zirkusartisten zu zimmern. Sie sägte und hämmerte, bis es dunkel wurde. Ettorino reichte ihr die Nägel, und sie sangen gutgelaunt um die Wette.
Man glaubt es kaum, aber früh am nächsten Morgen war der Wagen nicht nur fertig, sondern auch bunt bemalt. Pferde, Kühe, Hunde, Katzen, Kaninchen, ein Hahn, vor allem aber sehr viele Hühner tummelten sich auf dem frisch gehobelten Holz.
Gregor schlug die Hände über dem Kopf zusammen.
„Arthur soll doch wohl nicht Bauer werden!“