Marco Hölker-Wehde

Mit dem Rauchen aufhören ohne Qual!


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ist also auch nicht optimal. Es sollte unbedingt nach möglichen Alternativen zu stressigen Tätigkeiten gesucht werden. Ja, ich weiß, das ist sicherlich leichter gesagt als getan. Für mich war aber der Weg raus aus dem beruflichen und persönlichen Stress der Königsweg zum Nikotinausstieg. Dieses „ich muss aber“ oder „ich kann nicht anders“ sollte unbedingt überdacht und langfristig überwunden werden. Es ist möglich!

      Eine wichtige Voraussetzung ist es daher, das Rauchen erst zu reduzieren oder komplett einzustellen, wenn man sich wirklich in einer stabilen, sorgen- und stressfreien Zeit befindet (ohne Verluste, Trennungen, Schicksalsschläge). Es darf auch auf keinen Fall anstrengende Arbeit anstehen, für die eine hohe Konzentration erforderlich ist. Auch das frühe Aufstehen oder starker Schlafmangel können Stressfaktoren sein. Eine Übermüdung ist daher zu vermeiden, ebenso wie Hunger. Deshalb sollte die erste Reduzierung des Nikotins am besten während einer Auszeit stattfinden, z.B. in der Urlaubs- bzw. Ferienzeit, in der es möglich ist, sich auch mal allein zurückzuziehen. Auch ein langes Wochenende bietet sich an, um das Rauchen zu verringern oder damit ganz aufzuhören. Mit dem Rauchen aufzuhören, heißt leider auch eine Zeit lang auf alle Arten von Feierlichkeiten zu verzichten. In dieser Phase sollte am besten gar kein Alkohol getrunken werden. Bei späteren, folgenden Reduzierungen des Zigarettenkonsums ist es dann nicht mehr nötig, sich komplett aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Es ist nicht mehr so anstrengend wie am Anfang und wird von einer Reduzierung zur nächsten Reduzierung immer einfacher. Die Entzugserscheinungen, wie z.B. Wutanfälle, Schwindel oder Unkonzentriertheit schwächen sich immer mehr ab und sind am Ende komplett verschwunden. Nach ein paar Tagen kommt man mit der geringeren Nikotindosis halbwegs gut klar. Nach weiteren Tagen, Wochen aber spätestens drei Monaten sind alle Nikotinentzugserscheinungen verschwunden.

      Lebenspartner oder alle, die in einem Haus oder Wohnung zusammenleben und gleichzeitig mit dem Rauchen aufhören möchten, haben es besonders schwer. Extreme Konflikte sind vorprogrammiert, auch wenn die schwersten Phasen bereits hinter ihnen liegen. In diesen Fällen ist eine räumliche Trennung unbedingt erforderlich. Es sollte daher auch geplant werden, getrennt in den Urlaub zu fahren, z.B. bleibt eine Person zu Hause und hört mit dem Rauchen auf, währenddessen die andere im Urlaub aufhört.

      Das Realisieren solcher Strategien bedeutet sehr einschneidende Änderungen des Alltags. Wer aber bereit ist einen solchen Aufwand zu betreiben, wird am Ende mit einer relativ entspannten Nikotinentwöhnung belohnt. Nach ein paar Wochen oder Monaten ist dann alles wieder so locker, wie vor der Rauchentwöhnung auch mit ganz wenig oder ohne Nikotin.

      Der Zusammenhang zwischen Stress und einer Nikotinabhängigkeit sollte unbedingt bekannt sein, um zu verstehen, warum die Vermeidung von Stress der wichtigste Erfolgsfaktor bei einer Rauchentwöhnung ist: Die Wirkungsweise einer Nikotinabhängigkeit funktioniert stark vereinfacht beschrieben so: Nikotin, aber auch alle anderen Drogen, erweitern die „Glücksgefühl-Synapsen“ im Gehirn. Das sind Drüsen, die unter anderen die Glückshormone Dopamin, Serotonin und Endorphine ausschütten und dadurch angenehme, harmonische bis euphorische Gefühle beim Menschen erzeugen.

      Diese erweiterten Synapsen im Gehirn schütten also beim Rauchen verstärkt Glückshormone aus, die starke Glücksgefühle bei den Raucher/n/innen erzeugen. Nun kommt das Problem: Wenn das Nikotin im Körper abgebaut wird und der Nikotinspiegel im Blut sinkt, dann verengen sich auch die „Glücksgefühl-Synapsen“ im Gehirn immer weiter. Wegen der fehlenden Glückshormone im Körper sinkt dann die Stimmung der Raucher/innen so stark, dass ein verstärktes Bedürfnis zum Rauchen entsteht. Suchtmediziner nennen diesen Prozess den „Suchtdruck“. Jetzt kommt das Allerwichtigste: Stress verengt die „Glücksgefühl-Synapsen“ im Gehirn noch mal zusätzlich zum Nikotinentzug. Die Glücksgefühle werden in diesen Fall total blockiert. Raucher/innen, die mit dem Rauchen aufhören möchten und zusätzlich unter Stress leiden, haben somit ein doppeltes Problem, gute Laune zu behalten. Es wird eher eine nach der anderen geraucht als aufgehört. Ein Ausstieg erscheint absolut unmöglich. Dieser Stress verhindert den Ausstieg vom Nikotin wesentlich stärker als der Nikotinverzicht an sich selbst. Deshalb ist Stress der größte Feind bei der Nikotinentwöhnung. Es gibt aber auch noch weitere Gründe für einen Glückshormonmangel (siehe unter Infos & Quellen, 3. Körpereigene Glückshormone: Dopamin & Co).

      Mit verengten „Glücksgefühl-Synapsen“ und fehlenden Glückshormonen im Gehirn liegt dann ein Glückshormonmangel vor, z.B. ein Dopaminmangel oder Serotoninmangel. Dieser ist die Ursache für die Nikotinentzugserscheinungen wie nervöse Unruhe, Depression, Aggressivität, usw. Der Unterschied zwischen den Folgen des reduzierten Nikotins bei der Nikotinentwöhnung und einer Depression ist lediglich, dass die „Nikotinentwöhnungsdepression“ bewusst gewählt wird und diese ganz leicht mit dem Anzünden einer Zigarette – einem Rückfall – beendet werden kann. Niemand möchte freiwillig unter wirklich ernst zu nehmenden Krankheitssymptomen leiden, daher ist der Versuch, mit dem Rauchen aufzuhören, fast immer zum Scheitern verurteilt. Aus diesem Grund müssen wir die Umstände des Nikotinentzugs besser kontrollieren, indem wir uns dem Dilemma mit einer raffinierten Verringerungsstrategie des Rauchens entgegenstellen. Weil nach und nach immer nur ein kleines bisschen weniger geraucht wird, schwächen sich auch die Entzugserscheinungen auf ein erträgliches Maß ab. Besonders am Anfang, wenn noch eine starke körperliche Abhängigkeit vom Nikotin vorhanden ist.

      Wer wissen möchte, wie eine Nikotinsucht entsteht und welche Funktionen die Glückshormone haben, schaut bitte unbedingt in die wissenschaftlichen Quellen ganz am Ende dieses Textes (Infos & Quellen, 3. Körpereigene Glückshormone: Dopamin & Co). Dieses medizinische Fachgebiet ist zwar etwas kompliziert und auch noch nicht vollständig wissenschaftlich erforscht, mir halfen die Infos aber beim Ausstieg sehr gut, meine eigene Nikotinsucht zu verstehen. Dass das Prinzip bei allen Süchten das gleiche ist, hatte mich sehr überrascht. Auch die Abbildung 8 ist sehr interessant (siehe weiter unten bei 4.3). Sie zeigt, wie sich das Niveau des Glückshormons Dopamin im Körper über einen Zeitraum von ca. vier Monaten entwickelt, nachdem das Nikotin z.B. um die Hälfte reduziert wurde. Besonders Dopamin löst das euphorische Gefühl aus, wenn wir eine Zigarette rauchen, Kaffee oder Alkohol trinken.

      Neben der körperlichen Abhängigkeit besteht auch noch eine starke psychische Nikotinabhängigkeit, weil beim Rauchen die gleichen Glückshormone produziert werden, wie bei einem freudigen Erlebnis. Rauchen ist so, als ob man jede Stunde einen neuen Geldschein auf der Straße findet. Das ist immer wieder ein emotionales, euphorisches Ereignis, bis man sich daran gewöhnt hat und frustriert ist, wenn man keinen mehr findet. Das künstliche Glück und das echte Glück erzeugen die gleichen Glücksgefühle beim Menschen. Diese scheinbar guten Erfahrungen mit dem Rauchen verhindern, dass gute Argumente gegen Tabak von Raucher/n/innen wahrgenommen werden können. Diese Glücksgefühl-Misere ist ein weiterer Grund, warum es fast unmöglich erscheint, mit dem Rauchen aufzuhören und Statistiken über Erfolge von Raucherentwöhnungen sehr ernüchternd sind. Es gibt Hinweise, dass Nikotin eines der stärksten suchterzeugenden Stoffe überhaupt ist (siehe unter Infos & Quellen, 16. Suchtpotentiale von Nikotin, Alkohol und Co im Vergleich). Zigaretten ohne Zusatzstoffe können wahrscheinlich leichter „abgesetzt“ werden. Die Begriffe Bio-Zigaretten und -Tabak dürfen in der Werbung nicht mehr verwendet werden.

      Wer sich in psychologischer (medizinischer) Behandlung befindet oder unter starken Depressionen leidet, sollte vorsichtig sein beim Aufhören mit dem Rauchen. Das gilt besonders, wenn Medikamente eingenommen werden. Die einzelnen Schritte sollten mit den Therapeuten/innen abgesprochen werden. Unter Umständen ist zuerst eine Austauschtherapie zu empfehlen, so dass Nikotinpflaster oder E-Zigaretten verwendet werden. Es gibt zwar viele Hinweise, dass das Rauchen als solches depressiv macht und die Fröhlichkeit nach dem Aufhören zunimmt. Der Ausstieg für Depressive wird sogar von Ärzten und Psychologen empfohlen (siehe unter Infos & Quellen, 5. Nichtrauchen macht antidepressiv, Stress steigert die Sucht, sowie unter Fragen, 2. Was sollten Menschen mit Depressionen beachten?). In der Phase des Nikotinentzugs sind aber Grenzsituationen nicht ganz auszuschließen, deshalb sprecht bitte mit Euren persönlichen Experten/innen, ob und wann am besten mit dem Rauchen aufgehört