Urs Wendel

108 ...Antwort von X


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Am Abend ging ich diesmal erst spät zu Bett.

      Als ich erwachte, befand ich mich in der Höhle und wunderte mich über meinen Traum. Vor allem, das ich so nahtlos träumen konnte. Ich träumte jeden Abend an der Stelle weiter, wo mein vorheriges Traumgeschehen anhielt. Es war einfach unglaublich. Mir war es jedoch noch nicht möglich zu erkennen, daß ich träume, oder wo ich auch immer zum Zeitpunkt des Träumens sein mag. So erging es mir am kommenden Abend wieder, doch wollte ich dies im Laufe der Zeit ändern.

      Am Frühstückstisch bei Max fragte ich ihn woher ich eigentlich komme.

      „Von da draußen. Du bist den Berg hoch gelaufen. Und Du sahst hungrig aus.“

      „Wo habe ich denn vorher gelebt, bevor ich bei Dir als Gast wohnen durfte?“

      „Nun, in einem Land, wo es grau ist“, antwortete er knapp und sah mich so an, daß ich weiter überlegen solle.

      Mir viel vorerst nichts ein.

      „Lass uns nach draußen gehen. Das wird uns munter machen“, schlug er vor.

      Beim spazieren gehen hielt er inne und schaute mich eindringlich an: „Du bist hier bei mir, damit du Dinge lernst, die für alle Menschen gut sind.“

      „Wie kommst Du darauf, und woher weißt du das?“, fragte ich, wobei mir auffiel, daß er mich meine Fragen jetzt öfter stellen lässt als vor einiger Zeit.

      „Ich sehe in dein Herz. Deine Seele verbindet sich mit meiner Kraft.“

      Fragend sah ich ihn an.

      „Es wird konstanter Arbeit bedürfen, doch bin ich zuversichtlich.“

      Ich überlegte wieder woher ich komme und wie ich zu ihm gelangte.

      Er sprach: „Asche! Erinnere dich.“

      „Auf dem grauen, von Asche bedeckten Berg! Dort war ich mit dir und auch alleine gewesen!“, schoss meine Antwort heraus.

      „Ich träume nur!“, stellte ich überrascht fest.

      „Nicht nur“, betonte er ernst. „Deine erste Erkenntnis konnte ich wecken. Ich weiß, du wirst sie verstehen und verinnerlichen.“

      Wir schwiegen lange, so schien es mir jedenfalls. Ich wollte in dem Augenblick nicht aufwachen.

      „Kleiner Bär! Wir werden uns morgen noch einmal im Traum sehen. Wenn du in deine graue Welt zurückkehrst, dann erfülle sie mit Farbe. Für deine Zukunft gebe ich dir einige Aufgaben an die Hand, damit du einen ersten Schritt für dein persönliches Wohl gehen kannst. In vielen Dingen bist du schon auf den richtigen Weg. Das werden wir vertiefen.“

      Er konnte wahrnehmen was ich fühle und sprach weiter: „Wir werden uns noch öfter sehen und dich auf Fordermann bringen, damit du deine Bestimmung erfüllen kannst.“

      „Was hast du mit mir vor?“

      Seine Worte klangen eigenartig.

      Er lächelte nur wissend. Eine Antwort bekam ich nicht. Alles war für heute gesagt. Als ich beschloss mich zu gedulden fragte er: „Kannst du mir beim kochen helfen?“

      „Sehr gerne!“

      „Am Nachmittag möchte ich nach den Tieren sehen. Interessiert dich das?“, wollte er wissen.

      „Ja klar“, gab ich zur Antwort. „Hatten wir ja gestern vereinbart.“

      „In Ordnung.“

      Das kochen mit ihm machte richtig Spaß. Er verstand es im richtigen Augenblick für guten Humor zu sorgen. Es war seine Art, wie er die alltäglichen Arbeiten anging und mich dabei zum Lachen brachte. Gelegentlich benahm er sich absichtlich albern. Er wechselte bei den alltäglichen Dingen seine Art, seinen Charakter etwas zu erledigen. Zwar blieb er derselbe, doch hatte er ein gutes schauspielerisches Talent. Mal bewegte er sich grobmotorisch, und als ich bemerkte, daß er sich in Wirklichkeit nicht so bewegen würde, wurde er schusselig. Als ich lachen musste fing er an sich sehr penibel und filigran darzustellen. Kaum schüttelte ich mit dem Kopf übertrieb er noch mehr, sog seine Backen ein und spitzte seinen Mund schnabelförmig. Er bewegte sich stolzierend und sehr präzise. Ich musste so Lachen, daß mein Gesicht und mein Bauch schmerzte. Auf einmal begann er sich sehr geschickt zu verhalten. Beim Arbeiten beherrschte er jede Kleinigkeit seiner Bewegungen, als ob er sein Leben lang nichts anderes getan hätte. Darüber war ich wirklich erstaunt. Mir viel auf, daß er sich zum jeweiligen Verhalten in seiner Rhetorik auch verschiedenartig ausdrücken konnte.

      Bei der Tierpflege war er sanft und kontrollierte seine enorme Kraft, als er begann die Schafe und Kühe zu begutachten. Gekonnt umging er ihren Starrsinn, wenn sich ein Tier sträuben wollte. Meist gingen sie sowieso von selbst auf ihn zu und ließen sich streicheln.

      Er bemerkte mein erstaunen und meinte: „Wenn eine Kuh vorwärts laufen soll, dann ziehe am Schwanz. Soll sie zurücklaufen, so ziehe sie an den Hörnern.“

      Als ich früh in meiner Höhle erwachte, war ich in guter Stimmung. Er hatte es tatsächlich geschafft, obwohl ich wusste, daß es ein Traum ist, mich bei Laune zu halten. In mir stieg Hoffnung auf. Max hatte etwas sehr reales an sich. Das diese Erlebnisse auf einer anderen Ebene stattfanden, störte mich nicht.

      Das Wetter war mild. Ich bereitete die Ausrüstung vor, um am nächsten Morgen den Rückweg zum Treffpunkt anzugehen.

      Ich freute mich auf den kommenden Tag bei Max. Als ich in seinem Haus nach unten ging war niemand da, deshalb beschloss ich das Frühstück vorzubereiten. Entweder schlief er, oder kümmerte sich um seine Tiere. Aber nein. Er klopfte am Fenster und grinste.

      „Guten Morgen Max!“

      „Guten Morgen kleiner Bär!“

      „Komm mit raus an die frische Luft!“

      Draußen angekommen absolvierten wir verschiedene Körperübungen. Der heute vorgesehene Yoga mit ihm integrierte zusätzlich chinesische und tibetische Gesunderhaltungsmethoden.

      Dies sollte für die Zukunft auch meine erste Aufgabe sein.

      Wir gingen an die Arbeit. Das Mittagessen war leicht und machte nicht müde. Schließlich hatten wir noch einiges zu erledigen. Nach der schmutzigen Arbeit war eine Dusche sehr angenehm.

      Anschließend gingen wir spazieren.

      Er zeigte mir den Wald, und meinte, daß man von ihm im übertragenen Sinne sehr viel lernen kann. Auch könne man in einem gesunden Wald zu jeder Zeit seine Energie weitgehenst in Einklang bringen. Als er sich dicht an einen Baum stellte lächelte ich. Er nickte mir aufmunternd zu. Ich tat es ihm gleich, trat dem Baum respektvoll gegenüber und hörte in mich hinein, ob der Baum und ich zusammenpassten. Dabei verlies ich mich einfach auf mein Gefühl. Da mich der Baum annahm, und ich einen Energieaustausch vollziehen wollte, beschloss ich ihn wie einen Freund zu umarmen. Nach und nach konzentrierte ich mich von unten nach oben. Ich stand barfüssig. Die Energie des Erdbodens und die der Baumwurzeln zirkulierten miteinander. Meine Beine waren wie der Stamm des Baumes. Einen Energiewirbel nach dem anderen ließ ich von unten angehend nach oben durchfluten. Über dem Herzzentrum konnten die feinen Energieströme meine Arme entlang in den Baum zurückfließen. Als dieser energetische Strom stark und ungehindert zirkulierte, richtete ich meinen Blick in der Vorstellung, mit geschlossenen Augen und den Kopf etwas zurückneigend, nach oben. Mein Kehl- und Stirnzentrum verband ich mit dem Baum bis ins hohe Geäst. So fühlte ich jedenfalls. Geraume Zeit später, lehnte ich meine Stirn gegen den Stamm. Wie ein Wirbel stiegen die Energien nach oben. Hinaus aus dem Scheitelzentrum, bis in die oberste Baumkrone, und weiter in den Himmel. Das Obere und das Untere zirkulierten durch mich und den Baum. Wie Antennen von Radiowellen durchströmt werden, so durchströmte uns die Energie des Lebens. Der Baum und ich waren zu einem kleinen Zentrum verschmolzen. Einige Zeit später bremste ich langsam den Energiefluss und löste mich sachte vom Baumstamm.

      „Du hast diese Übung aus dem Gefühl heraus in deiner Welt schon praktiziert kleiner Bär. Du hast getan, was dein inneres Gefühl verlangte. Meine Aufgabe ist es, das wahre Wissen in dir zu