hob mahnend eines ihrer Beine hoch und wedelte damit vor Ambrosia herum, so dass diese sich mit ihren Beinchen am Boden festkrallte, um nicht davon geweht zu werden, »du musst aufpassen. Es gibt so viele Gefahren, dort draußen.« Die Spinnenmutter stöhnte gequält. »Die Meisten mögen Spinnen nämlich nicht; und von daher bist du jeden Tag aufs Neue dem Tod ausgesetzt.« Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel und konnte dennoch nicht verhindern, dass eine sich aus ihrem Auge schälte und auf Ambrosia hernieder fiel.
»Warum sollte mich jemand nicht mögen, Mama? Ich habe doch niemandem etwas getan.« Ambrosias Bäckchen bliesen sich auf, sie kaute auf ihrer Lipper herum, während sie ihre Mutter anstarrte.
»Was soll ich dir darauf antworten, kleine Spinne?« Wieder wischte sie sich eine Träne weg. »Die Menschen finden uns hässlich, die Insekten fürchten unsere Netze wegen und für einige sind wir auch Nahrung.«
»Ups...« Ambrosia schluckte. Ein dicker Kloß saß ihr im Hals. »So schlimm ist das...« Am liebsten wäre sie gar nicht von ihrer Mutter fort, wenn die große weite Welt schon so losging, ohne dass sie sie überhaupt beschritten hatte, der Tod ihr bereits überall auflauerte.
Mutter Spinne nickte traurig. Ihr schwerer Kopf schaukelte auf Ambrosia herab.
Auge in Auge sahen sie sich an. Mit einem Bein hob die Spinne in Spinnenmädchen hoch, dicht an ihr Gesicht. »Es wird schwer sein für dich, wie es auch für all die anderen Spinnen schwer ist.« Sie verdrehte die Augen und dachte nach. »Am besten wird es sein, wenn du niemandem vertraust, dann kann dich auch niemand belügen oder dich gar in eine Falle schicken.«
»Weißt du, Mama, eigentlich würde ich viel lieber bei dir bleiben.« Ambrosia stöhnte herzzerreißend. Ihre Mutter ließ sie sanft zu Boden gleiten. »Das geht nicht, mein kleines Mädchen.«
»Warum denn nicht?«
»Weil wir Spinnen sind, deswegen.«
»Das ist aber doof. Dann will ich keine Spinne sein.« Ambrosia schniefte, während ihre Mutter ein dumpfes, gequältes Lachen von sich gab.
»So einfach ist das leider nicht. Man ist, was man ist. Du und ich, mein kleiner Vielfüßer, wir sind nun einmal als Spinnen geboren und müssen auch, als solche leben.« Sie kniete sich vor Ambrosia nieder, so dass sich ihre Nase berührten. »Du wirst das schon machen, Ambrosia, da bin ich mir ganz sicher.«
»Was machen?« Der kleinen Spinne war auf einmal bitterkalt. Sie fühlte sich jetzt schon alleine und verlassen, obwohl ihre Mutter noch bei ihr war.
Die Warnungen von Mutter Spinne hatten ihr Angst gemacht, und sie wusste nicht, wie sie die Angst wieder abschütteln konnte. Sie hatte sich in ihr festgehakt, wie Efeu an Mauerwerk.
Wieder lächelte Ambrosias Mutter gequält. »Wenn du meine Ratschläge befolgst, dann wirst du da draußen auch zu überleben wissen. Doch wie gesagt, pass bei den Menschen auf, und duck und versteck dich, wenn du merkst, dass die Gefahr droht.«
»Ich will nicht fortgehen. Lass mich doch bitte, bitte, bei dir bleiben. Wir können doch zusammen in die weite Welt gehen. Das wird vielleicht auch lustig...«
Mutter Spinne schüttelte traurig den Kopf. »Nein, das geht nicht. Und bevor es uns beiden noch schwerer fällt, uns voneinander zu trennen, werde ich dich jetzt verlassen. Tschüss, kleine Spinne, vielleicht werden wir uns ja irgendwann einmal über den Weg laufen.« Ohne Ambrosia auch nur noch eines weiteren Blickes zu würdigen, trottelte die Spinnenmutter davon. Ihre Schritte waren schwerfällig, so, als würde sie eine schwere Last mit sich herumtragen.
Ambrosias Blick folgte ihr tränenverklärt. »Tschüss, Mama.« flüsterte sie.
Sie sah ihrer Mutter noch lange nach. Solange, bis sie immer kleiner wurde, sich zu einem winzigen Punkt veränderte, um am Ende gar nicht mehr gesehen zu werden.
Die kleine Spinne seufzte, während sie sich unentwegt die Tränen wegwischte und die Nase stetig hochzog.
Traurig wandte sie sich ab und zwang ihre Beinchen, loszulaufen. Hinaus in die weite, fremde Welt, und damit Gefahren ausgesetzt, von denen sich Ambrosia nicht annähernd ein Bild machen konnte, dass es sie überhaupt gab. Und dabei saß ihr immer noch die Angst im Nacken. Jene Angst, die sich mit den Warnungen ihrer Mutter, mit ein jedem Wort von ihr, zu ihr hinübergeschlichen und sich in Ambrosias Kopf vergraben hatte. Vergraben und festgehakt, als wollte sie die kleine Spinne nie mehr loslassen.
… und so machte Ambrosia ihre ersten Schritte, alleine, in eine ihr völlig unbekannte Welt.
3. Die Fremde
Langsam, ein Beinchen vor das andere schiebend, trottete Ambrosia davon. Ihr Bäuchlein schleifte beinahe am Boden entlang, so klein versuchte sie sich zu machen, um auch bloß nicht von irgendjemandem entdeckt zu werden. Zu groß war die Angst, die mit jedem ihrer Schritte größer und immer größer wurde, und Ambrosias aufgeregtes Spinnenherz immer heftiger schlagen ließ.
Dabei, Ambrosia brauchte sich eigentlich gar nicht klein zu machen, da sie doch ohnehin noch so winzig war.
Nicht größer als ein Stecknadelkopf.
Heute, und auch morgen und übermorgen noch. Vielleicht auch noch den Tag danach, oder sogar noch den nächsten und übernächsten...
Doch irgendwann einmal war der Tag da und sie würde zu einer großen Spinner herangewachsen sein.
Groß.
Handtellergroß, mit kräftigen, strammen und sehr behaarten Beinen.
Zu einer Spinne, vor der es den meisten Menschen grauste.
Aber das wusste die kleine Spinne nicht. Und hätte sie es gewusst, sie hätte sich sicherlich auf der Stelle unter irgendetwas versteckt und niemals wieder darunter hervorgetraut.
Doch da sie es nicht wusste, lief sie, wenn auch ängstlich, immer weiter in die Fremde hinein.
Zuerst war der Boden eben und trocken. Keine Hindernisse erschwerten ihren Weg, so dass sie leicht vorwärtskam.
Und so lief die kleine Spinne und lief, und sah dabei immer wieder über ihre Schulter, in der Hoffnung, dass ihre Mutter doch zurückgekommen war und ihr folgte.
Jedoch, ihre Mutter war nirgendwo zu sehen.
Ambrosia schniefte traurig. »Warum muss ich nur eine Spinne und alleine sein?«, fragte sie sich, doch eine Antwort darauf fand sie nicht.
Es war schon fast Abend, als Ambrosia plötzlich stehen blieb. Irgendetwas versperrte ihren Weg.
Die kleine Spinne sah an dem langen dünnen Halm entlang.
Ob das schon der Tod ist, der sich mir in den Weg stellt?, überlegte sei, und ihr winziger Körper bebte ängstlich.
Ganz vorsichtig lugte sie um das Teil herum.
»Was siehst du mich so erstaunt an? Man könnte ja gerade meinen, dass du noch nie einen Grashalm gesehen hast.« tönte der dicke, grasgrüne Grashalm mit tiefer Stimme.
Ambrosia erschrak sich so sehr, dass sie nach hinten kippte und umfiel; und zu allem Elend auch noch auf den Rücken.
»Ts, ts, wie kann man nur so dumm und ungeschickt sein?«, fuhr sie der Grashalm an und beugte sich über sie.
Sofort kralle sie ihre zitternden Beinchen um ihn, und der Halm half ihr wieder auf die Beine. Vorsichtig und behutsam ließ er die Spinne auf dem Boden ab.
Verwundert schaute ihn Ambrosia an. »Danke.« flüsterte sie.
»Gern geschehen.« brummte der Grashalm. »Beim nächsten Mal passt du aber besser auf, denn auf dem Rücken liegend, glaube ich, haben sogar auch Spinnen ihre Schwierigkeiten, wieder auf die Beine zu kommen.«
»Tatsächlich.« antwortete die kleine Spinne erstaunt. »Das wusste ich gar nicht.«
»Nun ja...« Der Grashalm wurde leicht verlegen, und Ambrosia glaubte, dass er für einen