ob sie sich das nur eingebildet oder ob der Halm tatsächlich kurzzeitig seine Farbe gewechselt hatte.
»Wie gesagt, ganz sicher bin ich mir nicht.« Er räusperte sich. »Wie dem auch sei, sei auf jeden Fall vorsichtig.«
Die Spinne nickte. »Ich werde mir Mühe geben.«
Auch der Grashalm nickte zustimmend, so dass es aussah, als wäre der Wind an ihm entlang gestrichen und hätte ihn rauf und runter gebeugt. »Und jetzt geh, kleine Spinne, denn nicht mehr lange, dann ist es dunkel.«
»Dunkel?«, wunderte sie sich.
»Ja, dunkel. Und wenn es dunkel ist, dann ist es gefährlich, erst recht für so ein Baby, wie du eins bist.«
»Alt bin ich noch nicht, da hast du Recht, Herr Grashalm.« sagte die winzige Spinne leise, die unterdessen wusste, dass der Halm vor ihr, ein Grashalm war.
»Meine Worte. Deshalb, lauf jetzt um mich herum und such dir ein sicheres Plätzchen für die Nacht.«
»Ich kenne aber kein sicheres Plätzchen. Weißt du eins?« Ambrosia hob ihren Kopf und ihre Äuglein wanderten zu dem Halm hinauf und sahen ihn unwissend, und gleichzeitig erwartungsvoll an.
Der Grashalm nickte. »Am besten suchst du dir einen Schlafplatz unter der Wurzel eines dicken Baumes.«
»Tut die mir auch nichts?«
»Nein, sonst würde ich dich ja dort auch nicht hinschicken.«
Die kleine Spinne dachte nach; hob ihr Köpfchen langsam auf, um es gleich wieder zu senken. Auch sie nickte. Ja, das machte Sinn.
Der Grashalm wollte sich schon von Ambrosia wegdrehen, als der Spinne noch etwas einfiel. »Wie weiß ich denn, wann ich eine Baumwurzel gefunden habe?«
»Du weiß nicht, was ein Baum noch was eine Baumwurzel ist?«, wunderte sich der Grashalm und betrachtete Ambrosia nochmals ganz genau. »Dann bist du ja noch jünger als ich geglaubt habe.«
»Noch viel, viel jünger.« antwortete Ambrosia flüsternd, und erzählte dem Halm von ihrer Geburt, und dass ihre Geschwister sie beinahe über den Haufen gerannt hätten, hätte sie sich nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht.
Die kleine Spinne erzählte ihm von ihrer Mutter, und dass sie als einzige der Spinnengeschwister mit ihr zurückgeblieben war. Sie vergaß dabei auch nicht die Gefahren zu erwähnen, von denen ihre Mutter gesprochen hatte; und der Grashalm hörte aufmerksam zu. Nur ab und zu gab er ein brummendes Ja als Bestätigung dazu.
Als Ambrosia geendet hatte, der Halm alles über sie wusste, verabschiedete sie sich von ihm und begab sich auf die Suche nach einem Baum, unter dessen Wurzel sie die Nacht sicher verbringen konnte.
4. Fliegenpilz Fred
Noch bevor die kleine Spinne eine sichere Baumwurzel gefunden hatte, braute sich ein Unwetter zusammen.
Urplötzlich schob über Ambrosia Donnergrollen am Himmel entlang, und die dunklen Wolken zogen so schnell davon, als wollten auch sie vor dem Gewitter die Flucht ergreifen.
Blitze schlugen hernieder, hüllten die anbrechende Nacht für Sekundenbruchteile in gleißend grelles Licht, so dass Ambrosia überängstlich zusammenzuckte.
Es war eines jeder Frühlingsgewitter, das auch kleine Mädchen und Jungs, von Panik ergriffen, in die Betten ihrer Eltern flüchten ließ.
Nur, Ambrosias Mutter war weit, weit weg, und die kleine Spinne ganz auf sich alleine gestellt.
Sie zitterte und konnte sich kaum noch auf den Beinchen halten. Ihr Kiefer klappte nach unten. Mit offenem Mund schaute sie sich um, unfähig, ich auch nur einen Millimeter von der Stelle zu bewegen. Wie gelähmt stand sie da, während ihr Blick langsam nach oben kroch, hinauf zu den davon jagenden Nachtwolken, und ihr Kopf in den Nacken fiel, so starr waren ihre Augen in den Bann des Unwetters gezogen.
»Du solltest machen und dich in Trockene bringen. Nicht mehr lange, dann wird es hier wie mit Bindfäden regnen.« rief sie eine aufgeregte Stimme an. Verwundert sah sich die Spinne um. »Wo bist du?«, fragte sie, denn sie sah niemanden, außer einem eigenartigen Teil, das aussah, als hätte es eine gepunktete Mütze auf.
»Wo ich bin?«, fragte die Stimme erstaunt zurück. »So klein bin ich nun auch wieder nicht, um dass du Winzling
mich nicht sehen könntest.« donnerten die Worte empört auf Ambrosia hernieder.
Sie schluckte. Nochmals sah sie sich um. Dieses Mal nicht nur Angst vor dem Gewitter habend, nein, dieses Mal sogar noch zusätzlich eingeschüchtert durch die Empörung, die mit den Worten in Ambrosias Ohren gedrungen war, und dort widerhallte, als würden die Worte nochmals wieder und wieder erneut entrüstet ausgesprochen.
»Wenn du mir sagst, wie du aussiehst, dann finde ich dich vielleicht.« Die Lippen der kleinen Spinne zitterten, während sie ihre Worte über sie hinaus zwang.
»Wie soll ich schon aussehen? Wie Fliegenpilz Fred natürlich!«, kam es mit einer Selbstverständlichkeit zurück, die Ambrosia erneut erzittern ließ.
»Ich weiß nicht, was ein Fliegenpilz ist.« Die Spinne war den Tränen nahe; und im gleichen Moment brauste erneutes Donnergrollen über sie hinweg, so dass sie sich, ohne nachzudenken, nach vorne warf, direkt gegen etwas Weißes.
Sie duckte sich, machte ich noch kleiner als sie ohnehin schon war, und ließ ihre Augen über das weiße Etwas wandern.
»Na siehst du, du weißt ja doch, wo ich bin.« Dieses Mal klang die Stimme schon viel freundlicher.
»Ja, weiß ich das?« Ambrosia zog wieder einmal die Schultern ein. Nochmals schlichen ihre Augen an dem weißen Teil entlang. Und dann, ganz plötzlich, entdeckte sie zwei kugelrunde Augen, die ihr lächelnd zuzwinkerten.
Scheu, fragte sie: »Bist du Fred Fliegenpilz?«
Der Pilz lachte laut, so dass er den nächsten Donnergroll doch tatsächlich übertönte.
»Musst du immer so laut sein!«, schimpften die Pfifferlinge, die in der Nähe des Fliegenpilzes aus dem Boden wuchsen, und nichts weiter als schlafen wollten.
»Seid bloß ruhig! Ihr wisst doch, wenn euch Wanderer finden, dann, flutsch, sei ihr weg.« antwortete Fred, fast schon gehässig.
»Dass du uns aber auch immer wieder daran erinnern musst!«, meckerten die Pfifferlinge, senkten ihre Köpfchen und schwiegen fortan.
Fred wandte sich wieder der Spinne zu. »Du solltest dich während des Gewitters verstecken.«
»Aber wo?« Ambrosias Stimme zitterte. Sie hatte soviel Angst. Zudem machte ihr der Wind zu schaffen, der mit dem Gewitter aufgekommen war und immer mehr an Stärke zunahm.
»Wo?«, lachte der Pilz. »Kleine Spinne, wenn du doch schon unter einem Dach stehst, warum stellst du dich dann nicht richtig unter?« Er neigte sich leicht von links nach rechts, um so seiner Verwunderung doch noch mehr Ausdruck zu verleihen?
»Was ist denn ein Dach?«, fragte Ambrosia, doch sie bekam keine Antwort.
Stattdessen, sagte der Fliegenpilz: »Klettere an meinem Stamm hinauf und leg dich unter meiner roten Mütze schlafen.«
Ambrosia zwang ihre Augen an dem weißen Stamm hoch, schaute auf die rote Mütze, die über ihn hinausragte und verstand.
Hurtig huschte sie ganz dicht an den Pilz heran.
Fred schüttelte sich, wobei sich eine Faser seines Stamms löste, an der Ambrosia hoch kletterte, von dieser zu dem Stamm hinüberwechselte und unter der roten Mütze, mit den weißen Pünktchen, Schutz suchte.
Es dauerte nicht lange und die kleine Spinne schlief vor Erschöpfung ein.
Fred Fliegenpilz wog sanft hin und her und krauste dabei seine Mütze, so dass Ambrosia geschützt schlafen konnte.
Doch das bemerkte die winzige Spinne