André Kannstein

RINALDO RINALDINI


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      SPIEGEL Aber gleich soll ich reden…

      SALTIMBOCCA Spieglein, Spieglein an der Wand…

      SPIEGEL Ich höre.

      SALTIMBOCCA Spieglein, Spieglein an der Wand! Wer ist die Schönste im ganzen Land?

      SPIEGEL Marchese, Ihr seid der Schönste im ganzen Land. Aber Rinaldo Rinaldini, hinter den Bergen, bei den sieben Zwergen…

      SALTIMBOCCA Ich habe nicht „der Schönste“, ich habe „die Schönste“ gesagt.

      SPIEGEL Auch ein Spiegel will seinen Spaß haben.

      SALTIMBOCCA Der Spaß endet, wenn ein Spiegel und ein Nachttopf kollidieren.

      SPIEGEL Meinen Scherben nützen Euch gar nichts.

      SALTIMBOCCA Aber dir bringen sie auch kein Glück! Reiß dich zusammen! Das Spiel!

      SPIEGEL Also gut.

      SALTIMBOCCA Spieglein, Spieglein an der Wand! Wer ist die Schönste im ganzen Land?

      SPIEGEL Nachdem Ihr Letizia in die Küche und Donatella in den Stall gesteckt habt, nachdem Stella ihr Leben ausgehaucht hat und Emilia in Euren Verliesen schmachtet, ist Olympia hinter den sieben Bergen, bei den sieben Zwergen –

      SALTIMBOCCA Olympia? Nie gehört.

      SPIEGEL Ist Olympia die Schönste im ganzen Land.

      SALTIMBOCCA Der Name klingt komisch.

      SPIEGEL Eurer auch.

      SALTIMBOCCA Was klingt an Saltimbocca komisch?

      SPIEGEL Das Saltimbocca.

      SALTIMBOCCA Olympia – das klingt nach Sport und Spiel. Nach Ausdauer und Leidenschaft. Nach Speerwurf und einem Schuss ins Schwarze. Olympia und Saltimbocca – das könnte eine Nummer werden. Spiegel! Schaff sie mir bei, diese Olympia!

       3.

      Blitz und Donner. In einer Kutsche. Die Marchesa, Olympia, Tedesco, Rinaldini

      MARCHESA Welch ein Wetter, Signora Olympia! Wie gut, dass wir ein Dach über dem Kopf haben und diese beschwerliche Fahrt nicht unter Gottes freiem Himmel absolvieren müssen.

      TEDESCO vor sich hin murmelnd Immerhin, mich wird umgeben, Gottes Himmel dort wie hier, und als Totenlampen schweben nachts die Sterne über mir.

      RINALDINI So schwermütig, Tedesco?

      TEDESCO Worte eines deutschen Dichters.

      MARCHESA Deutschland, das Land der Dichter und Denker. Aber das Wetter. Es soll dort ja immerzu regnen.

      OLYMPIA ironisch Wie gut, dass wir auf Sizilien sind.

      RINALDINI Gönnt auch unserer Vegetation ein wenig Regen, Signora Olympia. Schon morgen wird die Sonne wieder unerbittlich scheinen.

      OLYMPIA Seid Ihr ein Wetterfrosch, Graf Altaverde?

      RINALDINI Ich versuche, Konversation zu betreiben.

      OLYMPIA Das unterscheidet Euch in der Tat von einem Frosch.

      RINALDINI Dabei schätze ich diese Tiere. Sie haben sich ihrer Umwelt bestens angepasst und liegen lauernd am Ufer, um im richtigen Moment eine Fliege zu erhaschen.

      OLYMPIA Wie ein Räuber.

      RINALDINI Raub ist im Tierreich nichts Ungewöhnliches.

      MARCHESA Auch auf Sizilien ist es nichts Ungewöhnliches. In Neapel sagte mir die Marchesa Mondamini: Hüte dich vor Rinaldo Rinaldini, wenn du nach Sizilien reist! Er ist der Klügste unter den Räubern.

      OLYMPIA Und der Schönste, wie es heißt.

      RINALDINI Das klingt, als könnte es ein Abenteuer sein, sich von Rinaldini ausrauben zu lassen.

      MARCHESA Allemal. Für ein Erlebnis, von dem man noch seinen Enkeln erzählen kann, sollte man sich nie zu schade sein.

      RINALDINI Aber schade wäre es doch um den wertvollen Schmuck der Marchesa?

      MARCHESA Sie meinen dieses Halsband? Diesen Ring? Billiger Tand. Wertloser Glitzerkram. Meine wahren Schätze trage ich an sicherer Stelle. Sie greift in ihr Dekolleté und holt einen kleinen Beutel hervor. Hier sind die Steine, mit denen ich mich beim Marchese Saltimbocca schmücken werde.

      RINALDINI Sie reisen zum Marchese? Es heißt, er feiere hinreißende Feste.

      MARCHESA Es sind die galantesten, die ich kenne.

      OLYMPIA Darf ich? Sie nimmt den Schmuck aus dem Beutel und betrachtet ihn. Exquisit. So wundervoll geschliffene Rubine und Topase habe ich nur in Königshäusern gesehen.

      MARCHESA geschmeichelt Mein verstorbener Gatte hat sich nicht lumpen lassen. Er wünschte eine glanzvolle Person an seiner Seite und ich habe mich aufputzen lassen. Sie nimmt den Schmuck wieder an sich und bringt den Beutel zurück an den sicheren Ort.

      TEDESCO Der sicherste Reichtum ist die Armut an Bedürfnissen.

      MARCHESA Wie meinen?

      TEDESCO Worte eines deutschen Dichters.

      MARCHESA zu Rinaldini Ihr Page hat es mit den Deutschen.

      RINALDINI Er ist Deutscher.

      MARCHESA Dafür spricht er ein gutes Italienisch.

      TEDESCO Grazie, Signora Marchesa, grazie mille. Wir Deutschen lieben das Land, in dem die Zitronen blühen und so zog es auch mich vom Greifswalder Bodden über die Alpen ins Land der Glückseligen. Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein.

      OLYMPIA Nun wird es mir ein wenig zu viel der deutschen Dichtung. Wohin reist Ihr, Graf Altaverde?

      RINALDINI Mich führen Geschäfte nach Messina.

      OLYMPIA So teilen wir denselben Weg. Auch ich will nach Messina.

      RINALDINI Es ist mir ein Vergnügen, die Signora Olympia bis in die Stadt des berühmten Maestro Antonello zu begleiten.

       Räuber nähern sich der Kutsche. Das Unwetter meldet sich kraftvoll zurück.

      Tedesco zupft Rinaldini am Ärmel.

      RINALDINI Was ist, Tedesco? Schreckt dich der Donner?

      TEDESCO Eher sind es menschliche Dinge, die da draußen vor sich gehen. Schaut hinaus, Graf!

       Die