die er für das Ophir der Bibel hielt - nebenbei, andere, sogar Gelehrte, haben dasselbe schon lange vor Evans behauptet. Ich erinnere mich genau, wie ich offenen Ohres all diesen Wundern lauschte; denn ich war damals ja jung, und diese Geschichte einer sagenhaften Kultur und eines Schatzes, den jene alten jüdischen und phönizischen Abenteurer aus einem Land holten, das schon längst wieder in finstere Barbarei zurückgeglitten war, regte meine Phantasie gewaltig an. Plötzlich fragte er mich:
Junge, hast du schon einmal etwas vom Sulimangebirge im Nordwesten des Mashukulumbwelandes oben gehört?
Ich verneinte.
Na schön, sagte er, dort oben hatte Salomon tatsächlich seine Minen, seine Diamantenminen, meine ich.
Woher willst du das wissen?, fragte ich.
Es wissen! Ei, was ist denn Suliman anderes als eine Verballhornung von Salomon? Und außerdem erzählte mir eine alte Isanusi, eine Zauberdoktorin in der Manicagegend oben, alles davon. Sie sagte, dass das Volk, welches über dem Gebirge drüben lebt, ein Zweig der Zulu wäre, der einen Zulu-Dialekt spreche; es seien aber größere und hübschere Menschen, und unter ihnen gebe es mächtige Zauberer, die ihre Kunst von weißen Männern gelernt hätten, als die ganze Welt finster war, und die das Geheimnis einer wunderbaren Mine glänzender Steine besäßen.
Nun, damals lachte ich über diese Geschichte, obwohl sie mich interessierte, denn zu der Zeit waren Afrikas Diamantenfelder noch nicht entdeckt. Der arme Evans zog weiter und wurde getötet. Während der nächsten zwanzig Jahre dachte ich nicht mehr an die Sache. Aber genau zwanzig Jahre später - und das ist eine lange Zeit, Gentlemen, ein Elefantenjäger lebt bei seinem Beruf selten zwanzig Jahre -, da hörte ich etwas Genaueres über das Sulimangebirge und das Land, das jenseits von ihm liegt. Ich war über die Manicagegend hinauf an einen Ort, Sitandas Kraal genannt, gezogen. Es war eine Gotts erbärmliche Gegend, man konnte dort nichts zu essen bekommen, und rundum gab es nur Kleinwild zum Jagen. Ich hatte einen Fieberanfall und war überhaupt in einer bösen Verfassung, als ein Portugiese mit einem einzigen Gefährten - einem Halbblut - ankam. Na, ich kenne diese Delagoa-Portugiesen zur Genüge. Es gibt im Allgemeinen ungehängt keine größeren Teufel als sie. Sie mästen sich an der menschlichen Qual und am Fleisch ihrer Sklaven. Aber der war gegenüber diesen niederträchtigen Burschen ein ganz anders gearteter Typ, als ich ansonsten gewohnt war zu begegnen. Er erinnerte mich an die chevaleresken Doms, von denen ich gelesen hatte. Er war lang und hager, hatte große schwarze Augen und einen gezwirbelten Schnurrbart. Wir unterhielten uns ein wenig, denn er sprach gebrochen Englisch, und ich verstand etwas Portugiesisch. Er erzählte mir, dass er José Silvestre heiße und an der Delagoa-Bay seinen Wohnsitz habe. Als er am nächsten Tag mit seinem Halbblut-Gefährten aufbrach, verabschiedete er sich mit einem freundlichen Adieu und zog seinen Hut ganz nach alter Manier. Auf Wiedersehen, Señor, sagte er, wenn wir uns wiedersehen sollten, werde ich der reichste Mann der Welt sein, und ich werde mich dann Ihrer erinnern. Ich lachte kurz, ich war selbst zu schwach, kräftig zu lachen. Dann beobachtete ich, wie er auf die große Wüste im Westen zuhielt. Zu gerne hätte ich gewusst, ob er verrückt war oder was er dort zu finden glaubte.
Eine Woche verging, und ich erholte mich von meinem Fieber. Eines Tages saß ich auf der Erde vor meinem Zelt, nagte an dem letzten Knochen eines erbärmlichen Huhns, das ich für ein Stück Stoff - zwanzig Hühner wert - von einem Eingeborenen bekommen hatte, und starrte in die heiße untergehende Sonne. Plötzlich sah ich eine Gestalt, offensichtlich die eines Europäers, denn sie trug einen Männerrock, etwa dreihundert Yards entfernt mir gegenüber auf dem Hang des ansteigenden Geländes. Der Mensch kroch auf Händen und Füßen vorwärts, brach zusammen und kroch wieder weiter. Der Mann war in Not, das war mir klar, und ich schickte deshalb einen meiner Jäger hinaus, ihm zu helfen. Bald darauf kehrte er zurück. Was glauben Sie, wen er mitgeschleppt brachte?«
»José Silvestre natürlich«, sagte Captain Good.
»Jawohl, José Silvestre, oder genauer gesagt, sein Skelett mit ein wenig Haut. Sein Gesicht war quittengelb von Gallenfieber, und seine großen, schwarzen Augen standen fast aus dem fleischlosen Schädel. Nichts wie pergamentartige Haut, weiße Haare und spitz hervortretende Knochen, kein Quäntchen Fleisch.
Wasser! Um Christi willen Wasser!, stöhnte er. Seine Lippen waren aufgesprungen, seine Zunge war geschwollen und schwärzlich.
Ich gab ihm Wasser mit etwas Milch gemischt, und er trank in großen Schlucken ohne abzusetzen zwei Viertel oder mehr. Ich hätte ihm aber unter keinen Umständen auch nur einen Tropfen mehr gegeben. Dann packte ihn das Fieber wieder. Er brach zusammen und begann vom Sulimangebirge, von Diamanten und der Wüste zu phantasieren. Ich brachte ihn ins Zelt und tat für ihn, was ich tun konnte; es war wenig genug. Doch ich sah, wie es enden musste. Gegen elf Uhr wurde er ruhiger, und ich legte mich nieder, um ein wenig auszuruhen, und schlief ein. Bei Morgengrauen wurde ich munter und sah Silvestre aufrecht im Zwielicht sitzen, eine seltsame, hagere Gestalt, die hinaus in die Wüste starrte. Kurz darauf schoss der erste Strahl der Sonne unmittelbar über die weite Ebene vor uns bis zu dem weit entfernten Gipfel eines der höchsten Berge des Sulimangebirges, mehr als hundert Meilen weg.
Das ist er!, schrie der Sterbende auf Portugiesisch und zeigte mit seinem langen, dürren Arm hin. Aber ich werde ihn nie erreichen, nie! Keiner wird ihn je erreichen! Plötzlich hielt er inne und schien einen Entschluss zu fassen. Freund, sagte er, indem er sich mir zuwendete, sind Sie da? Meine Augen werden trübe.
Ja, sagte ich, legen Sie sich jetzt hin und ruhen Sie sich aus.
Ei, erwiderte er, ich werde bald ruhen, ich habe Zeit zu ruhen, eine ganze Ewigkeit. Hören Sie, ich liege im Sterben! Sie sind gut zu mir gewesen. Ich werde Ihnen die Urkunde geben. Vielleicht gelingt es Ihnen, lebend durch die Wüste zu kommen, die mich und meinen armen Diener auf dem Gewissen hat. Dann langte er in sein Hemd und zog etwas heraus, was ich für einen burischen Tabaksbeutel aus der Haut eines Swart-vet-pens, einer Schwarzantilope, hielt. Es war mit einem kurzen, schmalen Fellstreifen, wir nennen ihn Rimpi, zugebunden, und er versuchte ihn aufzuknüpfen, vergebens. Er reichte den Beutel mir.
Aufknüpfen, sagte er.
Ich tat's und zog ein Stück zerrissener, gelber Leinwand heraus, auf der etwas in verblassten Buchstaben geschrieben war. Eingewickelt in diesen Fetzen war ein Papier.
Er wurde zusehends schwach, und die Mattigkeit wuchs.
Die Urkunde beschreibt alles, was auf dem Leinen ist. Jahre hat es mich gekostet, es zu entziffern. Hören Sie: mein Ahne, ein politischer Flüchtling aus Lissabon und einer der ersten Portugiesen, die an diesen Küsten landeten, schrieb das nieder, als er in jenem Gebirge dort, das keines Weißen Fuß vorher und seitdem berührt hat, im Sterben lag. Sein Name war José da Silvestra. Er lebte vor dreihundert Jahren. Sein Sklave, der am Fuß des Gebirges auf ihn gewartet hatte, fand ihn, als er ihn nach langem Warten suchte, tot auf und brachte das Schriftstück nach Delagoa. Seit damals wurde es in unserer Familie aufbewahrt, aber niemand hat sich die Mühe gemacht, die Schrift zu entziffern, bis ich es schließlich tat. Und jetzt kostet mich das mein Leben, ein anderer kann Erfolg haben und der reichste Mann der Welt werden - der reichste Mann der Welt. Nur geben Sie es niemandem anderen, Señor; gehen Sie selbst!
Dann begann er wieder wirr zu reden, und in einer Stunde war alles vorbei.
Gott schenke ihm die ewige Ruhe! Er starb sehr ruhig, und ich begrub ihn tief unter großen Geröllbrocken. Ich glaube also nicht, dass ihn Schakale ausgraben konnten. Dann zog ich weiter.«
»Ja, aber das Dokument?«, sagte Sir Henry stark interessiert.
»Ja, das Dokument; was stand darin?«, fügte der Captain hinzu.
»Nun, Gentlemen, wenn Sie es wünschen, werde ich es Ihnen erzählen. Ich habe es bisher noch niemandem gezeigt, außer einem betrunkenen alten portugiesischen Händler, der es mir übersetzte und bis zum nächsten Morgen alles wieder vergessen hatte. Das Original des Fetzens liegt bei mir zu Hause in Durban, zusammen mit der Übertragung des armen Don José. Die englische Übersetzung aber habe ich bei mir in meinem Notizbuch sowie ein Faksimile der Landkarte, wenn man es eine Karte nennen kann. Hier ist's.«
Ich, José da Silvestra, der jetzt vor Hunger im Sterben liegt,