Gabriela Beyeler

Grüwig das Buch


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Ende der Geburt etwas fast unbeschreibliches. Ich fühlte eine Anwesenheit von jemand Unsichtbarem, der mir beistand und mich unglaublich beruhigte. Ich fühlte mich umarmt, unterstützt und getröstet von einer mir fremden Energie, die mich wie in Watte gepackt umhüllte. Ich kann nicht sagen was oder wer es sein konnte, doch das war eine sehr ungewöhnliche und auch schöne Erfahrung. Die Hebamme erklärte mir, dass sie den Durchtritt vom Kopf verzögern würde und massierte wie verrückt meinen Damm, damit wir nicht schneiden müssten und ich es dann besser haben würde. Es hat dann doch etwas gerissen und ich musste genäht werden. Als das Kind geboren war, fragte ich nach dem Geschlecht und als mir gesagt wurde, dass es ein Junge war, war ich schon etwas erstaunt. Wir hatten, wie die vorherigen Male mühe, einen schönen Knabennamen zu finden, der uns beiden gefiel und so nannten wir ihn Joe. Ich sagte zu Dieter: „Du wolltest immer einen Joe, also geben wir ihm diesen Namen.“ Mir wurde gesagt, dass er sehr friedlich aussehe und er sehr, sehr hübsch sei. Auch er hatte viele dunkle Härchen und sogar einen süssen Kussmund, so beschrieb ihn mir Dieter. Ich habe es bis heute nicht bereut, dass ich ihn mir nicht angeschaut habe, so habe ich ein Bild weniger, das mich mein Leben lang verfolgt. Die Tage auf der Station waren grässlich. Ich bekam eine Spritze gegen den Milcheinschuss und soweit lief körperlich alles gut. Ich sah schrecklich aus, denn ich bekam viele Pickel. Ich sah aus, als hätte ich einen Ausschlag. Meine Mutter und Philip kamen mich besuchen. Ob Sascha dabei war, weiss ich nicht mehr. Ich blieb nicht lange und ging am dritten Tag nach Hause. Wir haben Joe kremieren lassen. Ich wollte das eigentlich nicht, doch es war eine Entscheidung der Vernunft, weil wir ihn so dem Grab von Cyrill beilegen konnten, was sonst nicht möglich gewesen wäre. Die Beerdigung fand im kleinen Rahmen statt, nur die Eltern und wir. Ich weiss gar nicht mehr, ob Jan dabei war oder nicht. Wir trafen uns auf dem Friedhof mit dem Pfarrer, schritten zum Grab und dort hielt er eine Grabrede. Sie liessen die Urne hinab und dann war es vorbei. Danach gingen wir alle in der Nähe des Friedhofes in einem Café etwas trinken und dann nach Hause. Ich war froh an der Beerdigung teilgenommen zu haben, denn der Akt gehört zur Verarbeitung dazu. Jan hatte sehr wohl unsere Traurigkeit über den Verlust wahrgenommen und benahm sich irgendwie aggressiv. An einem Nachmittag schauten wir „Daktari“ und während dieses Filmes, konnte ich erstmal wieder loslassen und vergessen. An demselben Tag kam der Grabsteinmensch um die neuen Daten aufzunehmen und zu besprechen, wie und wo auf dem bestehenden Stein von Cyrill eingraviert werden sollte. Der Mann war unzufrieden mir der Sachlage, weil nur wenig Platz für das neue Datum vorhanden war und meinte: „…wenn man das vorher gewusst hätte….“ Es gibt Menschen die arbeiten einfach am falschen Ort. Denise und Wolfgang kamen uns besuchen und das tat ja so gut. Wir plauderten und lachten. Wir konnten für einige Stunden einfach abschalten und allen Schmerz vergessen. Ich finde es toll, dass es Menschen gibt, die keine Berührungsängste haben oder zumindest diese überwinden können.

      Jan

      Jan hat uns leiden sehen und ich denke es war für ihn schwierig mit der Situation umzugehen. Er gab uns irgendwie das Gefühl, als hätten wir das Kind umgebracht, so als wäre vor allem ich Schuld. Schliesslich war das Kind ja in meinem Bauch und somit lag diese Schlussfolgerung nicht fern. Seit Jan laufen konnte hielt er mich auf Trab. Er machte immer wieder Unsinn und provozierte mich aufs Äusserste. Was hatte ich ihm angetan? Irgendetwas lief falsch zwischen uns und ich wusste nicht was.

      Jan war schon als Baby schlau! Das Absperrgitter vor seinem Zimmer drückte er einfach weg, indem er seinen Hafen davor stellte, seine Zimmertür zudrückte und so das Gitter herausdrückte. Er schaffte es sogar mitsamt seinem Schlafsack aus seinem hohen Gitterbettchen zu klettern und damit zu uns herüber ins Schlafzimmer zu laufen. Toll fand ich, dass er mit seinem Dreirad in der ganzen Wohnung herumfahren konnte, da es keine Türschwellen gab. Wenn wir den MC Donald`s besuchten, wollte er gerne das Happy Meal, doch interessierte ihn nur das Spielzeug, den Burger durften gerne wir essen. Er war ein aufgeschlossner Junge und knüpfte schnell Kontakte. Im Freibad ging er zu den älteren Mädchen hin und bettelte mit seinem Hundeblick einige Bissen vom Eis weg. Er hatte so viel Charme! Ich vergesse nie mehr, wie er auf unseren sonntäglichen Spaziergängen im Herbst staunte, weil dort überall Essen am Boden lag, überall Äpfel…mmmh! Er schnappte sich die angefaulten und warf sie ein Stück vor sich hin und während diesem Wurf ging er elegant in die Knie, dass sah einfach köstlich aus. Im Winter ging ich mit ihm zu einem nahe gelegenen Hügel, damit er dort mit dem Bob seinen Spass haben konnte. Im Jahre `90 hatten wir in Zihlschlacht Dauernebel. Der hielt bestimmt vier bis sechs Wochen an, wenn nicht noch länger. Da wurde es sogar mir zu viel. Ich konnte nicht einmal mehr das Nachbarhaus sehen!

      Eine Bibelgruppe fragte mich an, ob ich mich einmal wöchentlich mit ihnen treffen möchte? Es waren vorwiegend Frauen dabei. Wir würden dann aus der Bibel lesen und interessante Diskussionen führen. Mir war schon allein der Gedanke ein Graus, doch ich liess mich überreden und dachte, wieso nicht, kann nicht schaden, denn wer versteht den Inhalt der Bibel wirklich, ausser die Pfarrer vielleicht. Ich ging genau einmal dort hin und nie wieder! Diese Menschen dort waren für mein Empfinden wie in Watte gepackt und mit solchen Leuten konnte ich nichts anfangen.

      Matteo fragte mich, ob ich Lust hätte in seinem Lastwagen mitzufahren. Er war derzeit gerade Lastwagenfahrer bei einer Firma, die Mastschweine transportierten. Ich sagte zu und so hütete Bettina den kleinen Jan und ich fuhr mit Matteo und einer Ladung schlachtreifer Schweine in Richtung Tessin. Ich sah zu, wie sie hier aufgeladen und im Tessin wieder abgeladen wurden. Matteo und ich unterhielten uns gut auf dem langen Weg. In den nächsten Tagen hatte ich Geburtstag und Matteo schenkte mir eine CD von Phil Collins, „wow“, da hatte er mir aber gut zugehört! Ich wollte mich bei ihm bedanken und ihm ein Küsschen auf die Wange geben, aber da wurde seine Frau Bettina mächtig sauer auf mich! Tage später besuchte er mich und brachte Erdnüsse und Mandarinen mit, die wir dann auch zum „Zvieri“ verspeisten. Mein Gefühl sagte mir, dass er an mir den Narren gefressen hatte und darum zog ich mich für einige Zeit absichtlich zurück.

      Leichte Drogen

      Dieter machte im WK Bekanntschaft mit einem charmanten und gut aussehenden Mann. Dieter erzählte mir, dass dieser Mann seiner Freundin einfach nicht treu sein konnte und den WK voll ausnütze um Fremd zu gehen. Er konsumierte Cannabis, wie auch Dieter zu der Zeit. Als er uns spontan besuchen kam und er sich dann verabschieden wollte, meinte Dieter, er solle doch noch etwas bleiben. Der Besucher verneinte und meinte, er müsse jetzt wirklich nach Hause gehen, wegen seiner Frau. Dieter setzte ihn ein kleinwenig unter Druck und schenkte ihm nochmals etwas Bier ein. Der Mann kam in solch eine Not, fing fast zu weinen an und war der Verzweiflung nahe. Also in solchen Momenten amüsierte ich mich köstlich, wie Alkohol oder in diesem Fall Cannabis, die Menschen zu Idioten machte. Dieser Mann, er hiess Claudio, arbeitete für die amerikanischen Firma AMC. Diese produzierten Pfannen in allen Grössen. Das Spezielle daran war, dass man ohne Fett braten und das Gemüse fast ohne Wasser weich kochen konnte. Wenn man Fisch und Gemüse in demselben Topf garte, schmeckte das Gemüse nach Gemüse und nicht wie man vermuten würde nach Fisch. Alles in allem war es eine gute Sache. Wir selbst kauften ein Set, weil wir von der Qualität überzeugt waren. Dieter liess sich nebenamtlich als Verkäufer anstellen und präsentierte abends ab und zu eine Pfannen-Party. Er verkaufte nicht viel und so übte er die Tätigkeit nicht sehr lange aus. Das Ganze war zu amerikanisch aufgebaut. Vor Weihnachten wurden wir beide von der Firma AMC zu einem Treffen aller Verkäufer eingeladen. In einem Restaurant assen wir zuerst ein Menu und danach wurden Punkte verteilt. Uns taten schon die Hände weh vom vielen klatschen. Nach diesem Treffen war für uns klar, das war kein Ansporn besser zu werden, sondern definitiv ein „leck mir doch und tschüss“. Später lernte Dieter einen seiner Arbeitskollegen näher kennen. Er hiess Renato und wohnte mit seiner exotischen Freundin, einer Brasilianerin, in einem Bauernhaus in Heiden. Ich zugestehen, dieser Typ gefiel mir irgendwie. Leider rauchte auch er das Zeug, von dem ich nicht begeistert war. Zu Anfang rauchte Dieter nur an den Wochenenden und ich habe es stillschweigend akzeptiert. Es artete aus und bald rauchte er jeden Abend und wir beherbergten so manch Hanf-Kollegen in unserer Wohnung. Ein Pärchen im gleichen Wohnblock, wer hätte das gedacht, entpuppten sich auch als Kiffer. Ich schaute dem Treiben so lange zu, bis ich feststellte, dass das Gras nun Einfluss auf Dieter`s Charakter nahm. Ich hatte zunehmend den Eindruck, dass er sich durch die Droge negativ veränderte. Ich redete mit ihm und er meinte, dass er den Konsum wieder auf das Wochenende reduzieren