die Hundeaugen an, sodass er laut lachen musste. So einfache Dinge bereiteten ihm also Freude. Wer hätte das gedacht? Das Leben war anscheinend doch nicht so kompliziert.
Somewhere over the Rainbow
Das verfluchte Handy zerstörte diesen magischen Moment. Und als wenn der Hund dies ahnte, begann er laut zu kläffen und seine spitzen Zähne zu fletschen.
„Du hast ja recht“, beruhigte ihn Soo-Jung und strich dem Tier ein letztes Mal übers Fell.
Als er wieder aufs Rad stieg, ertönte immer noch die schrille Melodie. Die Räder knatterten, die Morgenluft schnitt sich in seine Wangen und hinter ihm vernahm er das durch die grauen Gassen schallende Geräusch von vier Pfoten, die auf Asphalt galoppierten.
„Nein, lauf mir nicht hinterher, du blöder Flohzirkus!“, rief Soo-Jung, nachdem er einen Blick nach hinten geworfen hatte, aber der Hund war genauso ein Sturrkopf wie er. Und das gefiel ihm.
Erste Begegnung
David gegen Goliath. So kam es Haekwon zumindest vor, als er das kleine Zelt aus blauen Kunststoffplanen, worunter sich der Odeng-Stand befand, neben dem Seoul Tower erblickte. Der stählerne Fernsehturm durchbrach den grauen Himmel, von dem es reichlich goss. Für die Strecke hatte er sich ein Taxi genommen. Für den Rückweg wollte er die Metro nehmen. Die blauen Planen fanden keine Ruhe, da der Wind mit ihnen spielte. Oben über dem Eingang hatte sich Regenwasser gesammelt, sodass die wenigen Gäste beim Ein- und Austreten ihre Köpfe mit Zeitungen, Regenschirmen oder den blanken Händen schützten. Von seinem Militärschnitt perlte saures Wasser, das das blaue Hemd und die Cordhose durchweichte. Wieso er sich so fein angezogen hatte, wusste er selbst nicht. Schließlich traf er sich nicht mit einem Mädchen. Trotzdem klopfte sein Herz wild wie bei seinem ersten Date, an das er sich nur noch verschwommen erinnerte. Im Zelt roch die Luft künstlich und feucht. Zusätzlich schlug ihm der milde Duft der Fischkuchenspieße entgegen, die sich ein Bad im heißen Wasser gönnten. Hinter dem Stand befand sich eine Frau mittleren Alters mit kurzer Dauerwelle, die ihn mit einem ebenso künstlichen Lächeln begrüßte. In einer grünen Schürze gehüllt versorgte sie die bereits sitzenden Gäste mit Soju und Fischspießen. Zunächst fiel Haekwon seine Zielperson nicht sonderlich auf. Ganz im dunklen Schatten des Zeltes saß er unscheinbar auf einer Holzbank hinter einem älteren Ehepaar, das sich lachend und schmatzend vergnügte. Der kahlköpfige, bleiche Junge saß ganz still da, während er sein Essen in Sojasoße tunkte und gelegentlich einen kräftigen Schluck aus der Coladose nahm. Langsam blickte er auf, als Haekwon vor ihm stand.
„Da bist du ja endlich“, sprach er so vertraut, als würden sie sich schon seit Jahren kennen. „Setz dich oder verschwinde wieder“, fügte er mit einer Handbewegung hinzu, als Haekwon immer noch vor ihm stand und keinen Ton von sich gab.
Jemand, der geradewegs seine Meinung sagte. So lebte Haekwon doch in einer Welt, in der sich verlogene Menschen gegenseitig die Haut abzogen und sich dabei noch anlächelten. Innerlich fühlte er jetzt schon eine unerklärliche Verbundenheit zu diesem Jungen, daher entschied er sich für Ersteres und setzte auf die Bank. Gegenüber saß tatsächlich sein Freund aus der virtuellen Welt und hatte das Treffen nicht sausen lassen.
„Wenn ich so deine Klamotten sehe, bist du anscheinend Sohn eines Bonzen“, bemerkte Soo-Jung und schob sich noch ein langes, dampfendes Stück Fischkuchen in den Mund.
„Also mein Vater...“
„Hey Fräulein, bitte noch eine Portion für mich und meinen Kumpel!“
Ehrlich war er, aber Manieren hatte er keine, dachte Haekwon. Er musste mehr über ihn erfahren.
„Tschuldigung.“, meinte der Kahlkopf grinsend. „Was war mit deinem Vater?“
„Also mein Vater ist Unternehmer.“
„Mit anderen Worten deine Familie stinkt nach Geld.“
Soo-Jung lehnte sich vor, als wenn etwas an Haekwons Gesicht kleben würde. Die Bedienung brachte währenddessen eine große Schüssel mit Spießen und stellte vor Haekwon ein kleines Schälchen mit salziger Sojasoße, die sich farblich nicht von der Cola unterschied.
„Lang zu“, meinte der Kahlköpfige.
Zögernd nahm sich Haekwon einen dampfenden Spieß, der so zäh war, dass er mit den Vorderzähnen lange daran zerren musste.
„Und du bist wirklich Lieferbote?“, fragte er, während ihm noch ein Stück Fisch heiß auf der Zunge lag.
Ein Grinsen breitete sich über dem bleichen Gesicht aus.
„Ja, ich liefere in fast jede Ecke der Stadt.“
„Und warum gehst du nicht zur Schule?“
Das Grinsen verflüchtigte sich wieder und wich einer ernsten Miene.
„Du stellst ganz schön viele Fragen für das erste Treffen“, raunte Soo-Jung. „Naja, ich will nicht so sein. Du hast Glück. Heute habe ich gute Laune, daher sag ich es dir. Die Antwort auf deine Frage ist so simpel wie das Alphabet. Ich habe einfach kein Bock auf die Schule.“
Das klang für Haekwon so einleuchtend, dass er nicht nachhakte. Außerdem wollte er den Kahlkopf nicht weiter verärgern. Mit einer blauen Serviette wischte sich Soo-Jung einen Tropfen Sojasoße vom Mundwinkel und schmiss das Tuch anschließend in die Schale. Dunkel verfärbte sich die Serviette, als sie sich mit der schwarzen Flüssigkeit vollsog.
„Fräulein, wir möchten zahlen!“, rief er mit einem neckischen Grinsen der Verkäuferin zu, die herbeieilte und sich daran machte die Schalen und Schüsseln vom Tisch zu räumen. Leise grunzende Laute gab Soo-Jung von sich, während er die zerknüllten Scheine auf den kleinen Tisch legte, die sich langsam entfalteten.
Wir möchten zahlen hatte er gesagt und doch alles selbst bezahlt. Haekwon schwieg.
„Du redest nicht viel, was?“
„Naja, ich möchte nur das Nötigste sagen. Denn Worte können eine verheerende Wirkung haben.“
„Das gefällt mir“, meinte Soo-Jung. Dabei war sein bleicher Zeigefinger wie ein Revolver auf Haekwon gerichtet. „Ich persönlich rede auch nicht viel, aber die Klappe ganz halten, so wie du, könnte ich nicht.“
Als sie das kleine Zelt verließen hatte der Regen nachgelassen. Nur noch einzelne Tropfen hagelten vom stählernen Himmel. Schweigend standen sie am Straßenrand und beobachteten den Verkehrsfluss, der so zähflüssig war, als würde er aus Lava bestehen. Das Hupkonzert dröhnte Haekwon in den Ohren und die Fahrzeuge, die unermüdlich Kohlenstoffmonooxid ausspuckten, vernebelten seine Sinne.
„Ich kenne da einen Ort, dort können wir in Ruhe quatschen und was trinken.“
„Ok.“ Das erste Mal an diesem Abend lächelte Haekwon.
Sie fuhren mit der Metro durch mehrere Stadtviertel. Menschen verließen und betraten die Abteile, flüchtige Besucher so wie sie selbst. Meist abgehetzte Gesichter, dazwischen einige resignierte Mienen, aber gelegentlich sah man auch den einen oder anderen entspannten Zug. Eine Frau beugte sich über einen Kinderwagen und wedelte verzweifelt mit einer Rassel, da das Baby nicht aufhörte, zu weinen.
„Kutschi, kutschi, kutschi“, alberte sie ein kindisches Mantra.
Über Soo-Jungs Miene huschte ein Schmunzeln, das, wie Haekwon vermutete, mehr Verachtung als Belustigung äußern sollte. Wie ein Großstadtäffchen hielt sich der Kahlkopf am Kunststoffriemen fest, seine Beine in lockerer Stellung.
„Lass doch das Kind in Frieden!“, rief er der jungen Mutter zu. „Es will die scheiß Rassel nicht.“
Giftig blickte die Frau auf.
„Und du, kümmer dich um deinen eigenen Kram.“
Soo-Jungs Augen erhaschten gierig einen Blick auf den wohlgeformten Hintern der Dame, der in einem langen Rock mit Blumenmuster