Peter Urban

Adler und Leopard Gesamtausgabe


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der Herzog von York, hatte sich seit seiner Rückkehr aus Indien noch nicht die Mühe gemacht, den General zu treffen.

      Kapitel 3 Der Weser-Ems Feldzug

      Arthur hatte kaum die Zeit gefunden, einen klaren Gedanken zu fassen. Zwei Wochen waren mit den Vorbereitungen für die Expedition nach Hamburg wie im Flug vergangen. Er hatte sich seine Brigade angesehen, war acht Tage nicht in London gewesen und hatte nebenbei noch einen Operationsplan zu Papier gebracht, um den Schein einer militärischen Absicht gegenüber der Besatzungstruppe von Marschall Bernadotte aufrechtzuerhalten. Das Kriegsministerium gab sich viel Mühe, diese Aktivitäten nicht geheim zu halten, um so eindeutige Signale an die Verbündeten Englands zu senden. Arthur machte gute Miene zum bösen Spiel. Er hatte seinen Offizieren natürlich strengstens verboten Details über die Expedition auszuplaudern, wohl wissend, dass dies der einfachste Weg war, die gesamte Presse des Königreiches innerhalb kürzester Zeit zu informieren. Und die Presse berichtete eifrig. Am 1.Dezember sollte seine Brigade von Plymouth nach Hamburg übersetzen. Nur achtundvierzig Stunden vor dem Auslaufen der Transportschiffe war Arthurs alter Sergeant John Dunn überraschend in Richmond Palace aufgetaucht. Die Presse hatte so fleißig über die Vorbereitungen für die Operation im Hannoverschen berichtet, dass John seine friedliche Rente auf Wellesleys kleinem Gut Kildare in Irland nicht mehr ausgehalten hatte. Er wollte seinen General unbedingt begleiten.

      Auch der Herzog von Richmond und Arthurs Bruder William Wellesley-Pole waren aus Dublin nach London zurückgekehrt. Arthur freute sich, William wiederzusehen. Trotzdem zog er es vor dessen Einladung abzulehnen und weiterhin bei den Richmonds zu wohnen. William Wellesley-Pole war der jüngste der fünf Wellesley-Brüder und derjenige, der Arthur immer am Nächsten gestanden hatte. Er hatte dank glücklicher Umstände von einem entfernten Verwandten der Familie, der keine eigenen Kinder hatte, Titel und Vermögen geerbt. Beim Tode des alten Lord Mornington war William kaum drei Jahre alt gewesen. Seine Mutter hatte an diesem jüngsten Kind noch weniger Interesse gehabt, als an Arthur. Es war ihr nicht schwer gefallen, die unerwünschte Last nach England abzuschieben und sie einem Cousin anzuvertrauen, den sie kaum kannte. Nur Arthur hatte den Kontakt zum Nesthäkchen nie abreißen lassen. Sogar während seiner langen Jahre in Indien hatten sie einander geschrieben. William hatte nach dem Abschluss seines Studiums an der Universität von Oxford die diplomatische Laufbahn eingeschlagen: "Darf ich raten, warum Du nicht umziehen willst, Arthur?", strahlte er seinen älteren Bruder an, "Ich vermute, der Grund ist groß, schlank und braunhaarig und sitzt gerade am Flügel. Nur voran! Sarah ist genau die Richtige für Dich. Sie ist das unkomplizierteste weibliche Wesen, das ich je kennengelernt habe. Außer meiner Frau Kathy natürlich. Ich glaube, Richmond wäre durchaus geneigt, Dir die Hand seiner Tochter zu gewähren. Hast Du Sarah eigentlich schon gefragt?" Arthur schüttelte den Kopf: "Ich muss ehrlich zugeben, William; mir fehlt der Mut. Sie hat Temperament und ihren eigenen Kopf und ich habe einen Heidenrespekt vor ihr. Außerdem erzählt mir jeder, der mir über den Weg läuft, wie sie die letzten Herren, die es gewagt haben, ihr diese Frage zu stellen aus dem Haus gejagt hat."

      "Hat man Dir auch gesagt, wer diese Herren waren?" Arthur schüttelte den Kopf. "Also, großer Bruder, ich an Deiner Stelle, würde mein Glück einfach versuchen und mich nicht von diesen wilden Gerüchten abschrecken lassen." William umarmte ihn herzlich und verabschiedete sich. Arthur blieb alleine auf der Terrasse zurück und beobachtete durch das Fenster Sarah, die am Flügel saß und spielte, während die Sonne in der Themse versank und die Dunkelheit London einzuhüllen begann. Das Licht der Kerzen ließ ihr Haar, wie Kupfer leuchten. Ihre Finger glitten leicht über die Tastatur und leise klang ein Mozart-Menuett zu ihm hinaus. Sonst war es in dem großen Haus still. Die Richmonds waren mit William Wellesley-Pole zu irgendeinem Diner bei irgendwelchen gemeinsamen Bekannten verschwunden, die jüngeren Kinder hatte man schon lange schlafen gelegt und die Dienstboten und sein alter John waren in ihren eigenen Räumen, im Ostflügel des Hauses. Am nächsten Tag musste er nach Plymouth reiten und seine Truppen einschiffen. Er spürte, dass es ihm schwerfallen würde, die Richmonds zu verlassen. Sie waren alle so herzlich und er wurde bemuttert und verhätschelt, wie ein kleines Kind. Nach den langen, einsamen Jahren in Indien und der noch längeren Vernachlässigung durch seine eigene Familie, tat die menschliche Wärme, die in diesem Haus herrschte seiner Seele gut. Er bedauerte, dass seine eigene Mutter nie fähig gewesen war, ihm auch nur einen kleinen Teil der Zuneigung zu schenken, die er von Georgiana, der Gemahlin des Herzogs erfuhr. Sie behandelte ihn, wie einen eigenen Sohn. Für seine eigene Mutter Lady Mornington war er dagegen immer nur nutzloser, dummer Ballast gewesen. Als sie ihn nach Frankreich fortgeschickt hatte, hatte sie ihm zum Abschied lediglich gesagt, wie froh sie war ihn endlich loszuwerden. Er wäre sowieso nur Kanonenfutter, gerade gut genug, um sich für den König am anderen Ende der Welt totschießen zu lassen. Seine Mutter war immer viel zu sehr mit seinem extrovertierten Bruder Richard befasst gewesen, ihrem Liebling, dem großartigen und brillanten Richard! Arthur vermutete, dass er selbst sie zu sehr an seinen Vater erinnert haben musste: Garett Wesley, den Musikprofessor. Ihre anderen überlebenden Kinder Gerald, Henry und William waren Lady Mornington lediglich gleichgültig gewesen. Ihn dagegen hatte sie geradezu hingebungsvoll gehasst. Sie hatte ihn nach allen Regeln der Kunst tyrannisiert. Sie hatte auch seinen ältesten Bruder Richard nie gebremst, wenn dieser ihn geschlagen hatte. Er war immer und in jeder Beziehung zurückgestellt worden, hatte die schlechtesten Lehrer, die schlechteste Schulbildung bekommen. Sogar am Kindermädchen hatten sie bei ihm gespart. Draußen in Dungan hatte ihn die Köchin gehütet, zusammen mit ihrem eigenen Sohn. Arthur hatte seine Mutter zum letzten Mal gesehen, als er Dungan Castle verlassen hatte, um an die Militärakademie nach Angers zu gehen. An diesem Tag hatte er sich geschworen, niemals wieder, aus eigener Initiative einen Fuß in ihr Haus zu setzen.

      Sarah unterbrach ihr Spiel, als Arthur den Salon betrat und sich neben sie auf die Bank setzte: "Ich muss morgen nach Plymouth!", sagte er. "Papa hat mir erzählt, dass Du den Auftrag hast, den alten Lord Cathcart davon abzuhalten, Dummheiten zu machen. Glaubst Du, ihr werdet Euch mit diesem Marschall Bernadotte schlagen müssen?“ Arthur schüttelte den Kopf: “Ich glaube nicht. Unser Expeditionskorps ist lediglich eine politische Farce, um den Kaiser von Österreich und den russischen Zaren bei Laune zu halten. Was könnten wir schon mit unseren sechstausenden Männern gegen Bernadotte ausrichten? Die Hannover-Armee besteht aus zwei vollständige Armeekorps und dreitausend Mann Kavallerie. Mein Bauchgefühl sagt mir außerdem, dass der Fuchs schon ganz weit weg sein wird, wenn wir endlich zur Jagd blasen können."

      "Also muss ich mir keine Sorgen um Dich machen?" Arthur schüttelte den Kopf. Dann nahm er Sarahs Hand in die Seine. Er sah sie lange an. Er wollte sie fragen, ob sie seine Frau werden wollte, bevor er mit seinen Truppen wieder ins Feld zog. In den fast drei Monaten seit seiner Rückkehr aus Indien hatten sie viel Zeit miteinander verbracht. Alle Versuche der Herzogin von Richmond, ihm junge Damen aus der Gesellschaft vorzustellen, hatten unweigerlich damit geendet, dass er zusammen mit Sarah auf die Tanzfläche verschwand. Und wenn Sarah nicht mitkam, weil sie Dienst in ihrem Hospital hatte, steckte er mit Henry Paget, Frederick Ponsonby oder Charles Stewart die Köpfe zusammen und überlies die unverheirateten jungen Damen mit Freuden sämtlichen anderen unverheirateten Männern Londons.

      "Du willst mir noch etwas sagen?" Sie legte den Kopf schief und sah ihn an.

      "Ich möchte Dich fragen, ob Du nicht meine F...“ Sarah legte ihm einen schmalen Finger sanft auf die Lippen: " Bitte, sprich nicht weiter. Ich kann nicht, Arthur. Ich möchte meine Freiheit nicht verlieren. Du kennst die Gesetze Englands. Wenn ich dich jetzt ausreden lasse, dann werde ich in der Zukunft weder über mein Leben, noch über mein Vermögen selbstständig weiterentscheiden können. Wenn Du mich fragen möchtest, was ich befürchte, dann würde ich Dir die Antwort geben, auf die Du hoffst. Doch niemand kann mich in einen Käfig sperren und ich möchte mein Leben nicht damit verschwenden, zu Hause zu sitzen, nur um die Mutter irgendwelcher Kinder zu sein. Ich bin Arzt und Wissenschaftler! Das ist mein Schicksal."

      "Darum geht es doch gar nicht, Sarah. Ich sperre niemanden ein und zwinge niemanden dazu, die Mutter meiner Kinder zu sein. Und falls es die Kinder sind, die Dich stören... dann werden wir eben dafür sorgen, dass uns ein solcher Ausrutscher nicht passiert. Ich brauche keine Erben gibt, nur Dich!" Sarah stand auf. Sie schlang ihre Arme um Wellesleys Schultern und