Peter Urban

Adler und Leopard Gesamtausgabe


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hatte er ihr von seinen Gefühlen für sie erzählt und von den Träumen einer gemeinsamen Zukunft…

      Sergeant Dunn war geschäftig dabei, die Dokumententruhen zu packen und alles für die bevorstehende Abreise nach England vorzubereiten. Er kannte seinen General schon so lange, dass er, ohne sich umzudrehen wusste, was Arthur gerade tat:" Mein Junge, Sie sollten sich das alles nicht so zu Herzen nehmen! Wissen Sie, ich verstehe Lady Lennox! Sie ist gebildet und hat sehr lange studiert. Sie ist eine beeindruckende Frau. Sie hat einfach Angst davor, alles zu verlieren, was ihr im Leben wichtig ist. Sie sieht doch jeden Tag, wie Ehen in Ihren Kreisen aussehen. Da wird oft geheiratet, nur um Grund und Boden zu vergrößern, oder um der Politik Willen und dann sind alle Betroffenen kreuzunglücklich. Doch eine Scheidung kommt natürlich nicht infrage, denn das würde ja den Ruf der Familie schädigen. Und so zwingt man dann Menschen zusammenzuleben und den Schein zu wahren, obwohl sie miteinander schrecklich unglücklich sind."

      " Was Sie sagen ist natürlich richtig, John aber ich verwandle mich doch nicht gleich in ein Ungeheuer, nur weil ich heirate! Grund, Boden oder Politik interessieren mich nicht, genügend Geld um eine Familie anständig durchzubringen habe ich inzwischen selber und der Herzog von Richmond hat ein solch miserables Verhältnis zu unserem Oberkommandierenden, dass es mir als Offizier eher schaden, als nützen würde, wenn ich seine Tochter heirate! Also kann Sarah mir wirklich keinen einzigen Hintergedanken unterstellen!"

      "Und woher soll Lady Sarah das wissen, Sir Arthur? Aus eigenem Antrieb machen Sie den Mund doch nie auf! Ich kenne Sie jetzt schon seit fast zwanzig Jahren. Ich habe die ganze Zeit über unter Ihnen gedient und Sie tagtäglich erlebt. Deswegen durchschaue ich Sie inzwischen, obwohl Sie verschlossen sind, wie eine Auster. Sie haben sich sehr verändert haben. Wenn ich mich an den jungen Major zurück erinnere und heute den General vor mir sehe, kommen sogar mir manchmal Bedenken. Vielleicht hat Lady Sarah ja ähnliche Vorbehalte. Sir, mit Verlaub gesagt, Sie machen den meisten Leuten Angst."

      Arthur seufzte leise. Er wusste, dass der alte John Recht hatte. Sein Sergeant war der Einzige, der es wagte ihm offen und unverblümt ins Gesicht zu sagen, was er dachte. "Mein Junge“, fuhr John Dunn fort, “Sie sollten mit sich selbst nicht so streng sein und auch andere Menschen nicht ständig überfordern. Die jungen Herren Ihres Stabes zittern vor Ihnen, die Soldaten zittern vor Ihnen. Sie können so doch nicht weitermachen." Arthur nickte: "John, Sie haben wie immer Recht, aber leider gibt es in unserer Armee nicht nur brave und anständige Männer, wie Sie oder Zahlmeister Seward. Die meisten verstecken sich in der roten Uniform vor Unannehmlichkeiten mit der Justiz! Wenn diesen Spitzbuben nicht strengste Disziplin aufgezwungen wird, verwandelt sie sich innerhalb von fünf Minuten in einen unkontrollierbaren Haufen von Marodeuren. Erinnern Sie sich noch an die beiden Tage nach dem Sturm von Seringapatam? Und die jungen Herren Offiziere verstehen so wenig von ihrem Handwerk ..." Arthur seufzte. Er hoffte, dass die militärische Reform, die der Herzogs von York anstrebte, die Qualität der Landstreitkräfte verbessern würde. Sie brauchten ordentliche Offiziersschulen und Ausbildungslager für die einfachen Soldaten. Den Posten eines Oberkommandierenden der Streitkräfte hatte man erst vor wenigen Jahren eigens für den jüngeren Sohn des Königs geschaffen. Obwohl der fette Freddie sich als Kommandeur auf dem Schlachtfeld weder durch sein militärisches Genie, noch durch Kühnheit ausgezeichnet hatte, so war er doch ein begabter Verwalter. Aber seine Aufgabe war eine Schwierige. Neben all den Neuerungen existierten auch noch alle traditionellen Institutionen des britischen Militärwesens weiter. Dies führte häufig zu Kompetenzstreitereien. Das Staatsministerium für den Krieg, das Staatssekretariat für den Krieg, der Großmeister der Artillerie im Range eines Kabinettsmitgliedes, die Regionalverwaltungen der Home Forces und der Yeomanry und ein ganzes Sammelsurium anderer Behörden und Einrichtungen verfolgten scheinbar frei und völlig unabhängig von Frederick von York ihre eigenen Interessen. Weil die Militärreform ständig in der Parlamentsvorlage scheiterte, wurden die besten Kandidaten auch weiterhin von der Yeomanry aufgesaugt. Sie dienten nur auf englischem Boden, unweit ihrer Geburts-oder Wohnorte. Durch die fehlende Versorgung für die Soldatenfamilien und das ungelöste Problem der Pensionen für ausgediente Soldaten, ließen sich für die regulären Truppen meist nur verantwortungslose und verzweifelte Gesellen anwerben Ansonsten kamen die Rekruten aus den Gefängnissen, nachdem Richter sie vor die Wahl gestellt hatten, des Königs Schilling anzunehmen, oder ans andere Ende der Welt deportiert zu werden. Und Englands Offiziere rekrutierten sich hauptsächlich aus den Söhnen der Grundbesitzer und der großen Adelsfamilien. Sie konnten sich ihre Dienstränge in den von ihnen gewünschten Regimentern einfach kaufen, wenn sie genügend Geld für eine hübsche Uniform auf den Tisch legten. Es fehlte ihnen meist an einer gründlichen Ausbildung. Viele waren nicht daran interessiert, sich in Eigenregie die Grundlagen des Soldatenberufs anzueignen. Und fast alle Generäle waren irgendwann einmal aus Gefälligkeit von irgendwem befördert worden, meist einem guten Freund der Familie, der einen Freund hatte, der jemanden kannte der eine solche Beförderung arrangieren konnte. Männer wie Arthur selbst oder der Kavallerie-General Henry Paget, die auf dem europäischen Kontinent richtige Militärakademien besucht hatten und ihr Handwerk theoretisch und praktisch verstanden, waren eine verschwindend kleine Minderheit. Sie waren bei den Horse Guards wegen ihrer Jugend und ihrer unkonventionellen Art äußerst unbeliebt. Das verknöcherte Establishment der Salonsoldaten versuchte sie mit Sticheleien oder Intrigen aus der Armee zu vertreiben, nur um nicht tagtäglich durch ihre bloße Existenz an die eigenen Unzulänglichkeiten erinnert zu werden. Lediglich wenn England wirklich mit dem Rücken zur Wand stand, kam dieser neue Offizierstyp in der Hierarchie voran. Genauso, wie Paget ohne den Ägyptenfeldzug nie zum General befördert worden wäre, wäre Arthur ohne die massive Bedrohung der britischen Besitzungen in Indien durch die Marattha-Konföderation und ihre französischen Verbündeten immer noch ein frustrierter Oberst auf irgend einem verlorenen Außenposten in der Wildnis am anderen Ende der Welt.

      Trotzdem verfügte England, in dem Augenblick in dem Wellesley Hamburg verließen, über ein stehendes Heer rund einhunderttausend Mann. Dazu kamen noch einmal einhundertsechzigtausend Mann der Miliz, Home Forces und Yeomanry. Allerdings ließ sich diese Menschenansammlung in Uniform nicht mit der französischen Armee vergleichen. Castlereaghs Nachricht mit den Informationen über die Schlacht von Austerlitz hatten Arthur zusammen mit seinen eigene Beobachtungen, während ihrer Zeit in Hamburg schließlich davon überzeugten, dass es vielleicht doch eine gute Idee war , wenn ein paar Berufssoldaten im Unterhaus saßen. Er beschloss, das Angebot der konservativen Partei anzunehmen und sich als Kandidat für einen Sitz im Unterhaus zur Wahl zu stellen. Vielleicht sollte er seinem Freund Henry Paget ins Gewissen reden. Wenn sie beide im Unterhaus saßen, dann konnten sie wenigstens ab und an zu militärischen Fragen am gleichen Strick ziehen. Natürlich würde er sich von den Konservativen nicht unter Druck setzen lassen: Er war in erster Linie Soldat und hatte vor es auch zu bleiben! Er hatte keine Probleme damit seinem Land treu zu dienen, egal ob die Konservativen oder die Liberalen gerade an der Macht waren. Er würde sich keinesfalls auf irgendwelche miesen, kleinen Ränkespiele einlassen, nur um mit Hilfe einer Partei auf der militärischen Karriereleiter nach oben zu fallen. Diese Unsitte, politisch bequeme Gesellen in der Hierarchie aufsteigen zu lassen, auch wenn sie weder den notwendigen Sachverstand, noch ausreichende militärische Qualifikationen hatten, missfiel ihm schon seit Jahren.

      Kapitel 4 Schmutzige Machenschaften

      Rowland Hill hatte seinen Marschbefehl zurück nach England zur gleichen Zeit erhalten, wie Arthur. Im Verlauf der drei gemeinsam in Hamburg verbrachten Monate hatten die beiden Männer sich angefreundet und sich auch auf beruflicher Ebene zu schätzen gelernt. Arthur hatte Hill angeboten, gemeinsam nach London zu reisen und im Hause seines Bruders William zu wohnen, während sie auf ihr nächstes Kommando warten mussten. Hill hatte die Einladung erfreut angenommen. Nach der trüben, deprimierenden Zeit auf dem Kontinent, mit nicht enden wollendem Regen, Nebel und beißender Kälte und grauem Himmel, stand ihm der Sinn nach Vergnügen und Trubel in der Hauptstadt, nicht nach dem beschaulichen Leben, dass er auf dem Landsitz seines Vaters tief in der englischen Provinz führte. Die Überfahrt verlief ruhig. Der Wettergott spielte Wellesleys Brigade keine bösen Streiche mehr und Männer und Pferde kamen gesund nachhause. Doch anstatt im Hafen von Sheerness zusammen mit Rowland Hill eine Postkutsche zu besteigen, erwarteten sie Arthurs jüngster Bruder, William Wellesley-Pole,