Peter Axel Knipp

Ein schrecklicher Volkslauf Spo(r)ttbericht


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      Peter Axel Knipp

      Ein schrecklicher Volkslauf Spo(r)ttbericht

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       Am Vorabend

       Morgengrauen

       Der Vormittag

       HIGH - NOON

       Der Nachmittag

       Götterdämmerung

       Mitternacht

       Übersichtsskizze / Lageplan

       Impressum neobooks

      Am Vorabend

      Aus hinlänglicher Distanz betrachtet, sind alle Sportarten absurd.

      Insbesondere jene, in denen tausende von Teilnehmern sich gleichzeitig messen.

      Am Vorabend

      ***

      Morgengrauen

      ***

      Der Vormittag

      ***

      High-noon

      ***

      Der Nachmittag

      ***

      Götterdämmerung

      ***

      Mitternacht

      

       Am Vorabend

       1

      Hilmar X. Bronner

      In diesen Zeiten waren Bekanntgaben von Massenentlassungen, schlicht Stellenabbau genannt, keine Hiobsbotschaften. Sie gehörten zum Alltag wie der Wetterbericht. Entsprechend nüchtern war denn auch das Kommuniqué des Multikonzerns SSL, Strasse, Schiene, Luftfahrt, abgefasst. Der Vorstand hatte auf den bekannten Wortlaut zurückgegriffen. Nur über die Zahl war länger diskutiert worden. Sollte man zugeben, dass es diesmal fast fünfzehntausend sein würden, im eigenen Land? Durfte man die Verlagerung des T-Bereichs nach Fernost dagegen aufrechnen? Da waren Arbeitsplätze entstanden, weltweit. Der Vorsitzende des Betriebsrats war der Ansicht gewesen...

      Hilmar X. Bronner hatte ein paar Mal ungeduldig auf die Uhr geschaut. Nach sechs konnte man in St. Montis nicht mehr landen. „Dreizehntausend“, hatte er gesagt und das Gezänk um die Köpfe beendet. „Wir bleiben bei den ursprünglichen dreizehntausend“.

      „Eine Unglückszahl“, hatte jemand gemeint.

      „Es IST eine Unglückszahl „, hatte Hilmar X. Bronner gesagt und die Sitzung für geschlossen erklärt. Mit einem kurzen Gruss hatte er den Konferenzraum als erster verlassen.

      „Der Helikopter wartet bereits“, hatte die Lotze ihn in seinem Büro empfangen. „Und Herr Kuster hat aus St. Montis angerufen. Es ist alles bestens dort.“

      Kuster, sein Chauffeur, und die Lotze, seit siebzehn Jahren seine Sekretärin, waren die einzigen, auf die er sich blindlings verlassen konnte. Sie allein wussten, wo er während der nächsten achtundvierzig Stunden sein würde. Selbst Sybille, seine Frau, die zu Frühjahrs-

      Einkäufen nach Rom geflogen war, wähnte ihn woanders.

      „Ich drücke Ihnen die Daumen, dass es diesmal klappt“, hatte die Lotze noch gesagt.

      Für jeden Platz unter tausend bekommen Sie eine Rose von mir“, hatte er gescherzt.

      „Da kann ich nur hoffen, dass Sie fünfhundertster werden“, hatte sie gelächelt.

      Sie wussten beide, wie illusorisch das war.

      Er hatte darauf verzichtet, irgendwelche Unterlagen mitzunehmen. Schon während des Fluges galt es, sich mental auf die nächsten beiden Tage vorzubereiten, die ihn nicht als Vorstandsvorsitzenden der SSL fordern würden, sondern als Startnummer eintausenddreihundertsiebzig des Vier-Seen-Laufs und als Liebhaber von Olivia Pellier.

      Die Lotze hatte ihn bis auf das Dach des Nebenbaus begleitet. Für den Fall, dass ihm in letzter Minute noch etwas einfiel. Doch er hatte die Hülle des Managers bereits verlassen und nur „bis Montag“ zu ihr gesagt.

      Jetzt schwebte er endlich in der Luft. Der monströse Verwaltungskomplex unter ihm nahm überschaubare Ausmasse an. Bronners Vorgänger, der sich im Aufsichtsrat erholte, hatte das Unternehmen an den Rand des Abgrunds manövriert. Nur mit der Einführung des Heli-Service zum Flughafen hatte er Weitsicht bewiesen. Die Anfahrt auf der Strasse dauerte inzwischen länger als die meisten Inlandflüge.

      Der Hubschrauber brauchte nur wenige Minuten. Besorgt wie sie war, hatte die Lotze seinen Sicherheitsbeamten mit in die Maschine beordert. Was konnte der schon tun, wenn sie abgeschossen wurden? Und nach St.Montis würde er den Mann sowieso nicht mitnehmen.

      Da hatte er Kuster.

      Morddrohungen aller Art gegen Hilmar X. Bronner waren in letzter Zeit wieder häufiger geworden. Besonders seit ihm die Strasse den Titel „Jobkiller des Jahres“ verliehen hatte. Aber die eigentliche Gefahr ging nicht von der Strasse aus, sondern von RAF’s, AIZ’s und ähnlichen, die sich erst meldeten, wenn man bereits tot war.

      Der Helikopter landete in unmittelbarer Nähe des Firmenjets, der in der Schweiz immatrikuliert war. Der Sicherheitsbeamte begleitete ihn bis an das Flugzeug. Bronner begrüsste die beiden Piloten, verschwiegene, zuverlässige Eidgenossen, mit Handschlag. Erst als er sich in der kleinen, schnittigen Maschine in einen der Ledersessel fallen lies, fühlte er sich wohl. Der Flug war nach Mailand angemeldet. St.Montis würden sie plötzlich, unplanmässig ansteuern. Sie mussten eine halbe Stunde auf die Starterlaubnis warten. Am späten Freitagnachmittag waren Flughafen und Luftraum chronisch überlastet.

      Er schaute aus dem Fenster, als sie abhoben und in einem Bogen über die Stadt auf Südkurs gingen. Die Staus auf den Autobahnen verloren sich in der Ferne. Da unten, dachte er, besonders in den tristen Wohnsilos an den Stadträndern werden tausende meiner Mitarbeiter dieses Wochenende in quälender Ungewissheit verbringen. Das Kommuniqué würde zwar erst am Montag veröffentlicht werden, aber die Angst hatte sich längst in ihren Wohnungen eingenistet. Gerüchte vergifteten seit Monaten ihr Leben. Er nahm es ihnen nicht übel, dass sie ihn Jobkiller nannten und „bei Hilmar X. geht nix“ skandierten. Er bedauerte nur, dass er zum falschen Zeitpunkt König der SSL geworden war. Mit Ludwig dem Sechzehnten hatte das Volk auch nicht dem Richtigen den Kopf abgehackt. Der war auch nur die letzte Figur in einer unseligen Entwicklung gewesen, für die er kaum etwas konnte. Übrigens waren die Zusammenhänge heute wesentlich komplexer als vor zweihundert Jahren. Das Abhacken von Köpfen brachte nichts mehr. Revolutionäre Verbesserungen dadurch waren kaum zu erwarten. Nach nur fünfzig