Hermine Stampa-Rabe

Auf zum Nullarbor


Скачать книгу

beaufsichtigte Brände legt.

      Während des Fluges über Australien sehe ich unter mir den Murray River, an dem ich bis Albury radeln möchte.

      WEST AUSTRALIEN

      In Sydney ereilt mich der erste Schock: Mein Fahrrad ist nicht mitgekommen. Ich vermute, dass das an dem für Quantas zu großen Fahrradkarton liegt. Hier soll ich eigentlich das Fahrrad für den Weiterflug nach Perth einchecken. Wegen dieses Problems erreiche ich nicht mein gebuchtes Flugzeug nach Perth. Darüber machen sich die Angestellten hier keine Gedanken. Dann soll ich eben mit der nächsten Maschine fliegen.

      Mit meinem Seesack voller Fahrradpacktaschen trete ich in die Hitze der gleißenden Sonne vor dem Flughafen in Perth. Ein hilfsbereiter junger Mann zeigt mir, wo und mit welchem Bus ich in die Innenstadt fahren kann. Er fährt aber nicht direkt zur Jugendherberge. Für das letzte Stück soll ich mir ein Taxi nehmen. Er sitzt auch mit im Bus und steigt mir zuliebe mit aus, hilft mir, meinen Seesack herauszubekommen und winkt ein Taxi heran. Dankbar verabschiede ich mich von ihm.

      Von Deutschland aus habe ich mir in der Herberge, die direkt im Stadtzentrum an der Wellington Street liegt, ein Bett gebucht. An der Rezeption erzähle ich, dass morgen mein eingepacktes Fahrrad nachgeliefert wird. Ja, sie werden mich dann benachrichtigen. In einem Mädchenzimmer ist für mich ein unteres Bett reserviert. Sehr zuvorkommend! Danke.

      Am nächsten Tag kaufe ich bei Woolworth Nahrungsmittel für die Tour ein: 2-Minuten-Nudeln, 5 Brötchen, ein dickes Stück Käse, Haferflocken, eine kleine Flasche Öl und eine Nussmischung. Das Käsestück ist sehr schwer, brauche ich aber für mittags auf der Strecke.

      Mir fällt gerade das ein, was mir ein hilfsbereiter Student vor dem Flughafen ans Herz legte: Wenn ich eine SIM-Karte hier in Perth kaufe, dann gilt sie nur für Perth und Umgebung, nicht für die anderen Gebiete. Ich darf, so sagte er mir eindringlich, erst in Albany eine kaufen. Na, mit diesem Wissen betrete ich ein Telefon-Geschäft. Der junge Mann ist sehr erstaunt, dass ich mich mit der SIM-Karte für mein Handy hier auskenne. Er spricht etwas Deutsch, weil seine Mutter und Großmutter aus Deutschland stammen. Er hat mit mir Mitleid und schickt mich zu einem Konkurrenz-Unternehmen: Telstra. Dort werde ich eine SIM Karte für ganz Australien erhalten.

      Na, mit einem gemischten Gefühl frage ich mich zu dem Geschäft durch. Dort wird mir versichert, dass die SIM-Karte, die nur mit Geld aufgeladen werden soll, für ganz Australien gilt. So lasse ich sie mir in mein Handy stecken. Mit meinem kleinen Notebook soll ich am nächsten Tag kommen. Es sei wichtig, dass er es sieht, um mir zum richtigen WIFI zu raten.

      Ganz vergnügt, dass ich das alles so gut hinbekam, gehe ich zurück zur Herberge. Hinterher fische ich mir auf dem Zimmer aus dem Seesack meine vollen Packtaschen heraus. Mit den elektrischen Geräten Laptop, Fotoapparaten, Kabelzubehör und der kleinen Festplatte sind sie sehr schwer und mit meinen gekauften Nahrungsmitteln noch mehr. Dazu kommt dann noch das viele Wasser. Ich würde am liebsten so Einiges nach Hause schicken, um mein Rad zu erleichtern, falls es noch kommt. Aber was? Garderobe habe ich nur wenig hier. Vielleicht etwas von den Waschutensilien? Wenn ich ganz jung wäre, brauchte ich nur eine Zahnbürste, Zahnpasta, Seife und eine Nagelschere. Ich bin leider nicht mehr jung. Deshalb befinden sich Sachen gegen eventuell auftretende Missempfindungen dabei. Wovon soll oder kann ich mich trennen?

      Nach dem Abendessen möchte ich in meinem Zimmer mit meinem Mann Klaus-Otto und meiner Tochter Gudrun telefonieren. Also hole ich mein Handy ganz selbstbewusst hervor und wähle zuerst Klaus-Ottos Telefonnummer. Aber Pustekuchen! Es funktioniert nicht! So versuche ich es noch einmal, aber das Übel liegt nicht daran, dass ich mich verwählt habe. Aber woran denn?

      So wähle ich Gudruns Nummer. Aber dasselbe Problem taucht auf. Nun habe ich den Mann im Telstra-Geschäft im Verdacht, mir doch eine verkehrte SIM-Karte verkauft zu haben. Ganz enttäuscht packe ich alles weg und lege mich schlafen. Die drei Mädchen aus diesem Zimmer gehen aufgestylt und in Erwartung guter Dinge weg.

      In der Nacht wache ich auf und kann nicht gleich wieder einschlafen. Die Zeitumstellung! Erst um 11.20 Uhr wache ich wieder auf. Mir fällt mein Handy-Problem ein. Nach dem Frühstück suche ich das Telstra-Geschäft und möchte mich bei dem Verkäufer von gestern beschweren. Er hat aber Kundschaft und bittet mich, mich seinem Kollegen anzuvertrauen. Ihm erzähle ich meine tragischen Telefonversuche. Aber er beruhigt mich und bittet mich, die Telefonnummern aufzuschreiben, die ich erfolglos wählte. Ja, tue ich. Da löst sich das Problem: Von Australien aus wählt man zuerst 0011, dann die Länderkennzahl ohne die beiden Nullen davor, danach die Ortskennzahl ohne die erste Null und anschließend den Telefonanschluss. Gleich probiere ich es dort aus. Und siehe da: es funktioniert!

      Ganz erleichtert und wieder Vertrauen zu diesem Geschäft gefasst, hole ich mein kleines Notebook hervor, um mir ein WIFI für Australien zu kaufen. Da ich mich hier – hoffentlich – acht Monate aufhalten werde, brauche ich eins, das ein ganzes Jahr funktioniert und kaufe es.

      Mit diesen gelösten Problemen gehe ich zu Woolworth. Hier bezahlt jeder an einem Automaten. Das lasse ich mir von einem Angestellten erklären. Alle Geschäfte sind bis einschließlich sonnabends bis 17.00 Uhr und sonntags von 11.00 – 17.00 Uhr geöffnet, weil in Perth so sehr viele Menschen leben. Diese Öffnungszeiten gibt es erst seit kurzer Zeit. Zu einer Stadtbesichtigung habe ich bei dieser Hitze keine Lust, sehe aber, dass Perth von einem Bergkranz umgeben ist. Zur Küste hin ist es platt. Hinter dieser sehr guten Herberge führt die Eisenbahn vertieft im Erdreich in seiner Spur entlang.

      Mein Rad sollte mit dem nächsten Flieger nachgebracht werden. Es ist schon 17.05 Uhr australischer Zeit. Normalerweise hätte es schon hier sein müssen. Ist es aber nicht. Was soll ich bloß ohne mein Rad machen? Das ist eine ganz große Katastrophe!!!!

      Mir fällt gerade ein drolliger Ausspruch ein: Auf dem Flughafen in Singapur hörte ich dieses: „Meine Geldbörse ist aus Zwiebelleder. Schaue ich hinein, tränen mir die Augen.“ Passt auch ausgezeichnet für mich.

      Um 18.00 Uhr ist mein Rad noch immer nicht hier. Es ist schon dunkel, als ich draußen vor der Herberge mehrmals vergeblich versuche, beim Airport in Sydney anzufragen, ob mein Fahrrad schon gekommen ist. So schlendere ich los, um an den Swan River zu gelangen und bei Nacht die beleuchteten Wolkenkratzer zu fotografieren. Der Weg ist kurz. Hier hängt und strahlt noch immer Anfang Januar - und wird es noch längere Zeit tun – die sehr hübsche Weihnachtsdekoration.

      Ich staune über den hohen, schmalen Glockenturm mit dem hoch oben in der Spitze befindlichen in oft wechselnder Farbe strahlenden Stern. Als ich davor stehe. stelle ich fest, dass sich in diesem Turm Hochzeitspaare trauen lassen können. Dieser Turm steht in der Nähe des Swan Rivers im hübschen Park. Gleich dahinter erreiche ich das Ufer des breiten Flusses mit seinen Schiffsanlegern. Es riecht heimatlich nach Wasser, Teer und Öl, wie es sich für einen Hafen gehört. Wenige Menschen sind zu sehen. Ein kleines Schiffchen tuckert langsam über den Fluß. Auf dem weit entfernten Ufer leuchten kleine Wolkenkratzer zwischen anderen erleuchteten Gebäuden. Eine wunderbare Stille umgibt mich. Neben dem Hafenanleger befinden sich große Gaststätten, in denen Menschen an Tischen sitzen.

      Ich drehe mich um und sehe nun zwischen Palmen und anderen großen Bäumen die beleuchteten Wolkenkratzer von Perth vor mir. Mir gefällt die Stille der Natur. Am Swan River führt ein Fußweg direkt an der Uferböschung entlang. Die Fahrradfahrer radeln ungefähr 5 m entfernt auf ihrem eigenen Fahrradweg entlang. Weiter weg führt der große Highway entlang, der nun in dieser Nachtstunde fast unberührt daliegt.

      So wandere ich, kaum andere Menschen treffend, träumend die Uferpromenade entlang und freue mich meines Lebens. Einige Nachtaufnahmen fertige ich an. Sie werden später wohl wie Suchbilder aussehen. Macht nichts. Schäfchenwolken ziehen auf. Es wird vielleicht morgen Regen geben. So drehe ich um, wandere wieder zurück zur Herberge und lege mich schlafen. Spät kommt noch ein junges Mädchen aus der Schweiz in unser Zimmer, das sehr leise spricht, leider für mich zu leise. Aber endlich kann ich Deutsch sprechen.

      Mitternacht ist vorbei. Mir geht das Problem mit meinem Fahrrad nicht aus dem