Hermine Stampa-Rabe

Auf zum Nullarbor


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seines Roadhouses und zeigt mir ganz stolz sein Recumbent-Fahrrad, ein Liegerad, an dem hinten noch die zwei Stangen mit den orangefarbenen Dreiecksfahnen stecken. Mit diesem Rad und einem Trailer dahinter, so erzählt er mir ganz stolz, sei er vor drei Jahren fast um ganz Australien geradelt. Ich bin baff und total von ihm und seinem Rad fasziniert! Aber er ist ein großer, starker, breitschultriger Mann mit sehr viel Kraft, eigentlich das Gegenteil von mir.

      Und dann warnt auch er mich ganz eindringlich, mit dem Wasser, das ich mit mir transportiere, nicht durch das Nullarbor zu fahren. Dazu brauche ich noch mindestens zwei Wassersäcke zu je 5 Litern, die ich mir in Esperance im Camping- und Angelgeschäft kaufen und auf mein Rad schnallen soll. Dass das aber für meine Verhältnisse unmöglich ist, erzähle ich ihm nicht, sondern sage, dass ich es machen werde.

      In Gedanken bin ich total verzweifelt. Warum soll mein Traum nicht wahr werden? Was für eine Hölle hat die Natur hier für die Fahrradfahrer eingebaut, die gen Osten radeln müssen, um ab Ceduna weiterradeln zu können?

      Um mich zu trösten, kaufe ich mir eine große Flasche Sprite und eine Avocado. Sinnend nach draußen guckend und überlegend, wie ich dieses Übel bestehen kann, denke ich, dass ich dann eben bis Norsemann radeln werde, um mir dort einen Truck-Fahrer zu suchen, der mich mit meinem Rad durch die Hölle Australiens mitnimmt. Ich schicke Gebete nach „oben“ zu meinem großen Freund. Vielleicht hilft er mir ja.

      Und während ich so durch die Scheiben nach draußen auf den Platz mit den dort tankenden Autos blicke, fährt dort doch tatsächlich ein großer, roter Road Train vor und hält an. Ach, denke ich, seine beiden Trailer sind sicher verplombt, so dass dort nichts weiter hineingestellt werden kann. Aber fragen will ich trotzdem.

      Ich also mit neuem Mut hinaus zu den Männern dieses großen Schreckgespenstes aller Fahrradfahrer und frage, ob sie mich mit meinem kleinen, bepackten Rad, das dort an der Wand steht, durch das Nullarbor mitnehmen können, um mich vor dem sicheren Tod durch Verdursten zu retten.

      Sie lächeln mich milde an, schauen mich von oben bis unten an und dann mein kleines bepacktes Rad. Aber niemand sagt etwas. Na, so schnell gebe ich nicht auf, bleibe an ihnen kleben und frage noch zweimal. Daraufhin werde ich angelächelt und mit dem Kopf ein „ja“ genickt!

      Nun bin ich gerettet und will gleich mein Rad hierher schieben. Nein, das soll man noch dort stehen bleiben; denn sie wollen hier noch duschen, tanken und frühstücken. Ich soll warten. Das tue ich gern und bitte, ihr Frühstück wenigstens als Dankeschön bezahlen zu dürfen. Nein, das darf ich nicht. Also bleibe ich neben ihrem Tisch sitzen und lasse sie nicht aus meinen Augen.

      Und dann ist es soweit. Alle gehen nach draußen. Dem einen Road Train-Fahrer wird gezeigt, wo auf der anderen Seite mein Rad hineingeschoben werden darf. Ich hole es also flott und bringe es mit seiner Hilfe samt meiner Packtaschen darin unter. Dieses Verließ befindet sich unter dem ersten großen Trailer. Dann darf ich mich im Führerhaus oben auf das obere Bett legen.

      Der zweite Road Train-Fahrer legt sich zum Schlafen auf das untere Bett und deckt sich mit einer dünnen, dunklen Decke total zu, damit ich von oben nach draußen gucken kann, er aber nicht durch das einfallende Licht belästigt wird. Auf dem Beifahrersitz fährt ein Passagier mit, dessen gefrorene Sardinen hinten in den Trailern transportiert werden. Er ist Fischer aus Perth.

      In der Umgebung von Esperance werden noch viele weitere Kisten gefrorener Sardinen dieses Fischers in den ersten Trailer geschoben, bis dieser ganz voll ist. Und weiter geht es zu noch einer Stelle, wo weitere große Kisten mit gefrorenen Sardinen in den zweiten Trailer geladen werden, bis auch dieser gefüllt ist. Dort erhalten wir noch etwas zu trinken und Kekse zu essen.

      Hier bleibt der interessante Fischer zurück und fährt mit seinem hier schon wartenden kleinen Truck zurück nach Perth. Auf diese Weise ist der Sitz neben dem Road Train-Fahrer für mich frei. Nun erst bietet sich mir die Möglichkeit, die Umgebung zu sehen. Vom oberen Bett aus war nur beidseitig der Schnauze des Motors die Straße oder der Sand zu sehen. Ein sagenhaft starkes Gefühl hier vorn! Bei Dunkelheit erreichen wir Norsemann, biegen nach Osten auf den Eyre Highway ab und rollen bei kühler Nachttemperatur von 20°C gen Osten durch die Nacht. Zuerst bin ich davon so fasziniert, dass ich unten auf dem Beifahrersitz sitzen bleibe und die Nachtfahrt geniesse, als säße ich gerade auf meinem kleinen Rennrad während eines Marathons. Es ist einfach großartig!

      Aber um 24.00 Uhr fange ich zu frösteln an und werde müde. So steige ich hoch auf das obere Bett und lege mich schlafen.

      SÜDAUSTRALIEN

      14.01.2013: Nullarbor – Ceduna (Road Train): 0 km

      Morgens wache ich von einem Pfiff auf und klettere hinunter. Ich blicke um mich. Wir stehen auf einem Halteplatz im platten und baumfreien Nullarbor (in der Taiga). Mir wird gesagt, dass ich mir eine Toilette suchen soll. Das bedeutet, mich hinter niedrige Büsche zu verkriechen. Wir befinden uns schon in Südostaustralien. Die Grenze passierten wir in der Nacht.

      Die beiden Road Train Fahrer befinden sich im mittleren Alter. Der erste ist verheiratet, der zweite nicht. Der zweite fährt in seiner Freizeit mit seinem großen Motorrad samt Trailer durch die Gegend, stellt dann dort sein Zelt auf und geniesst seine Freizeit. Er besitzt auch noch viele Schafe und Kühe. Die versorgen sich auf dem Feld allein. Um sie hin und wieder zu kontrollieren, fährt er nicht mit einem Quad, sondern reitet dabei auf seinem Pferd.

      Wir unterhalten uns über Kornanbau in Australien. Ich erzähle, dass bei uns die Bauern – hier Farmer – den Dung und die Gylle der Kühe im Frühjahr aufs Feld bringen, damit das Korn dann besser und schneller wächst. Da meint er, dass seine Kühe nicht im Stall stehen, sondern alle draußen frei herum laufen. Wenn sie noch klein sind, werden ihre Hörner abgeschnitten. Die Kühe werden nie gemolken. Die Kälber bleiben ein halbes Jahr bei der Mutterkuh und säugen die Milch aus dem Euter. Dann werden sie von ihr getrennt und mit ihresgleichen auf eine andere Weide getrieben. Die Kühe werden hier ganz allein für Steaks gezüchtet.

      Dieser Road Train-Fahrer will mal nach Schleswig-Holstein kommen und sich von mir die Stätten zeigen lassen, wo ich gelebt habe, zum Beispiel die Insel Amrum.

      Die Sonne scheint vom blauen Himmel. Es wird bestimmt wieder heiß werden. Wir fahren weiter. In Ceduna steige ich aus; denn erst dort ist das Nullarbor zu Ende. Und der Road Train muss betankt, gewaschen und mit Öl versorgt werden. Bei diesen zwei ganz edlen Männern bedanke ich mich.

      Der Caravan Park befindet sich in der Nähe. Noch ein weiteres Foto, ein Winken – dann verlasse ich dieses für mich gemütliche Übergangsheim. Es kommt mir so vor wie der Abschied eines ganzen Lebensabschnittes: vom Himmel wieder zurück auf den Boden der Tatsachen.

      Mein Zelt, das ich vorhin mit total müdem Kopf bei starkem Wüstensturm aufstellte, legt sich trotz der darin befindlichen schweren Packtaschen auf die Seite. Ich selbst sitze darin und bin damit beschäftigt, meine kleine Dose „Baked Beanes“ (gebackene Bohnen) auszulöffeln. Ich nichts wie flott aus dem Zelt, alle Zeltpflöcke rausgezogen und wundere mich, weshalb mein Zelt trotz der schweren Gegenstände darin sich nicht nur auf die Seite legt, sondern sich auch in eine andere Richtung dreht. Also muss ich es mit dem spitzen Hinterteil gegen den Sturm aufstellen. Also leere ich das Zelt. Aber gleichzeitig trete ich mit dem einen Fuß auf die Unterlage, damit diese nicht ganz wegfliegt; denn sie liegt ganz lose darunter.

      Während ich nun mit der linken Hand meine Packtaschen zur Seite schiebe, halte ich das Zelt mit der rechten Hand oben fest. Aber wie soll ich es außerdem noch mit einem Zeltpflock befestigen? Eine dritte Hand besitze ich nicht. Da kommt mir ein mich strahlend anlächelnder Mann entgegen, der mir seine Hilfe anbietet. Er gehört zu dem Caravan, der vor kurzem in einiger Entfernung von mir aufgestellt und campingtüchtig hergerichtet wurde. Er und seine Frau hatten mich gleich winkend und lächelnd begrüßt, als sie ankamen. Der freundliche Mann holt gleich seinen Hammer, um die Zeltpflöcke in die harte Erde klopfen zu können. Nun endlich steht es, wird aber noch immer etwas vom Sturm zur Seite gedrückt. Das muss halten. So