Peter J. Gnad

Bin in Afghanistan


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besaß zweifellos eine eigenständige Meinung und kannte seine Pappenheimer genau, er zeigte Rückgrat und Haltung, ein stolzer Afghane.

      Als der General dann das Angebot gemacht hatte, doch mit ihm nach Norden zu kommen, in eben jene Provinz, wo der Lapis Lazuli "wuchs", hatte Felsberg keine Sekunde gezögert und das Angebot sofort angenommen. Was hätte ihnen Besseres geschehen können, als unter Bewachung einer ganzen Gruppe von Mujaheddin, mit ihrem "General", nach Norden zu fahren. Und vielleicht konnte man ja tatsächlich irgendetwas mit diesen blauen Steinen machen… Irgendetwas, was ihn, zur Abwechslung, auch einmal etwas Geld verdienen ließ. Zumindest eine doppelte Motivation, der General hatte sicherlich auch seine Hintergedanken, hatte nicht zufällig von den Edelsteinen erzählt, er wollte irgendetwas von ihnen.

      Diese Szenen hatten sich vor zwei Wochen begeben, und man hatte nur einen kleinen Umweg eingeplant, nämlich zuerst noch einen Abstecher nach Bamyian zu machen, General Habibullah war gebürtiger Hazara, das war die Volksgruppe die in der Mitte Afghanistans lebte, direkte Nachkommen der mongolischen Horden unter Djinghis Khan, die das Land mehrfach und dauerhaft erobert hatten. Davor hatte schon Alexander der Große seine Spuren im Land hinterlassen und auch die Gene seiner griechischen Soldaten, sowie nach Djinghis Khan auch noch der uzbekische Eroberer Tamerlan, oder Timur Lengh, was nichts anderes als "Hinkefuß" hieß.

      Am nächsten Tag waren sie in die Stadt gefahren, hatten in der großen, langen Shahra-ra-road Stoff gekauft, dunkleres Blau, hatten gleich nebenan einen Schneider-Laden gefunden und für Felsberg eine traditionelle afghanische Kleidung, einen "Peran Tunban", auch "Shalwar Kameez" genannt, anfertigen lassen. Anschließend waren sie noch zum Basar gefahren, hatten nahe der großen Moschee, zwei neue "Pakols" gekauft, wie die üblichen Kopfbedeckungen in diesen Regionen hießen. Man wollte nicht gleich als westliche Besucher erkannt werden, denn selbst Mirwais, als Afghane, wurde sofort als Emigrant erkannt, galt somit auch schon fast als "Feringhi", als Fremder.

      Der Peran Tunban stand Felsberg ausgesprochen gut, der Pakol saß wie angegossen auf seinem Kopf, wenn er dazu noch Sonnenbrillen trug, dauerte es zumindest einige Sekunden, bevor er doch als Feringhi erkannt wurde, aber Sekunden konnten manchmal entscheidend sein. Er wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wie sehr er mit dieser Sicht der Dinge Recht behalten sollte.

      "Mika Kamar… das heißt auf Farsi, oder besser auf Dari, Mika der Felsen… genauer wäre es Koh-e-Kamar… Berg der Felsen, Felsenberg, Felsberg… Mika Kamar… ist aber noch immer zu lang… und unafghanisch… ich werde dich einfach 'Kamar' nennen… Kamar Khan, denn für afghanische Verhältnisse bist du ein 'Khan', ein 'Herr' !"

      "Naja, wenn's dir Spaß macht… okay, dann halt 'Kamar' !"

      Drei Tage später waren sie im Konvoi, ein Kleinbus und zwei Geländewagen, aufgebrochen, über die Hügel im Norden Kabuls, die löcherige, holperige Straße entlang, die die berühmten und heiß umkämpften "Shamali Plains" in zwei Hälften teilte, eine äußerst fruchtbare Ebene, die aber eben leider, heftigst umkämpft, von allen beteiligten Parteien gnadenlos vermint worden war, so dass es zum gewohnten Bild gehörte, überall Leuten, Kindern zu begegnen, die sich nur mehr mir Krücken fortbewegen konnten, späte Opfer der Minenfelder.

      Bei Charikar hatten sie die erste Panne, man musste den Reifen sofort flicken lassen, nichts riskieren, denn schon einen Kilometer später, konnte auch der Ersatzreifen platt sein, und dann war die Fahrt erst mal für länger unterbrochen.

      Der General saß bereits in der nächst erreichbaren Chaikhana, immer von mindestens zwei seiner Bodyguards begleitet, deren Lächeln eher an das Zähnefletschen von Raubtieren erinnerte. Zwei finstere Gestalten, von denen jeder Einzelne so an die hundert Feinde eigenhändig vom Leben zum Tode "erlöst" hatten, wie sie sich ausdrückten. Jallander, einer der Bodyguards war berühmt geworden, weil er nie Gefangene gemacht hatte. Es war genau Jallander, der sich nun mühte, ihn freundlich anzulächeln. Konnten zum Sprung bereite Panther noch lächeln ?

      "Wherr arr yu fromm !" fragte ihn die raue Stimme in hartem Englisch.

      "Germania… Alleman… Deutschland !"

      "Aaaah… Germania… I have broder Hamburg !"

      Er grinste noch breiter, sein Kollege, der zweite Bodyguard mischte sich ein, versuchte sich ebenfalls in einer Grimasse, die eigentlich ein Lächeln darstellen sollte.

      "German ha wa afghan ha brother hai aryaee hastand !"

      Die Deutschen sind die arischen Brüder der Afghanen. Woraufhin sich auch noch der General einmischte, grinsend auf Felsberg deutete und seinen Wächtern erklärte, dass dieser ein "Bacha e Hitler" wäre. Und Hitler sei ein großer "Dost" des afghanischen Volkes gewesen.

      "Hitler khaile khub !"

      Felsberg lächelte etwas gezwungen in die Runde, mit Hitler identifiziert zu werden, war ja nicht gerade sein Ding, eher ganz im Gegenteil. Aber es hatte keinen Sinn die Afghanen nun in tiefe Verwirrung zu stürzen, für sie war Hitler ein Held, ein "starker Mann", dafür bewunderten sie ihn, nicht wegen seiner Gräueltaten.

      Man fuhr weiter nach Norden, an Jebel Saraj vorbei, bog dann nach links, von der Hauptstraße ab, weiter nach Westen, in Richtung Bamyian, der Hauptstadt des Hazara-Landes. Dorthin wo ehemals, vor drei Jahren noch die riesigen Buddha Statuen gestanden hatten. Bevor sie im Frühjahr 2001 endgültig von den Taliban gesprengt worden waren.

      Die Fahrt ging endlos langsam über die rohe und auch noch zerstörte Landstraße, durch enge finstere Täler, Felsbergs Rücken schmerzte von andauernden Gerüttel, den Schlägen die nicht nur die Achsen der Fahrzeuge verkraften mussten.

      Als sie endlich, am Abend desselben Tages, nach 12 Stunden Fahrt von Kabul, vor den leeren Höhlen stand, in denen damals die Buddha-Statuen das Tal überblickten, bis hin zu den Ruinen der Festung Ghol-Ghola, dem "Red Fort", in dem schon Alexander der Große blutige Ernte unter den Menschenkindern dieser Region gehalten hatte, war er tief traurig.

      Abends in der Chaikhana an der Hauptstraße Bamyians erzählte er Mirwais von seinem ersten Besuch in Bamyian, damals 1975. Er war mit einem Freund zusammen durch die Höhlen gestiegen, bis zum Hinterkopf des großen Buddhas, wo man durch eine Öffnung sogar auf den Kopf des Buddhas springen konnte. Sie waren dann da gesessen und hatten auf dem Kopf des Buddhas ein dickes Rohr geraucht, Haschisch, so wie es Tausende anderer Hippie-Touristen in den Siebziger-Jahren gemacht hatten. "Schwarzer Afghane" hieß das Zauberwort.

      Die Aussicht war grandios gewesen, und mit ein wenig Phantasie konnte man sich ohne Weiteres die historischen Schlachten vorstellen, die auf diesem Boden stattgefunden hatten.

      Nun aber gab es den Buddha nicht mehr, ein 1200 Jahre altes Denkmal, einfach gesprengt, weg, aus, vorbei ! Die Kultur des Nichts hatte die Oberhand. Man dachte zwar über eine Restauration nach, aber es würde nie mehr das werden, was es vorher einstmals gewesen war.

      Mirwais übersetzte seine Erzählungen für die anderen Leute in der Chaikhana, alle lächelten ihn freundlich an, klopften ihm anerkennend auf die Schulter. Die Bamyianis betrachteten ihn von da an mit anderen Augen, sahen ihn nun als alten Freund, der wieder einmal auf Besuch gekommen war.

      Am Abend kam dann auch der Mann, auf den der General gewartet hatte, weshalb man ja eigentlich nach Bamyian gefahren war.

      Er hieß Said und ließ, nach allen Begrüßungsformalitäten, auch gleich einmal die Katze aus dem Sack, warf mit lautem Klatschen einen Leinenbeutel auf den Boden, vor die Versammlung.

      Der General öffnete den Sack eigenhändig, leerte den Inhalt auf den Teppich. Blaugrüne Steine purzelten in Mengen hervor, klirrten aneinander.

      "Das ist Türkis… kommen aus den Bergen im Westen Afghanistans, nahe der Grenze zu Persien."

      Felsberg nahm einen der größeren Stücke in die Hand, besah ihn sich näher. Aller Augen lagen gespannt auf ihm.

      "Ich dachte immer Türkise gibt es nur in Mashad, in Persien…"

      Mirwais grinste. "Ja, das ist auch so, dort werden sie verkauft, dort ist das Zentrum des Türkis-Handels.., aber gefunden werden die Steine in den Bergen… auch über der Grenze in Afghanistan…