die Gerichtsvollzieher der Sieger nichts mehr zu suchen hatten. Als Notwendigkeit war auch anerkannt, Deutschland in den Wiederaufbau Europas einzugliedern.“ „Einen wirklichen Sinn ergab die Demontage nur für die britische Wirtschaft..., aber auch Großbritannien ahnte die Gefahr, die schon einmal die Demontage mit sich gebracht hatte.“ „England würde nicht noch einmal“, so meinte der britische Außenminister Bevin“, den Fehler begehen, den es nach 1918 beging, den Deutschen zuerst ihre alten schlechten Maschinen wegnehmen, um ihnen dann Geld zu geben, damit sie sich die neuesten und modernsten Maschinen kaufen konnten.“ Aber genau das sollte wieder geschehen. Denn der Marshall-Plan und die Währungsreform standen vor der Tür. Die deutsche Wirtschaft konnte mit neuester und modernster Technologie neu starten.“ „Mit Wirkung vom 21. Juni 1948 galt die Deutsch-Mark-Währung. Jeder Einwohner des Währungsgebiets erhielt an dem mit Zittern erwarteten Tag X vierzig Deutsche Mark! Die Reichsmark war Altpapier.“ Die neue deutsche Wirtschaftspolitik ruhte auf der Annahme „dass die chirurgischen Eingriffe, also der Währungsschnitt und die fast plötzliche Beseitigung der Zwangswirtschaft den wirtschaftlichen Aufschwung Westdeutschlands herbeiführen wird.“ Ein Herr Ludwig Ehrhard leitete kompromisslos die neue Wirtschaftspolitik ein. Und er behielt Recht!
Jetzt zurück zur Handelsschifffahrt, deren Weichen schon vor der Währungsreform in kleinen Schritten gestellt wurden. Hans Maack, der brillante Verfasser des Artikels „Schifffahrt auf Zwangswegen“, veröffentlicht in „Reeder, Schiffe und ein Verband - Aus der fünfzigjährigen Arbeit einer deutschen Schifffahrtsorganisation 1907–1957“ -, behauptete: „Als wirkungsvollster Bundesgenosse erwies sich zu dieser Zeit das binnendeutsche Verkehrschaos. Es erzwang die ersten Regungen des Seeverkehrs bereits im Juli 1945 und in der Folgezeit eine sich laufend verstärkende Schiffsbewegung im Küstenbereich der britischen Besatzungszone. In der Hauptsache wurden Lebensmittel und Brennmaterial (Kohle, Holz und Torf) transportiert. Wenn andere Ladungen anfielen, waren sie durchweg für die Militärregierung bestimmt. Der Einsatz der Motorsegler steigerte sich von Monat zu Monat…“ An einer anderen Stelle schreibt er: „Das Fahrtgebiet erstreckte sich längs der Küste zwischen den Häfen Emden und Lübeck und wurde dann auf die Häfen der russischen Zone erweitert, von wo Getreide und Kartoffeln westwärts befördert wurden. Doch die ersten Versuche, die deutsche Seeschifffahrt auch wieder in die internationale Auslandsfahrt umzuleiten, scheiterten.
Doch unter dem Druck der chaotischen Verhältnisse hatte sich die Entwicklung des deutschen Küstenverkehrs in der ersten Phase bis 1947 vielleicht schneller vollzogen als es sich die politischen Kontrolleure vorgestellt hatten.“ In den Kieler Studien – ein Forschungsbericht des Kieler Instituts für Weltwirtschaft an der Universität Kiel - wurde zum Thema „Der Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte“ von Dr. Hugo Heeckt und Dr. Heinz Stender, Kiel 1954, folgendes ermittelt: Durch die Direktive Nr.37 des Alliierten Kontrollrats vom 26.09.1946. wurden folgende Beschränkungen für Neubauten vorgeschrieben:
Maximale Größe von Schiffen: 1.500 Bruttoregistertonnen
Höchstgeschwindigkeit: 12 kn
Aktionsradius: höchstens 2000 sm
Antriebsart für Schiffe über 33 Meter Länge: Dampfmaschine mit Kohlenfeuerung
Dieser Schiffstyp wurde an der Küste unter den Begriff „Potsdam-Schiff“ bekannt. Der erste Nachkriegsneubau mit der Lizenznummer 001 war der Dampfer „BROOK“ der Reederei H. M. Gehrckens.
Eins der letzten „Potsdamschiffe“: Dampfer „FLENSAU“, Eigner Rolf-Dieter Nissen, Flensburg, wurde als erstes Schiff einer Sechser-Serie nach dem Kriege 1948 auf der Schiffbauwerft Flensburg gebaut. Anfangs fuhr es noch mit Kohlenfeuerung, wurde später zum Ölbrenner umgerüstet und lag, wie hier auf dem Foto, 1968 im Hafen von Kaolack im Senegal, wo es Erdnüsse als Schüttgut für Hamburg lud. Beim Betrachten fällt auf: Es gab noch kein Radar an Bord.
Foto Kapitän Peter Wriedt.
Die Beschränkungen wurden nur sehr langsam gelockert. Der entscheidende Durchbruch kam erst durch das Washingtoner Abkommen von 1949 zustande. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte ein Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte ernsthaft in Angriff genommen werden. Diese Vorschriften wurden zum Teil durch das Petersberger Abkommen vom 22. November 1949, endgültig aber erst durch die grundsätzliche Freigabe des deutschen Schiffbaus seitens der Alliierten Hohen Kommission am 2. April 1951 beseitigt, so dass erst von diesen Tag an der uneingeschränkte Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte durchgeführt werden konnte.“ (siehe Kieler Studien – Wiederaufbau der deutschen Handelsflotte von Heeckt und Stender 1954, Seite 17) Soweit die wirtschaftspolitischen Hintergründe zu dieser Zeit.
Seemännische Ausbildung – Theorie und Praxis
Wie sah die so genannte „seemännische Ausbildung“ für die Decklaufbahn damals 1951 aus? Gab es überhaupt eine? Ich weiß es nicht, eigentlich hat mich keiner auf diesem Schiff ausgebildet. Ich bekam nur plattdeutsche Anweisungen, die ich stets wie ein Papagei hinterfragen musste. Also, wie sah es damit aus?
Nun, nach der Broschüre 50 Jahre im Dienst der Berufsbildung in der Seeschifffahrt herausgegeben von der Berufsbildungsstelle Schifffahrt e.V., Bremen, gab es 1938 bereits erste Versuche einer geregelten Berufsausbildung in der Seeschifffahrt.
Diese erstreckte sich auf eine seemännische „Vorausbildung“. Eine Seeberufsschule, einen Lehrvertrag und eine Matrosenprüfung. Leider blieben diese Anstrengungen unvollendet. Soweit die BBS-Darstellung. Die Verfasser dieser Broschüre kannten offenbar die Berufsausbildung in der Handelsschifffahrt aus der Zeit des Dritten Reiches nicht so genau.
Kommen wir zu Hans Wölbing, dem Verfasser des Artikels „Hol dien Muul“, Seite 60 in „Küstenschiffer“. Er schreibt darin von einer „Schiffsjungenschule Stettin“ bei Ziegenort, wohin er 1942 einberufen worden war. (siehe auch Band 2 in dieser maritimen gelben Buchreihe) „An die dortige komprimierte Einführung in alle wichtigen Kenntnisse und Fähigkeiten und den Unterricht zu Fragen der Schiffssicherheit und Rettungseinrichtungen schloss sich eine mehr-monatliche Fahrtzeit auf dem Viermastschoner NORDWIND an. Unter Führung eines alten und sehr qualifizierten Bootsmannes sowie eines ebenfalls qualifizierten ehemaligen Offiziers der Kaiserlichen Marine als Kapitän versah der 14jährige Schiffsjunge Wölbing zusammen mit gleichaltrigen Kameraden seinen Dienst wie ein gestandener Matrose.“
Auch Wilhelm Hausmann, der spätere Leiter der Referate „Fischerei“ und „Nautik“ bei der See-Berufsgenossenschaft Hamburg, erinnerte sich, dass es außer Stettin noch in Hamburg und Bremen Ausbildungszentren gab, die alle dem Reichskommissar für die Seeschifffahrt unterstanden. Auf dem Fünfmastschoner „KAPITÄN HILGENDORF“, der 1918 in Vancouver ursprünglich für kanadische Rechnung gebaut worden war und 1939 vom Reichsverkehrsministerium, Abteilung „Reichsverkehrsgruppe Seeschifffahrt“ erworben und nach entsprechendem Umbau als stationäres Schulschiff in Dienst gestellt wurde, fanden sechswöchige Ausbildungslehrgänge statt. Ein straffer Lehrgang vermittelte seemännische Grundfertigkeiten im Umgang mit Tauwerk und Drähten, im Rettungsbootsdienst, im Lichtmorsen sowie Winken mit Signalflaggen, in der Unterweisung wichtiger Kapitel der Seeschifffahrtsstraßenordnung und der Lichterführung der Schiffe auf See“.
Es gab aber auch private Initiatoren wie den Hamburger Reeder John T. Essberger, welcher ein „Fracht fahrendes Segelschulschiff“, die Bark „SEUTE DEERN“, in der Ostseefahrt seit Ende der 1930er Jahre als Ausbildungsschiff in Dienst hatte. Nach wechselvollem Schicksal liegt es heute als Museumsschiff des Deutschen Schifffahrtmuseums in Bremerhaven im Museumshafen.
Erwähnenswert ist auch das stationäre Ausbildungsschiff „NAWITKA“, des Norddeutschen Lloyds in Bremerhaven. Die NAWITKA war ein ehemaliger amerikanischer Dampfer, der seit 1923 in Bremerhaven als Hulk aufgelegen hatte und 1925 vom NDL als Ausbildungsschiff übernommen worden war. Auch dort hatten pädagogisch erfahrene Bootsleute den angehenden Schiffsjungen mit preußischer Disziplin und Drill Grundkenntnisse der Seemannschaft bis hin zum Spleißen und