Erwin Guido Kolbenheyer

Meister Joachim Pausewang


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und hinter Qualm und Pulverrauch unserer Zeit geht der rosenfarbige Frühschein auf, wie sich der frohe Bräutigam erhebt an seinem Hochzeitsmorgen. Und wiederum schau ich dich, Philosophia, in hellem Küraß, mit dem michaelischen Flammenschwert, und unter deinem Tritte krümmt sich Luzifer, dem seine Larven ist entrissen. Mein Meister Böhme, dein Geist ist ein Strahl aus selbigem Schwert. Hast den Teufel in seiner Höll mit tapferen Händen gezauset und ihn so recht als den Affen Gottes erwiesen. Du genarreter Luzifer, wie mußt du dich unter dem Tritt krümmen!

      Ich suchet das zehend Kapitul: ,Von der göttlichen Kraft im sedisten Quell“, das dringt auf der Höllen Grund.

      ,Da ist Ach und Wehe, Gelfen und Schreien – als wenns immer donnert und wetterleuchtet, denn also gebärden sich die angezündeten Geister Gottes. Die Süßigkeit ist verschmachtet, als wie eine glühende Kohle, da kein Saft mehr im Holze ist, die lechzet und ist kein Labsal da; die Liebe ist Feindschaft, der Schall ist ein hartes Pochen, gleich einem hohlen Feuerklang, als ob es einen Donnerschlag täte, das Revier ist ein Trauerhaus …“

      Als hätt ihm unsere Zeit fürgeleucht, da er in den dunklen Hcllengrund drang. Dann, mein Basil, also wie die Herrlichkeit Gottes in uns und um uns sanft und lieblich wallet – könnens nur nit erspähen mit unserm halbtoten Gesicht und schmeckens nur inwendig, als du auch einen Veigelduft kannst nit erspähen, sundern du mußt ihn schmecken – desgleichen brennt und qualmt auch die Höll in uns und ringsum; ist eine Fäulnis des Herzens, und muß ein jeder die seine schmecken lernen auf seine Weis. So es einem aber bedünket, er kunnt wohl seine Nasen zuhalten, auf daß er des Luzifer Saustall nit reucht, oder ein Artificalwasser und Rosentincturam über seine Fäulnis sprengen, der möcht auch seinen Frieden niemals nit schauen.

      Da höret ich im Gadern deine liebe Margret klagen und die Kindlein schreien. Wußt also, daß deine Kundschaft ein traurig Vöglein wär, und schloß meine Schrift wiederum in den Schrein. Kamst herein, und hing die Margret dir am Halse, und die Kleinen zerrten an ihrem Rock. War aber kein freundlichs Bild! Die Kaiserlichen nahmen Retirad auf Breslau und der Schwed und Sachs folget auf ihren Fersen. Dombischof Karolus Ferdinandus seie in aller Früh von der Dom-Insul samt Kapitul und Klerisei gewichen, hat sein Losament bei der großen Waag. Der Graf von Donau und Oberhauptmann Herzog Heinrich Wenzel von Oelse ließen alls zusammen trummlen. Der Herr Burgemeister aber hat den Rat entboten. Und seie alls in Angst, indem der Graf von Donau und der Herzog Heinrich Wenzel den Kaiserlichen die Tor offen halten wollen.

      Da schallet auch schon die Trummei durch unsre stille Rauffergaß (führt ihren Namen ganz ohn Verdienst und wird derhalben auch Gerbergraben genennt). Wirft sich deine liebe Margret an meinen Hals: „Vater, lieber Vater gehet mit ihm, auf daß ihm möcht nichts zustoßen!“ und flennt gar sehr. Denk ich mir, sie werden mich nit bei dir stehen lan, aber ich kunnt’s wohl wagen. Hing also die Wehr um, meins Herrn Vaters Kurzschwert mit dem güldnen Knopf, dann Pulverhorn, Kugeltasch und schulteret deinen Hacken. Zogen selbander aus, weiß und braun, ein ungleich Paar. Dein Fähnlein nahm mich gut auf, sageten etlich: „Sehet die beiden Pausewangen, braun und weiß.“

      Sein alsbald auf dem Wall nah beim Mühltor abendwärts postiret. Das Tor steht offen und das Odertor, desgleichen das Nikolaustor und die Brucken liegen aus. Herein schiebt sich die ärmest Schar von Mensch und Vieh, schwer beladen, schreiend und greinend, drängend, stutzend, stürzend, raffend und immer dazwischen ein Häuf Stadtsöldner. Der Weg zwischen Bastei und Graben ist ganz erfüllt von dem Elend, das zum Tore drängt. Müssen ihre Reusen, ihre Netz, die Boote lassen und die armen Hüttlein. Was nütz, daß der Pfahlrat protestiret? Der Pfahlbürger gehört jetz in die Mauern, der Schwed wird nit fragen und wird sengen, dann ist das Elend noch toller. Und hängt des Pfahlbürgers Herz an seim Herd, kann er auch nur ein Restlein seines Gutes bergen … o, sehet Breslau, ihr armen, elenden Leut! War Breslau nit eure Mutter? Seht, wie die Mutter zittert, kummt unter ihren weiten Mantel, bis das Kriegswetter verzogen ist.

      Und wie sie drängen! Die Männer ziehen den Karrn, der Strick schneidet ihnen in die Brust, und keuchen dannoch schändliche Schwür, ein um den andern, schwingen ihren Knüttel, das gering Vieh vor sich her zu treiben. Die Weiber schieben das ächzend Gefährt tiefgekrümmt mit der Schulter an, ihre Hand zerren an dem dicken Sack, der auf ihnen liegt, wie eine Nachtdrud voll Furcht und Schrecken. Auf den kreischenden Rädern wankt die getürmet Armetei, und obenauf krapplen die Würmlein und schreien ihren Geschwistern zu, die allso jung und klein mitschieben und ein jeds sein Bündel schleppt. Karren auf Karren, Mühsal auf Mühsal, Not auf Not. Und stockt der jämmerlich Zug, so heben die Stadtknecht ihre Partisaner und vergunnen ihnen kaum einen Herzschlag Rast – dann am Himmelsrand jenseits der Dom-Insul erhebt sich eine Wolken: die Kaiserlichen sein’s und hinterdrein Schwed und Sachs.

      Sinkt die Sunn in manchem Herzen, gleichwie sie über dem Werder sinkt, dieweil sich all das Elend verkriecht. Liegen die Mühlen vor uns wie totes Vieh. In den Mehl- und Würzgängen stockt die Frucht wie geronnen Blut in den Adern. Und reget sich kein Rad. Lasset uns ruhen, wer weiß, bald kräht der rot Hahn auf unserm Giebel und schlägt mit seinen prasselnden Flügeln!

      Und die scheidend Sunn haucht einen matten Dunst auf den Tscheppin, ist wie eine stille Klag. Tscheppin mit deinen runden Wipfeln, fruchtbeladen, und heimlichen Zäunen, Glanzgespiel der Brunnen und den duftigen Blüten!

      Dort liegt unser Gärtlein. – Wird unser großer Apfelbaum seine trächtigen Äst breiten wie eine Henn: ,Kummt alle, höret ihr nit was die Sunn raunt?' Und werden die Stachelbeer- und Johannisstauden ihm leise zuflüstern: ,Hörens wohl, sie werden uns alle niedertreten.’ Greinen Salbei, Anis, Saturei und Kerbel: ,Ach, wollet ihr klagen? Habt Stamm und Dorn, steht struppig und zäh, vor euch wird sich der ärgest Reutterstiefel verwahrn. Uns sanfte Kräutlein achtet kein nackender Fuß nit!' Da knarrt der große Apfelbaum in den Ästen, schüttlet seine Krön, fallen etlich Äpfel ins Gras. Will unser Gärtlein vor Trauer schier versinken, da läßt sich aus der hintersten Ecken ein keck Stimmlein vernehmen: ,Weinet nit, König Apfelbaum, ich bin noch hie, und Schwertel bin ich benannt oder Allermannsharnisch, mach hieb- und stichfest, will euch trittfest machen alle!' Müssen Krapp und Kümmel lachen, so schwer auch ihr Herze ist, die Malven wird aber blutrot und wirft einen verzagten Blick auf die Kichererbsen, die haben schon gleich beim ersten Wort ihre Schoten zusammengesteckt, als junge Maidlein tun, wenn Prinz Maurenbrecher auf dem Bürgerring pfeifend einherkleppert. Unser Apfelbaum aber wiegt seine Krön hin und her, schaut besorgt auf des Meister Balzer Krebitzen seine alte Scheun, die steht ganz nah beim Zaun. ,Wenn die brennt,’ denkt er bei sich, ,so brauchen der Junker Joachim und die Jungfer Christi meine Äpfel nimmer zu braten, dann ich kann mein Volk nit im Stich lassen, wenn der Schwed einbricht.’

      Wie ich also der roten, sinkenden Sunn nachhange und an unser Summerhäusl denk, wo ich deine liebe Mutter Christin weinen sähe, als ich des Chrysander Zettlein gebracht, indem er auf die hohe Schul gen Prag zog, und wo ich die hundert Kirschen auflas, so ihr aus der Schürzen gefallen waren – wie ich also einer fernen Zeit und einer versunkenen Sunn nachhange, trittst du nahe zu mir: „Vater, sehet dort!“

      Brechen die ersten Reutter aus dem Erlenbusch, wo die Leichnamsmühl gestanden, sprengen an den Elbinger Kopf unserer langen Bruck. Alsbald folgen die müden Haufen und schieben sich auf die Bruck, daß der Donner zu uns herüberhallt. Herr Burgemeister von Flandrian hat aber alle Tor schließen und hat aufziehen lassen.

      Kummt der Befehl, unser Fähnlein sollet sich gen das Odertor sammlen. War ein Rennen und Stoßen. Wir faßten beim rechten Turm Posto, wo unser schwerest Geschütz liegt. Der Graf von Donau und Herzog Heinrich Wenzel standen nit weit, und saget uns der jung Kilian Kretschmer, daß der Graf lästerlich geschworen hätt, weil der Burgemeister die Tor geschlossen.

      Wir beid kamen alsbald in Stand, rührten frisch Zündkraut auf, Blei war schon geladen.

      Vom Elbinger Ufer drang ein wüst Geschrei und infernalisch Durcheinander. Vom kaiserlichen Geschütz und Wagen war nit ein Rad zu sehen; mochten alls in Feindeshand gelassen han, was sich nachher auch allso erwiese. War eine wilde Flucht. Ergossen sich die zuchtlosen Haufen in den Werder, schrieen uns über den Graben zu, wir sollten gutwillig auftun oder zu essen und trinken schicken, sunst wollten sie sichs holen. Kunnten sie aber schreien lassen, dann sie waren ganz ausgenommen, warfen sich zumeist auf den Boden und rührten