seine Kerkermeister mit wachsendem Entsetzen. Was war der Sinn all dieser Vorbereitungen? Die beiden Männer, die sich an dem Stuhl zu schaffen machten, hoben merkwürdig aussehende Gegenstände vom Boden auf und befestigten sie an jedem seiner Handgelenke. Er fühlte die kalte Oberfläche einer Metallplatte, die sich gegen seine Haut drückte. Noch war er sich nicht über die Gefahr klar, in der er schwebte, noch ahnte er nichts von dem grausamen Entschluß der beiden Männer, deren Geheimnis er hatte verraten wollen.
»Mr. Farrington«, wandte er sich bittend an den großen Mann, »wir wollen uns doch verständigen. Ich habe verloren.«
»Das stimmt«, erwiderte Farrington. Es waren seine ersten Worte.
»Geben Sie mir genug Geld, daß ich das Land verlassen kann, nur das Geld, das ich in der Tasche habe, und ich verspreche Ihnen, daß ich Ihnen nie wieder Schwierigkeiten bereiten werde.«
»Mein Freund, ich habe Ihnen nur zu lange getraut. Sie haben sich mir aufgedrängt, als ich Sie nicht wünschte, Sie haben meine Pläne bei allen möglichen Gelegenheiten durchkreuzt, Sie haben mich betrogen, wann es Ihnen nur möglich war oder wann sich Ihnen ein Vorteil dadurch bot. Ich bin fest entschlossen, Ihnen jede Möglichkeit zu nehmen, mir noch einmal zu schaden.«
»Was soll denn dieses Theater bedeuten?« fragte Poltavo. Blinde Furcht und Wut kämpften in ihm.
Jetzt erst entdeckte er, daß die sonderbaren Klammern an seinen Handgelenken durch dicke, grüne Schnüre mit einem Kontakt in der Wand verbunden waren. Er stieß einen entsetzten Schrei aus, als er das sah, und nun wurde ihm der schreckliche Ernst seiner Lage plötzlich klar.
»Mein Gott!« schrie er. »Sie wollen mich doch nicht umbringen?!«
Farrington nickte langsam.
»Ja, wir werden Sie schmerzlos töten, Poltavo. Wenn wir weiterleben wollen, müssen Sie sterben. Wir werden Ihnen keine unnötigen Qualen bereiten, aber das Abenteuer Ihres Lebens ist nun zu Ende, mein Freund.«
»Sie werden mich doch nicht durch elektrischen Strom töten?« stöhnte der Mann in dem Stuhl. Seine Stimme war heiser und krächzend geworden. »Sagen Sie doch, daß es nicht wahr ist sagen Sie, daß Sie mich nicht hinrichten wollen, Farrington! Geben Sie mir doch die Möglichkeit, zu leben – machen Sie mit mir, was Sie wollen, übergeben Sie mich der Polizei! Alles andere, nur das nicht, Farrington, nur das nicht!«
Farrington gab einen kleinen Wink, Dr. Fall ging zur Wand und legte seine Hand auf einen großen, schwarzen Schalter.
»Ich verrate Sie nicht ...« Poltavos Stimme klang hohl. »Geben Sie mir doch die Möglichkeit ... Ich werde ihnen nicht sagen – daß Sie –«
Dann verstummte er plötzlich, denn der schwarze Schalter hatte sich umgedreht, und der Tod kam mit blitzartiger Schnelligkeit über Poltavo.
Die drei Männer beobachteten die Gestalt. Man sah noch ein leises Zittern in den Händen, dann nickte Farrington, und der Arzt drehte den Schalter wieder ab.
Schnell lösten sie alle Fesseln, und der bewegungslose Körper glitt von dem Stuhl herunter.
So starb Ernesto Poltavo, ein Abenteurer und ein Schurke, in der Blüte seines Lebens.
Farrington schaute mit düsteren Blicken auf die Leiche. Er wollte eben etwas sagen, als plötzlich eine scharfe Stimme hinter ihm erklang.
»Hände hoch!«
Die steinerne Tür, durch die Poltavo vom Korridor zu seiner Richtstätte gebracht worden war, stand weit offen, und im Eingang stand Mr. Smith, dicht hinter ihm tauchte Ela auf. Eine Pistole blitzte in der Hand des Detektivs auf.
20
Die Durchsuchung des »geheimnisvollen Hauses« hatte Mr. Smith nicht zufriedengestellt. Er hatte allerdings auch nicht erwartet, brauchbare Anhaltspunkte zu finden. Er war sich völlig darüber klar, daß diese kühnen Männer alle Spuren ihrer Verbrechen verwischt hatten.
»Was wollen wir nun machen?« fragte Ela, als sie das Haus wieder verließen.
»Sofort zurück nach Moor Cottage«, entgegnete Mr. Smith, als er in das Auto stieg. »Ich bin sicher, daß wir eine große Entdeckung machen werden. Sicher führt von dort irgendein unterirdischer Gang hierher. Auf diesem Weg sind Lady Constance und Poltavo fortgebracht worden. Wenn es notwendig ist, werde ich alle Holztäfelungen in den beiden Zimmern des Erdgeschosses zertrümmern! Ich muß den geheimen Gang zu Mr. Farringtons Haus finden.«
Eine halbe Stunde lang durchforschten sie den Raum, aus dem Poltavo verschwunden war. Sie bohrten die hölzernen Täfelungen an und untersuchten jedes einzelne Paneel.
Dabei machten sie die Entdeckung, daß die eichenen Paneele mit Stahlplatten festgeschraubt waren.
»Es ist ein hoffnungsloses Unternehmen. Wir müssen Handwerker haben, die die Platten entfernen können«, sagte Mr. Smith.
In Gedanken hatte er das kleine Medaillon wieder aus der Tasche genommen und geöffnet.
»Es ist doch zu absurd.« Er lachte hilflos. »In diesen einfachen Worten liegt nun die Lösung, und doch können wir klugen Leute von Scotland Yard sie nicht finden ...«
»Gott schütz dem Kenig!« sagte Ela traurig. »Ich möchte nur wissen, wie uns das helfen sollte.«
Plötzlich zeigte Mr. Smith auf das Klavier. Er eilte zu dem Instrument, hob den Deckel auf und schlug einen Akkord an. Der Ton klang etwas dürftig, das Klavier schien seit langer Zeit nicht mehr gestimmt worden zu sein.
»Ich werde einmal ›Gott schütze den König‹ spielen!« rief Mr. Smith mit glänzenden Augen. »Ich glaube, dann wird sich etwas ereignen.«
Langsam spielte er die bekannte Weise von Anfang bis zu Ende und schaute dann auf.
»Versuchen Sie es noch einmal in einer anderen Tonart«, riet Ela. Wieder spielte Mr. Smith die Nationalhymne. Als er fast zu Ende war, knackte plötzlich die Wand. Er sprang auf. Eins der langen Paneele hatte sich geöffnet. Einen Augenblick sahen sich die beiden Männer an. Sie waren allein in dem Haus, obwohl eine Polizeiwache in Rufweite stand. Die anderen Polizeitruppen waren in der Nähe des »geheimnisvollen Hauses« zusammengezogen.
Mr. Smith drehte seine unentbehrliche Taschenlampe an und drang in die dunkle Öffnung vor.
»Ich werde einmal allein hineingehen und sehen, was geschieht.«
»Ich glaube, es ist besser, wir gehen zusammen«, erwiderte Ela grimmig.
»Hier ist ein elektrischer Schalter.«
Mr. Smith drehte daran, und eine elektrische Lampe leuchtete im Innern einer kleinen Liftkabine auf.
»Hier befinden sich wahrscheinlich die notwendigen Knöpfe – wir wollen einmal diesen versuchen.«
Er drückte auf einen Knopf, und der Fahrstuhl begann sich zu senken. Nach einer Weile hielt er an, und die beiden traten hinaus.
»Dies ist ein Teil des alten Bergwerks«, erklärte Smith. »Wirklich eine geniale Idee.«
Er leuchtete mit seiner Lampe die Wände des Stollens ab, um die elektrischen Schalter zu finden. Er fand sie auch, und im nächsten Augenblick war der Stollen hell erleuchtet.
»Teufel noch einmal! Sogar eine unterirdische Trambahn haben sie sich eingerichtet! Sehen Sie doch einmal her!« rief er mit Bewunderung.
Auf der kleinen Endstation befanden sich zwei Geleise mit einer Weiche, und ein Wagen schien auf sie zu warten. Ein paar Minuten später hatten Mr. Smith und sein Assistent das andere Ende des unterirdischen Ganges erreicht. Sie fanden auch den zweiten Fahrstuhl.
»Das hätten wir geschafft. Sie haben alles elektrisch eingerichtet. Ich dachte mir schon, daß das große Kraftwerk Farringtons einem ganz besonderen Zweck dienen müsse. Nun sehe ich, wieviel Strom sie brauchen. Treten Sie vorsichtig in den Fahrstuhl, und merken Sie sich genau, welchen Weg wir machen. Ich nehme an, daß wir uns jetzt etwas mehr als dreißig Meter unter der Erdoberfläche befinden. Schätzen Sie es