Edgar Wallace

Edgar Wallace - Gesammelte Werke


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langen Gang.

      »Das sieht so aus, als ob hier ein Zimmer oder ein größerer Raum dahinter läge«, meinte Mr. Smith, als er vor einer mit roter Farbe gestrichenen Tür stand, die in eine der dicken Wände eingelassen war. Er lehnte sich dagegen, aber sie bewegte sich nicht. Sie untersuchten die ganze Umgebung, konnten aber kein Schlüsselloch finden.

      »Die Tür scheint durch irgendeine geheimnisvolle Feder oder einen Schalter in Bewegung gesetzt zu werden, oder sie bewegt sich überhaupt nicht«, flüsterte er Ela zu.

      »Wenn sie durch eine Feder bewegt wird, werde ich sie schon herausfinden.« Elas Hand tastete über die Oberfläche der Tür, und plötzlich hielt er an.

      »Hier ist eine Öffnung, die etwas größer ist als ein Nadelöhr.« Er nahm ein Universalmesser mit vielen Klingen aus der Tasche und bog eine Stahlnadel heraus. »Pfeifenreiniger sind manchmal auch zu anderen Dingen nütze«, sagte er und drückte den langen, dünnen Stab in die Öffnung. Plötzlich öffnete sich die Tür geräuschlos.

      Mr. Smith war der erste, der mit dem Revolver in der Hand in den Raum trat. Er befand sich in einem Zimmer, das keineswegs das Aussehen eines Gefängnisses hatte, selbst wenn es diesem Zweck dienen sollte. Die Wände waren mit kostbaren Brokatstoffen bespannt, der Teppich war dick und weich, und die Möbel zeugten von künstlerischem Geschmack.

      »Lady Constance«, rief Mr. Smith überrascht.

      Eine Frau, die neben einer Leselampe saß, erhob sich schnell und sah den Detektiv verwirrt an.

      »Mr. Smith!« Sie eilte auf ihn zu. »Gott sein Dank, daß Sie gekommen sind!«

      Sie ergriff seine beiden Hände und weinte fast vor Freude. Sie sprach unzusammenhängende Worte, erzählte von ihrer Gefangennahme, ihrer Furcht, ihrer Dankbarkeit für ihre Rettung.

      »Setzen Sie sich, Lady Constance«, sagte Mr. Smith freundlich. »Versuchen Sie Ihre Gedanken zu ordnen – haben Sie Poltavo gesehen?«

      »Poltavo?« fragte sie verwundert. »Nein, ist er denn hier?«

      »Er muß sich irgendwo hier aufhalten. Ich bin gerade auf der Suche nach ihm. Wollen Sie hierbleiben oder wollen Sie mit uns kommen?«

      »Ich möchte Sie begleiten«, sagte sie schaudernd.

      Sie gingen zusammen hinaus.

      »Führen alle diese Türen hier zu Räumen, die ähnlich sind wie dieser?« fragte der Detektiv.

      »Ich glaube, daß eine Anzahl von unterirdischen Zellen hier liegt«, antwortete sie flüsternd. »Aber die größte von ihnen ist ganz in der Nähe.«

      Sie zeigte auf eine rot angestrichene Tür, die etwa zwanzig Schritt entfernt lag. Ela untersuchte sie genau.

      Offenbar öffneten sie sich alle nach demselben Stecksystem, das im Mittelalter sehr beliebt war. Die Italiener hatten dieses Geheimnis wahrscheinlich aus ihrem Vaterland mitgebracht, in dem einst die Borgias, die Medicis und die Viscontis lebten.

      »Bleiben Sie hier stehen«, sagte Mr. Smith leise, und Lady Constance lehnte sich an die Wand.

      Ela preßte seinen Pfeifenreiniger wieder in die Öffnung, die Tür tat sich langsam auf, und Mr. Smith trat hinein.

      Einen Augenblick stand er still und versuchte die Bedeutung dieses schrecklichen Anblicks zu verstehen: Ein toter Körper lag auf dem Boden, zwei erbarmungslose Männer mit harten Gesichtern standen daneben, Farrington hatte die Arme verschränkt und schaute düster auf den Toten nieder, Dr. Fall war noch an dem Schaltbrett beschäftigt.

      Mr. Smith hob langsam seinen Revolver.

      »Hände hoch!« rief er.

      Kaum hatte er diese Worte ausgestoßen, als der Raum schon vollständig verdunkelt war. Sein Begleiter wurde heftig zurückgeschleudert, denn die elektrische Schließvorrichtung war eingeschaltet worden und die Tür schlug Ela ins Gesicht. Er wollte sich dagegenstemmen, um sie offenzuhalten, aber alle seine Bemühungen waren umsonst. Auch mit dem Pfeifenreiniger hatte er keinen Erfolg.

      Er wurde bleich. »Mein Gott! Sie haben Smith gefangen!«

      Einen Augenblick stand er unentschieden da. Er hatte eben die Szene in dem Zimmer gesehen und wußte, welches Schicksal seinem Vorgesetzten drohte.

      »Schnell zurück in den Gang!« rief er und führte Lady Constance Dex mit sich. Er fand ohne Schwierigkeit den Weg zum Fahrstuhl, er drückte den Knopf ... Jetzt fuhren sie mit größter Schnelligkeit auf dem elektrischen Wagen die Schienen entlang ... Jetzt trug sie der andere Fahrstuhl in die Höhe, und sie traten in das Zimmer in Moor Cottage ein. Das Auto von Mr. Smith wartete noch vor dem Haus.

      »Sie kommen am besten mit mir«, sagte Ela schnell, und Lady Constance sprang nach ihm in den Wagen.

      »Zu dem ›geheimnisvollen Haus‹ – schnell!« schrie Ela dem Chauffeur zu.

      »Später bringe ich Sie zu Ihren Freunden – ich darf es jetzt nicht wagen, auch nur eine Sekunde zu verlieren ...«

      »Was werden sie tun?«

      »Ich weiß, was sie vorhaben«, erwiderte er grimmig. »Farrington spielt seinen letzten Trumpf aus, und Mr. Smith soll sein Opfer sein!«

      *

      In der Dunkelheit des unterirdischen Raumes stand Smith seinen Feinden gegenüber. Er hatte den Finger am Abzug seiner Pistole, und seine Augen versuchten, die Finsternis zu durchdringen.

      »Rühren Sie sich nicht!« sagte er ruhig. »Ich schieße sofort!«

      »Es ist gar nicht nötig, daß Sie schießen«, erwiderte Dr. Fall höflich. »Das Licht ging zufällig aus. Ich versichere Ihnen, daß Sie und Ihre Freunde nichts zu fürchten haben!«

      Mr. Smith tastete sich mit vorgestrecktem Revolver an der Wand entlang. In der Dunkelheit fühlte er die große Gestalt des Arztes mehr, als er sie sah, und er streckte vorsichtig die Hand aus.

      Plötzlich berührte etwas seine Handfläche, das sich unter gewöhnlichen Umständen wie die Spitzen eines Bastbesens angefühlt haben würde. Mr. Smith wurde heftig rückwärts gestoßen.

      »Schnell in den Stuhl mit ihm«, rief Farrington. »Das war eine gute Idee von Ihnen, Doktor.«

      »Es war der Sprühapparat«, sagte Dr. Fall zufrieden. »Davon bekommt man einen kräftigen elektrischen Schlag. Sie haben sich wirklich einen mächtigen Bundesgenossen erwählt, als Sie die elektrische Kraft zu Hilfe nahmen, Farrington.«

      Nun brannten die Lichter wieder, und Smith wurde an den Stuhl geschnallt. Er hatte sich von dem Schlag erholt, aber es war zu spät. Während er bewußtlos gewesen war, hatte man Poltavos Leiche entfernt. Sie behandelten den Detektiv jetzt genauso wie vorher den Polen; er fühlte die elektrischen Kontakte auf der bloßen Haut seiner Handgelenke und biß die Zähne zusammen.

      »Mr. Smith«, begann Farrington höflich, »ich fürchte, Sie haben sich selbst in eine böse Situation gebracht – wo ist der andere Mann?« fragte er schnell und sah Dr. Fall an.

      »Ich habe ihn vergessen«, erwiderte der langsam. »Er muß draußen im Gang sein.«

      Er ging zu der unsichtbaren Tür im Hintergrund und öffnete sie durch eine Berührung. Ein paar Minuten später kam er zurück, sein Gesicht sah plötzlich alt und eingefallen aus.

      »Er ist fort – auch die Frau ist verschwunden.«

      Farrington nickte.

      »Kommt es noch darauf an?« fragte er rauh. »Die beiden können nicht viel wissen! Stellen Sie die elektrische Sicherung für die Tür ein.«

      Fall drehte an einem Schalter, dann wandte sich Farrington erneut Smith zu.

      »Sie wissen, in welcher Lage Sie sich befinden – ich werde Ihnen jetzt mitteilen, wie Sie sich daraus befreien können.«

      »Ich bin begierig, das zu erfahren«, entgegnete der Detektiv kühl. »Aber ich warne Sie davor, mir zu sagen, meine