Edgar Wallace

Edgar Wallace - Gesammelte Werke


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die Bedingung, mich und meine Freunde frei und unversehrt aus England zu bringen. Ich weiß, daß Sie mir erwidern wollen, Sie hätten nicht die Macht dazu, aber ich kenne die außerordentlichen Vorrechte Ihrer Abteilung in Scotland Yard genau. Ich weiß, daß ich mit Ihrer Hilfe das ›geheimnisvolle Haus‹ verlassen und morgen früh in Calais landen kann ... Niemand in ganz England könnte Sie daran hindern, mir zu helfen. Ich biete Ihnen Ihr Leben an, wenn Sie meine Bedingungen annehmen. Sonst –«

      »Sonst?«

      »Werde ich Sie töten«, antwortete Farrington kurz, »wie ich auch Poltavo getötet habe. Sie sind mein schlimmster Feind, mein gefährlichster Gegner. Sie waren für mich schon immer ein Mensch, dem man möglichst aus dem Wege gehen mußte. Und ich werde Sie mit weniger Gewissensbissen töten, weil nur Sie daran schuld sind, daß ich in den letzten Monaten dieses Hundeleben führen mußte. Es wird Sie interessieren, Mr. Smith, daß Sie mich einmal beinahe gefangen hätten. Der ganze Flügel des Hauses, in dem Mr. Moole liegt, ist verschiebbar und beweglich nach dem Prinzip eines riesigen Aufzugs. Das Geheimnis des ›geheimnisvollen Hauses‹ liegt in Wirklichkeit in systematisch und vorzüglich angeordneten Aufzügen und Fahrstühlen. Das heißt praktisch, daß ich mein Arbeitszimmer in den ersten Stock placieren, es aber auch zum vierten Stock hinaufheben kann. Und das kostet mich nicht einmal so viel Mühe, als nötig ist, um einen Stuhl von einem Zimmer in ein anderes zu tragen.«

      »Das habe ich schon vermutet. Sie hätten als Elektroingenieur ein Vermögen verdienen können.«

      »Das bezweifle ich stark«, erwiderte Farrington kühl. »Aber die Vergangenheit und verpaßte Gelegenheiten interessieren mich jetzt weniger als meine und Ihre Zukunft. Wozu haben Sie sich entschlossen?«

      Smith lächelte.

      »Ich werde Ihre Bedingung nicht annehmen«, sagte er liebenswürdig. »Ich bin auf meinen Tod vollständig vorbereitet. Nichts in der Welt, keine Drohung gegen mich oder meine nächsten Angehörigen oder Freunde könnte mich dazu bewegen, so gefährliche Verbrecher wie Sie und Ihre Komplicen entkommen zu lassen. Ihre Zeit ist um, Farrington. Ob ich ein wenig früher oder später sterben muß, ändert nichts daran, daß Sie in einem Monat selbst tot sind, ob Sie mich nun umbringen oder laufen lassen.«

      »Sie sind sehr kühn, mir das ins Gesicht zu sagen«, zischte Farrington ihn an.

      Smith sah an den wütenden Blicken und den verbissenen Gesichtern, daß seine Worte getroffen hatten.

      »Wenn Sie sich einbilden, noch entkommen zu können«, fuhr er unbekümmert fort, »dann verschwenden Sie nur Zeit, die Sie besser anwenden könnten, denn jeder Augenblick Verzögerung bringt Sie beide dem Galgen näher.«

      »Mein Freund, Sie beschleunigen nur Ihren eigenen Tod«, sagte Dr. Fall.

      »Was das anbetrifft«, entgegnete Smith achselzuckend, »habe ich nicht die Absicht, Ihnen etwas zu prophezeien, denn ich kann ebensowenig in die Zukunft sehen wie Sie. Und wenn es der Wille der Vorsehung ist, daß ich in Ausübung meiner Pflicht sterben soll, so bin ich mit meinem Los zufrieden wie jeder Soldat, der auf dem Feld der Ehre stirbt. Denn es scheint mir«, sagte er halb zu sich selbst, »daß die geschworenen Feinde der Gesellschaft schrecklicher, entsetzlicher und gefährlicher sind als die anstürmenden Feinde, denen ein Soldat gegenübertreten muß. Sie sind nur Feinde, solange der Wahnsinn des Krieges dauert, aber Sie sind Ihr ganzes Leben lang Feinde der Gesellschaft.«

      Dr. Fall wechselte einen Blick mit seinem Vorgesetzten. Farrington nickte.

      Der Doktor beugte sich nieder, nahm den Lederhelm auf und setzte ihn mit derselben Behutsamkeit auf den Kopf des Detektivs, die er das erste Mal angewandt hatte.

      »Ich gebe Ihnen noch drei Minuten Bedenkzeit.«

      »Sie verschwenden drei Minuten!« Die Stimme des Mannes in dem Stuhl wurde durch den Lederhelm gedämpft.

      Trotzdem zog Farrington seine Uhr aus der Tasche und hielt sie in der Hand. Kein Muskel in seinem Gesicht bewegte sich. Stark, groß und entschlossen stand er vor seinem Opfer. Während der hundertachtzig Sekunden herrschte lautlose Stille in dem Raum, so daß man das Ticken der Uhr hören konnte.

      Als die Zeit um war, ließ er sie wieder in seine Tasche gleiten.

      »Wollen Sie tun, was ich von Ihnen verlangt habe?«

      »Nein«, war die entschiedene Antwort.

      »Schalten Sie ein!« rief Farrington wild.

      Dr. Fall legte seine Hand auf den elektrischen Schalter. In diesem Augenblick flackerten die Lichter, und ihre Leuchtkraft verminderte sich langsam.

      »Schnell!« rief Farrington.

      Gerade als das Licht ausging, drehte der Doktor den Schalter an. Smith fühlte ein scharfes, brennendes Zucken, das seinen ganzen Körper blitzartig durchdrang, und verlor dann das Bewußtsein.

      Eine Gruppe von Polizisten und Detektiven stand vor dem Tor des »geheimnisvollen Hauses«, als das Auto, in dem Ela und Lady Dex saßen, in schärfstem Tempo heranfuhr.

      Ela sprang aus dem Wagen, als er noch nicht zum Stillstand gekommen war.

      »Sie haben Smith gefangen!« rief er dem Inspektor zu, der den Befehl über die anwesende Truppe hatte. »Schließen Sie die Kette um das Haus! Alle bewaffneten Beamten folgen mir!«

      Er eilte den Gartenpfad entlang, aber er wandte sich nicht nach dem Haus, sondern bog zum Kraftwerk ab.

      Ein Mann mit grimmigem Gesicht stand im Eingang und maß die Beamten mit bösen Blicken.

      Er versuchte, die Schiebetür zu schließen, aber Ela packte ihn am Kragen und schleuderte ihn nach innen.

      Im nächsten Augenblick stand er in der Station und war von wütenden Arbeitern umringt. Ein großer, gutaussehender Mann mittleren Alters, der die Oberaufsicht hatte, kam auf Ela zu. Er trug einen großen Schraubenschlüssel in der Hand, um die Eindringlinge abzuwehren.

      Aber Elas Pistole sprach von seinen Absichten.

      »Treten Sie sofort zurück!« rief er. »Führen Sie hier die Aufsicht?«

      Er sprach fließend italienisch.

      »Was soll das alles bedeuten, mein Herr?« fragte der Mann.

      »Ich gebe Ihnen eine Minute Zeit, die große Dynamomaschine zum Stehen zu bringen.«

      »Aber das ist unmöglich! Das darf ich nicht tun – das ist gegen jegliche Vorschrift und Ordnung.«

      »Wollen Sie meinem Befehl nachkommen?« stieß Ela zwischen den Zähnen hervor. »Wenn Sie mir nicht gehorchen, sind Sie ein toter Mann.«

      Der Italiener zögerte und ging dann zu dem großen Schaltbrett, auf dem eine ganze Reihe von Lampen brannte.

      »Ich will es nicht tun«, sagte er düster. »Dort ist der Hebel legen Sie ihn selbst um.«

      Plötzlich leuchtete eine rote Lampe auf dem Schaltbrett auf.

      »Was ist das?« fragte Ela.

      »Das Signal kommt aus den Kellerräumen«, erwiderte der Italiener. »Sie wollen mehr Strom haben.«

      Ela wandte sich wütend zu dem Mann um und hob seine Pistole. Eine wilde Entschlossenheit lag in seinen Augen.

      »Gnade!« brüllte der Mann, streckte die Hand aus, ergriff den großen Hebel, über dem »Gefahr« stand, und legte ihn um.

      Plötzlich wurden alle Lichter in dem Raum düster, die großen Schwungräder verlangsamten ihren Lauf und kamen zum Stillstand. Nur das Tageslicht erleuchtete die Kraftstation jetzt. Ela stand auf der erhöhten Plattform vor der großen Schalttafel und wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Er zitterte am ganzen Körper, als ob er vom Fieber geschüttelt würde.

      »Hoffentlich bin ich noch rechtzeitig gekommen!« sagte er leise zu sich selbst.

      Die große Maschinenhalle war von vielen Polizisten gefüllt.

      »Nehmen