tatsächlich das Geld geschickt?«
»Ja, leider war sie so töricht, zweihundert Pfund zu schicken.« Mr. Fare schüttelte bedauernd den Kopf. »Erst als sie wieder einen Drohbrief erhielt, benachrichtigte sie die Polizei. Wir sandten dann von uns aus ein Antwortschreiben an die angegebene Adresse, um die Leute damit zu fangen, hatten aber ein absolut negatives Ergebnis, wie ich Ihnen eben erzählt habe. Daraufhin bekam sie einen weiteren Brief, in dem sofortige Zahlung von ihr verlangt wurde und eine Drohung gegen sie und ihren Sohn enthalten war. Wieder schickten wir Antwort – das war am letzten Donnerstag. Von einem Haus gegenüber seinem Laden beobachteten zwei unserer Beamten mit Ferngläsern alles, was sich dort zutrug. Sie konnten das Innere des Ladens genau sehen. Den ganzen Tag über händigte Jones keine Briefe aus, und als wir abends den Laden revidierten, fanden wir unseren Brief bei den anderen auf dem Ladentisch. Er war nicht einmal geöffnet worden – und wir hatten uns wieder einmal blamiert«, fügte Mr. Fare lächelnd hinzu. Er schwieg eine Weile nachdenklich. »Wollen Sie die Gräfin Vinci nicht einmal besuchen?« fragte er dann.
»O ja, sehr gerne«, erwiderte Gonsalez eifrig und sah auf seine Uhr.
»Heute abend geht es nicht mehr«, meinte Mr. Fare lächelnd. »Aber ich werde für morgen nachmittag ein Zusammentreffen vereinbaren. Vielleicht fällt Ihnen irgendein Mittel ein, wie wir die Leute fassen können.«
Als die beiden Freunde auf dem Heimweg waren, unterbrach Leon Gonsalez plötzlich das Schweigen mit einer merkwürdigen Frage.
»Ich möchte nur wissen, ob es nicht möglich wäre, eine leere Villa mit einem großen Badezimmer zu mieten. Das Badezimmer müßte aber wirklich groß und geräumig sein«, meinte er nachdenklich.
»Was führst du denn schon wieder im Schild?« fragte Manfred lachend. »Ich glaube, ich werde alt, Leon«, sagte er, als sie zu Hause ankamen. »Früher überraschten mich deine kühnen Pläne niemals. Welche charakteristischen Eigenschaften muß denn diese Villa noch besitzen?«
Leon warf seinen Hut so kunstvoll durch das Zimmer, daß er an einem Haken an der Wand hängenblieb.
»Bewunderst du nicht meine Fertigkeiten als Jongleur?« fragte er stolz. »Also, das Haus, nun ja, es müßte etwas abseits liegen, möglichst weit von anderen Gebäuden entfernt. Die Straße dürfte nicht zu nahe und nicht verkehrsreich sein. Am besten wäre es, wenn es durch Büsche und Bäume den direkten Blicken entzogen wäre.«
»Das klingt ja beinahe, als ob du irgendein schreckliches Verbrechen vorbereiten wolltest«, erwiderte Manfred gutmütig.
»O nein, das beabsichtige ich durchaus nicht«, sagte Leon ruhig. »Aber ich denke, unser Freund Jones ist ein ganz gemeingefährlicher Bursche.« Er seufzte schwer. »Ich würde viel darum geben, wenn ich die Abmessungen seines Schädels hätte.«
Ihre Unterredung mit der Gräfin Vinci verlief sehr befriedigend. Sie trafen eine hochgewachsene, schöne Frau von vierunddreißig Jahren, die eine vollendete Dame war.
Manfred, der sie rein menschlich betrachtete, war von ihr entzückt, aber Leon Gonsalez erschien sie zu normal, um sich für sie zu interessieren.
»Natürlich bin ich sehr beunruhigt«, erklärte sie ihnen. »Philipp ist nicht sehr kräftig, obwohl er nicht verzärtelt ist.«
Später kam auch ihr Sohn ins Zimmer, ein schlanker, kleiner Junge mit hellbrauner Gesichtsfarbe und dunklen Augen. Er war selbstbewußter und intelligenter, als Manfred nach seinen Jahren erwartet hatte. Seine Gouvernante, ein hübsches italienisches Mädchen, begleitete ihn.
»Ich traue Beatrice mehr als der Polizei«, sagte die Gräfin, nachdem die beiden das Zimmer wieder verlassen hatten. »Ihr Vater ist ein Polizeioffizier in Sizilien gewesen, und ihr Leben war dauernd bedroht.«
»Macht der Junge weite Spaziergänge?« fragte Manfred.
»Er fährt zweimal am Tag aus. Entweder nehme ich ihn mit oder Beatrice – manchmal begleiten wir ihn auch beide.«
»Womit droht man Ihnen eigentlich?« fragte Gonsalez.
»Ich werde Ihnen einen der Briefe zeigen.«
Sie ging zu einem Schreibtisch, schloß eine Schublade auf und kam mit einem starken Briefbogen zurück. Das Papier war von der besten Qualität, und die Schrift sah wie gestochen aus.
›Sie werden uns am 1. März, 1. Juni, 1. September und 1. Dezember je eintausend Pfund senden. Das Geld muß in Banknoten geschickt werden, und zwar an die Adresse von H. Frascati, p. Adr. J. Jones, 194 Notting Hill Crescent. Sollten Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, so wird es Sie viel mehr kosten, Ihren Sohn zurückzuerhalten‹
Gonsalez hielt das Papier gegen das Licht und trug es ans Fenster, um es besser betrachten zu können.
»Ja, ich dachte es mir schon«, sagte er, als er den Brief zurückgab. »Es wird äußerst schwer sein, den Schreiber dieser Zeilen festzustellen. Da nützen die besten Methoden nichts.«
»Ich fürchte, Sie wissen auch keinen Rat.« Die Gräfin schüttelte bedrückt den Kopf, als sich die Freunde erhoben, um sich zu verabschieden.
Sie hatte diese Worte an Manfred gerichtet, aber Gonsalez antwortete ihr.
»Ich kann Ihnen nur raten, Frau Gräfin, sich sofort mit uns in Verbindung zu setzen, wenn Ihr Sohn verschwinden sollte.«
»Mein lieber Manfred, ich bin ganz sicher, daß dieser junge Graf Philipp entführt wird«, sagte Leon, als sie wieder auf der Straße waren. »Ich werde jetzt ein Auto nehmen und in den Außenbezirken Londons nach einer Villa suchen.«
»Ist das dein Ernst?«
»Ich habe noch niemals eine Sache ernster genommen«, erwiderte Leon trocken. »Ich werde zeitig zum Essen zurück sein.«
Aber er kam erst um acht Uhr, eine Stunde später, zur Jermyn Street zurück und eilte in das Wohnzimmer.
»Ich habe –«, begann er. Als er aber Manfreds Gesicht sah, unterbrach er sich sofort. »Haben sie den Jungen schon geraubt?«
Manfred nickte.
»Vor einer Stunde wurde es mir telefonisch mitgeteilt.«
Leon pfiff vor sich hin.
»Das ist allerdings sehr schnell gegangen«, sagte er zu sich selbst. »Wie ist es denn gekommen?«
»Mr. Fare war schon hier. Er ging fort, kurz bevor du kamst. Die Entführung war lächerlich leicht. Gleich nachdem wir das Haus der Gräfin verließen, fuhr die Gouvernante mit dem Jungen im Auto aus. Sie nahmen ihren üblichen Weg durch Hampstead Heath hinaus ins Freie. Gewöhnlich fuhren sie einige Meilen durch die Heide in der Richtung nach Beacon's Hill und kehrten dann um.«
»Daß sie jeden Tag denselben Weg machten, war aber auch heller Wahnsinn ... Entschuldige, daß ich dich unterbrochen habe.«
»Der Wagen der Gräfin wendet immer an derselben Stelle um«, erklärte Manfred, »und diese Tatsache war natürlich den Entführern genau bekannt. Die Straße ist an der Stelle nicht besonders breit, und mit einem großen Rolls Royce dort zu wenden, erfordert schon einiges Hin- und Hermanövrieren. Der Chauffeur war gerade damit beschäftigt, als ein Radler an ihn heranfuhr und ihm eine Pistole unter die Nase hielt. Zu gleicher Zeit erschienen plötzlich von irgendwoher zwei andere Männer, rissen die Tür des Wagens auf, nahmen den Revolver weg, den die Gouvernante bei sich trug, und brachten den schreienden Knaben zu einem anderen Auto. Der Chauffeur der Gräfin hatte den Wagen vorher an der Seite der Straße stehen sehen, aber keinen Verdacht geschöpft.«
»Haben sie die Gesichter der Männer erkennen können?«
Manfred schüttelte den Kopf.
»Sie trugen diese billigen Theaterbärte, die man für wenig Geld in jedem Spielwarenladen kaufen kann. Außerdem hatten sie Autobrillen. Ich wollte gerade zur Gräfin gehen, als du kamst. Wenn du gegessen hast, Leon, wollen wir –«
»Ich esse heute abend nicht«, erwiderte Leon schnell.
Auch Mr.