Gert Podszun

Apostelchips


Скачать книгу

       64

       65

       Impressum neobooks

      Hinführung

      Hinführung

      Es ist hinreichend bekannt, dass Seltene Erden für die High-Tech-Industrie das bedeuten, was Erdöl für die Chemische und Pharmaindustrie bedeutet.

      Die vorhandenen Importzwänge für Seltene Erden – 90 Prozent – lässt die Gefahr einer Monopolisierung am Horizont erscheinen.

      Die zu erwartenden Versorgungsengpässe von bis zu sieben Elementen (Dysprosium, Europium, Lanthan, Neodym, Praseodym, Terbium, Yttrium,) der Seltenen Erden bis 2014 und die derzeit hohen Preise bieten zum ersten Mal den Anreiz, Seltene Erden effizient zu nutzen, sie durch Alternativoptionen zu ersetzen und Recyclingstrukturen in Europa zu schaffen.

      In diesem Spannungsfeld ist der Wirtschaftskrimi „Apostelchips“ entstanden.

      1

      An der Ziegelmasch 1 in Alfeld, zwischen den Abfallcontainern der dortigen Filiale eines Handelsunternehmens gab es kurz vor Arbeitsbeginn einen hellen Aufschrei. Die Filialleiterin hatte gerade geprüft, ob die Container voll waren und ob loses Material neben ihnen lag. Es war sauber. Sie war zufrieden. Bis sie diesen Fund machte. Ein männlicher Körper lag zwischen zwei Containern, ein schmaler Körper, in einen grauen Anzug gehüllt. Dünn, der Mann, dachte sie, als sie die Polizei anrief, um den Fund zu melden. Natürlich habe ich nichts angefasst. Ich werde es auch nicht tun. Ja, ich kann den Bereich absperren. Dann müssen die von der Entsorgung eben später kommen.

      Der Beamte stellte keine weiteren Fragen, er wollte nur sicher gestellt wissen, dass niemand den Bereich betreten würde. Wegen der Spurensicherung. Die Filialleiterin wies umgehend die Mitarbeiter an, das Gelände hinter den Verkaufsräumen bis auf weiteres nicht mehr zu betreten. Sie wunderte sich, dass sie selbst gar nicht mehr aufgeregt war. Sie schaute auf die Autos, die auf der Landstraße, an der die Filiale liegt, vorbeifuhren. Auf der anderen Seite der Landstraße gab es einen Buschstreifen, der die Sicht auf den dahinter liegenden Bach versperrte. Vor diesen Büschen parkten manchmal Kunden. Solche, die es besonders eilig hatten.

      Inzwischen war die Filiale geöffnet. Die ersten Kunden schoben ihre Einkaufswagen in den Verkaufsraum.

      Es ist die Regel, dass bei ungeklärten Todesfällen, das war offenkundig einer, neben allen anderen auch die Kriminalpolizei benachrichtigt wird. Alle Informationen über diesen bislang nicht zu identifizierenden Mann landeten schließlich in dem Dokument, das die zuständige Kommissarin der Mordkommission in die Hände bekam. Maria Fels mochte ihren Nachnamen, weil sie glaubte, dass an diesem Felsen die bösen Dinge des Lebens zerschellen würden. Zerschellen, das war ihr Lieblingswort geworden. So sollte auch in diesem Fall die Unklarheit an ihrer Arbeit zerschellen. Fels verpflichtete sich selbst, indem sie sehr hartnäckig recherchierte und entsprechend auf die Suche ging. Hier zunächst auf die Suche nach der Todesursache. Der Mann, den man hinter diesem Geschäft zwischen den Containern auf dem Boden gefunden hatte, war eigentlich gesund. So der zuständige Arzt. Er konnte auch bis jetzt keine Fremdeinwirkung feststellen. Kein Einstich. Kein Gift. Keine Einnahmen von Drogen. Kein Suchtverdacht. Ein kerngesunder Mann. Maria Fels suchte nach einem Ausweis oder Papieren, die einen Hinweis auf die Adresse oder die Heimat des Mannes geben würden. Ein Toter redet ja nicht. Einen Ausweis schien es nicht zu geben. Die Fotografien der Spurensicherung zeigten unter anderem den Anzug des Toten und das in der Jacke eingenähte Label. Das muss ich vergrößert sehen. Vielleicht ergibt sich da eine Spur. Sie meinte, einen polnischen Namen gefunden zu haben. Wie kann sich ein Mensch ohne Papiere und Ausweis oder Brieftasche in einem fremden Land bewegen? Ich muss der Sache nachgehen. Der ist nicht einfach tot umgefallen. Das verlangt nach einer Klärung. Vielleicht haben die Kollegen etwas übersehen. Hat man die Kleidung, den Stoff des Anzuges, ausführlich untersucht? Ich gehe der Sache nach. Hat man gar kein Mobiltelefon gefunden? Das trägt doch heute jeder. Die Container dürfen nicht abgefahren werden. Vielleicht hat dieser Mann im letzten Moment sein Mobiltelefon weggeworfen oder verloren. Oder man hat ihn bestohlen. Merkwürdig, dass es bis jetzt keine Zeichen von einer körperlichen Auseinandersetzung oder Fremdeinwirkung gab.

      Die Untersuchung vor Ort dauerte wegen der Einbeziehung der Containerinhalte lange. Es war ja denkbar, dass eine fremde Person Gegenstände des Toten dort hätte entsorgen können. Nach dem Abtransport der Leiche wurde die Bekleidung erneut untersucht. In der Sicherheits-Innentasche des Sakkos wurde ein kleines dünnes ledernes Mäppchen in der Größe einer Kreditkarte gefunden. Darin befanden sich Visitenkarten einer polnischen Bank. Narodowy Bank Polski. Der Name des Mitarbeiters der Bank lautete Krysztof Rybinski. Sein Titel war Agent der Bank. Eine Adresse in Deutschland war nicht angegeben.

      Maria Fels gab die Personaldaten an die polnische Bank weiter, um mehr über den Auftrag des gestorbenen Polen zu erfahren. Unmittelbar danach wurde in dem pathologischen Bericht bestätigt, dass der Mann eigentlich kerngesund war. Es gab kein klares Indiz für die Ursache des plötzlichen Todes.

      Wider Erwarten kam die Reaktion von der polnischen Bank in sehr kurzer Zeit. Darin war die Rede von einer Venture Capital Finanzierungshilfe für einen Herrn Stanislaw Kuszynski, der sich an einer Aktiengesellschaft beteiligen wollte. Der zuständige Agent für den deutschen Markt, Herr Rybinski, sei mit der Bearbeitung der Finanzierung beauftragt gewesen.

      Fels studierte die bisherigen Informationen. Ich muss erst wissen, was das für ein Geschäft sein sollte. Die Leiche wird noch nicht freigegeben. In der Pathologie stellte man sich neue Fragen. Warum hatte man die Visitenkarten nicht schon am Fundort entdeckt?

      2

      Harry Steig hatte sich entschlossen, Holz zu hacken. Das tat er immer, wenn er ein Problem zu lösen hatte. Das Problem trug einen Namen: Josephine Li Mei. Es war gerade ein paar Stunden alt. Josephine, Harry duzte sie seit einiger Zeit. Sie war Repräsentantin einer international tätigen Handelsgesellschaft in Konzerngröße, die insbesondere mit hochwertigen Rohstoffen, Edelmetallen und Seltenen Erden handelte. Seine Firma kaufte seit Jahren bei diesem Konzern ein. Josephine hatte ihn am Vormittag besucht und mitgeteilt, dass die Lieferkonditionen für Seltene Erden sich ändern würden, die Preise also erhöht würden.

      Harry erinnerte sich. Er kannte sie seit einigen Jahren. Die von ihr genannten Einkaufskonditionen waren über lange Zeit ziemlich konstant und akzeptabel. Er hatte Li Mei vom ersten Moment an in sehr angenehmer Erinnerung. Spontan hatte er sie wenig später bei einem ihrer dienstlichen Besuche zu einem gemeinsamen Abendessen eingeladen. Sie hatten dann des Öfteren im Kastens Hotel Luisenhof gemeinsam übernachtet. Harry hatte sich erlaubt, dort das Turmzimmer für gemeinsame Nächte zu buchen. Er hatte den Eindruck, dass Josephine diese Tage und Nächte immer über die Maßen genoss. Er sah darin zwar keine Garantie für die Stabilität der Konditionen, hoffte es aber insgeheim. Es war eine Verquickung von Geschäft und Gefühl. Nun hatte sie ihm quasi gekündigt. Sie gab vor, keine Chancen mehr zu haben, die Konditionen zu halten. Eine Konzernanweisung. Das war ihre einzige Erklärung.

      Harry war zwiefach enttäuscht. Er überlegte, ob er das Turmzimmer für den heutigen Tag stornieren sollte. Oder sollte er es nicht tun? Souverän sein? Was würde Josephine denken und fühlen? Sie würde doch denken, dass er nur wegen seiner Firma und der Einkaufskonditionen mit ihr zusammen gewesen war. Das könnte sogar noch Folgen haben für die nächsten Vertragsverhandlungen. Zudem hatte er ihr viele Firmeninterna erzählt. Sie war unter anderem im Besitz eines vollständigen Organigramms. So kannte sie alle wichtigen Mitarbeiter. Er musste das Problem lösen. Das konnte er am besten beim Hacken von Holz.

      Er liebte dieses Spaltgeräusch und den danach kurz aufsteigenden Duft des Holzes, welcher ziemlich schnell verflog.

      Er konnte