Tuja Tiira

ABBSD


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war es Zeit zum Schlafen. Alles war still, dunkel und leer. Unruhe erfasste mich und ich fühlte mein Herz rasen. Ich habe Angst und fühle mich allein in dunklen Wohnungen unsicher – und dies war ein ganzes Haus. Ich sah vorsichtshalber in allen Zimmern nach, ob sich nirgends etwas versteckt hatte, dann ging ich in mein Zimmer, verschloss sorgfältig die Tür und stellte einen Stuhl davor. Nachdem ich unter alle Tische und in alle Ecken geschaut hatte, war ich schon ruhiger. Ich legte mich in mein neues Bett, löschte das Licht und versuchte einzuschlafen. Zum Glück war die Nacht hell genug, ich konnte alle Umrisse erkennen und sicherstellen, das sich nichts Ungewöhnliches im Zimmer befand. Doch dann nahm die Unruhe wieder zu. Ich würde nochmal alle dunklen Plätze im Zimmer überprüfen, schließlich tat ich niemandem damit weh.

      Ich schaute gerade unter dem Bett nach, als eine Hand leicht zitternd meine Schulter berührte: "Was machst du da?", die Stimme einer jungen Frau direkt hinter mir. "Aaah!" Ich zuckte zusammen. Einen Augenblick lang krampfte sich mein Körper zusammen wie der eines ängstlichen Kaninchens.

      "Entschuldigung, habe ich dich erschreckt? Das wollte ich nicht." Die Tür des Kleiderschranks hinter mir hatte sich geöffnet und eine Frau in meinem Alter schaute mich mit großen Augen an. Ihr Blick wirkte unsicher und furchtsam. "Es tut mit leid."

      "Ist schon okay." Ich konnte bei ihrem hilflosen Anblick nicht anders, als sie zu beruhigen. Meine Stimme funktionierte fast automatisch.

      "Wirklich?" Das Gesicht der Unbekannten hellte sich auf. Dann blickte sie unter das Bett. "Was suchst du unter dem Bett? Hast du Angst? Glaubst du, dass irgendwelche dunklen Schatten sich dort verkrochen haben? Ich finde Dunkelheit auch unheimlich."

      "Was geht dich das an?" Ich rückte ein Stück weg vom Kleiderschrank und vergrößerte die Distanz zu der Unbekannten. "Es ist nicht die Dunkelheit, ich fühle mich im Schlaf nur ausgeliefert und kann halt besser einschlafen, wenn ich vorher überall nachschaue, dass dort nichts Bedrohliches ist, besser als stundenlang wach zu liegen und auf verdächtige Geräusche zu horchen." Ich spürte, dass ich rot wurde, meine Angst war mir peinlich.

      Die Unbekannte nickte. "Im Kleiderschrank war es auch fürchterlich dunkel. Wieso hast du dort nicht nachgeschaut?"

      "Das habe ich vergessen." Wieso beantwortete ich die Fragen der Unbekannten? Sie schien nicht gefährlich zu sein und dies war meine Wohnung. Ich sollte die Fragen stellen. "Wer bist du?"

      "Die Information ist gesperrt."

      "Was soll das heißen? Du bist hier eingedrungen. Und wieso hast du meinen Trainingsanzug an? Du hast ihn außerdem verkehrt herum angezogen."

      "Oh, das wusste ich nicht," sie sah zu Boden und zupfte unsicher am Trainingsanzug, "wie zieht man ihn richtig an? Ich habe vorher noch nie solche Kleidung getragen. Kannst du mir das zeigen?"

      "Wieso sollte ich das tun?"

      "Für eine Beantwortung fehlen mir Informationen. Könntest du deine Frage spezifizieren?" Sie schien mich nicht verstanden zu haben.

      "Was machst du in meinem Kleiderschrank?"

      "Du hast mich eingeladen."

      "Wann?"

      "Auf deinem Internetforum ABBSD, du hast geschrieben, dass du umziehst und viel Platz hast und, falls eine Außerirdische eine Unterbringung sucht, könne sie gerne in deinem Kleiderschrank einziehen. Aber der Schrank ist sehr dunkel." Sie kroch aus dem Schrank und blieb davor sitzen, wieder blickte sie schüchtern zu Boden.

      Das stimmte. Ich hatte, kurz bevor ich mein Internet-Forum vor meinem Umzug endgültig geschlossen hatte, noch diesen Satz geschrieben, als letzten Gruß. Ich dachte zurück: ABBSD, 'All Big Brothers Shall Die', mein Internet-Forum hatte ich fünf Jahre zuvor gegründet, ein Forum für alle, die unter großen Brüdern litten und ihrer Wut eine Stimme geben wollten. Über Jahre war es für mich fast eine Art Tagebuchersatz. Hier hatte ich alles mit anderen teilen können, die vergleichbare Erfahrungen hatten. Doch dieses Forum war Vergangenheit, das hatte ich zumindest gedacht, genau wie große Brüder. Ich wandte mich wieder der Unbekannten zu. "Wie hast du mich gefunden? Wie bist du hier herein gekommen?"

      "Teleportation, ich habe nur den Kleiderschrank leicht verfehlt und dein Regal umgerissen. Das wollte ich nicht," sie schluckte und fuhr unsicher mit ihrer Hand über die Holzdielen, "ich hoffe, du hattest nicht zu viel Mühe damit, es wieder aufzurichten?"

      "Du warst das?" Ich ließ mich diesmal nicht von ihrer Hilflosigkeit beeindrucken, obwohl mir das schwer fiel. "Wo warst du dann die ganze Zeit?"

      "Hier."

      "Im Kleiderschrank?"

      Intensives Nicken. "Ich bin in den Ruhemodus gewechselt. Trotzdem war es dunkel und bedrückend. Und ich habe Hunger." Sie ließ den Kopf hängen.

      "Das soll ich dir glauben?"

      "Wieso sollte ich lügen?" Sie blickte mich überrascht an. "Ich habe wirklich Hunger."

      "Nein, das meine ich nicht." Ich betrachtete sie genauer. Sie hatte blaue, glatte halblange Haare und eine Frisur, die keinen Aufwand erforderte. Am auffälligsten waren ihre dunkelblauen, beinahe nachtschwarzen Augen. Sie war schlank, etwas kleiner als ich und versank fast in meinem Trainingsanzug, nur im Brustbereich spannte er etwas. Meine Figur wirkte im Vergleich zu ihr jungenhafter, doch das hatte mich nie gestört und machte es für mich einfacher, aufdringlichen Blicken von Männern auszuweichen. Sie sah mich an. Insgesamt sah sie eher unauffällig aus, bis auf die blau gefärbten Haare wirkte nichts an ihr ungewöhnlich. "Wieso sollte ich dir glauben, dass du eine Außerirdische bist?"

      "Ich bin eine." Wieder blickte sie mich mit ihren dunklen großen Augen an, dann zog sie sich zusammen und wandte sich ab. "Du glaubst, dass ich lüge?"

      "Nein, ich weiß nicht." Ich wollte sie nicht verletzen. "Wieso bist du hier?"

      "Ich suche den Sinn des Lebens und," sie zögerte, ihre Stimme zitterte leicht und wurde leise, "die Liebe, wirkliche Liebe. Ihr sagt soviel darüber in Filmen und Büchern, ich möchte das auch erleben."

      "Wirkliche Liebe?" Die Überraschung musste mir anzusehen sein.

      "Ja, kannst du sie mir zeigen?"

      "Ich weiß nicht, ob ich die richtige dafür bin. Weshalb suchst du sie?" Wieso kam sie damit zu mir? Dafür war ich nicht zuständig.

      "Sie scheint Menschen glücklich zu machen und ihrem Leben einen Sinn zu geben." Sie senkte ihren Blick, zog ihre Schultern zusammen und schlang die Arme um sich. Wieder wurde ihre Stimme leise. "Ich will auch glücklich sein."

      Ich setzte mich neben sie, "Liebe kann sicher schön sein, theoretisch, obwohl ich das nicht genau weiß, ich bin da zumindest nicht die richtige Ansprechpartnerin, nur den Sinn deines Lebens solltest du für dich selbst finden." Wir saßen nun beide mit dem Rücken an die Schranktür gelehnt, ohne uns zu berühren. Ich sah sie nicht an. "Andere für dein Glück verantwortlich zu machen, halte ich für falsch. Ich glaube nicht, dass es gut ist, das zu vermischen. Menschen, die du liebst, für deine Sinngebung zu benutzen, führt nur dazu, dass du die Liebe verlierst."

      "Wieso?" Ihre Stimme klang leise und unsicher. Als ich mich zu ihr umwandte, blickten mich wieder ihre großen Augen an.

      Ich wich ihrem Blick aus und stand auf. "Wirkliche Liebe bedeutet für mich, Menschen ihre Freiheit zu lassen, sich auch für Dinge zu entscheiden, die ich für falsch halte. Falls du erwartest, dass sie deinem Leben Sinn gibt, wird dir das schwerfallen."

      Einen Augenblick lang herrschte Stille. Sie sah nachdenklich ins Dunkel. Dann stand sie auch auf, ihr schien etwas einzufallen, sie kam auf mich zu und verbeugte sich tief. "Entschuldigung, ich habe vergessen mich vorzustellen, mein Name ist Nia Taira. Es ist mir eine Ehre, dich kennenzulernen." Sie sah mich unsicher an. "Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass ich dich mit du anrede? Im Onlineforum haben wir uns immer geduzt."

      Sie