Andreas Zenner

Heiße Tage - liebestolle Nächte


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mir nicht mehr aus dem Kopf.“

      „Wie schmeichelhaft. Was findest du denn so besonders an mir, dass du mir nachstellst?“

      „Darüber habe ich noch nicht nachgedacht, ehrlich. Vielleicht ist es deine ungezwungene Art auf die Menschen zuzugehen. Deine ansteckende Fröhlichkeit, dein offenes Wesen.“

      „Klingt komisch. So ein Kompliment hat mir noch keiner gemacht. Sonst betonen alle meine körperlichen Vorzüge. Dabei weiß ich, sie wollen nur mit mir in die Kiste hüpfen. Du scheinst anders zu sein, schwer einzuordnen.“ Sie legte ihre Stirn in Falten. „Scheinst dich tatsächlich für mich zu interessieren, nicht nur für meinen Busen.“

      „Das tue ich, hätte ich sonst so lange nach dir gesucht.“

      Wir standen vor dem Kaffee, suchten uns einen Platz an einem der geflochtenen Bistrotische, die dicht gedrängt an der Hauswand in der Sonne standen. Die Bedienung, wohl Studentin, schlurfte aus dem Laden.

      „Hey Tiffy“, begrüßte sie uns. „Einen Chai wie immer?“

      „Logo.“

      „Und was trinkt dein Begleiter?“

      „Ich probiere auch einen Chai-Tee.“

      „Also zwei Chai, kommt sofort.“

      „Tiffy, was für ein hübscher Name“, schmeichelte ich ihr. „Passt zu dir.“

      „Eigentlich Tiffany. Mein Vater, unbekannterweise, war ein Fan von Audrey Hepburn, erzählt wenigstens meine Mutter. Du weißt schon, der Film, wo sie ihre Leberkäsesemmel vor dem Schaufenster des Juweliergeschäfts mampft und dabei die kostbaren Klunker beguckt.“

      „Moonriver“, summte ich. „War auch einer meiner Lieblingsfilme. Die Single mit dem Song war eine der ersten Platten, die ich mir von meinem Taschengeld gekauft habe. Steht heute noch in meinem Schrank.“

      „Alle nennen mich Tiffy, klingt flotter, frecher. Ich habe mich daran gewöhnt. Zuerst fand ich den Namen affektiert. Jetzt gefällt er mir ganz gut.“

      „Ich finde er passt zu dir.“

      „Ich hasse Schmeichler.“

      Mir blieb buchstäblich das Wort im Halse stecken. Eine so direkte Ansprache bin ich nicht gewöhnt, zumal meine Mandanten es nicht wagen mir zu widersprechen. Einer der wenigen Vorteile meines Berufes. Die Bedienung stellte den dampfenden Chai-Tee vor uns auf den Tisch und es entstand eine kleine unangenehme Pause, in der wir verlegen umrührten und über den heißen Tee bliesen. Irgendwo läutete gedämpft ein Handy in meiner Nähe. Ich beobachte die Menschen genau, wenn der Klingelton ertönt. Die Hälfte von ihnen greift verstohlen in ihre Tasche und kontrolliert, ob der Anruf nicht doch für sie sei, selbst wenn sie ihren Klingelton kennen müssten. Handys sind die Tamagotchis der Generation X, dachte ich. In unserer Nähe saß niemand. Tiffy griff in einen ihren Wildlederstiefel und fischte ein Telefon heraus. Sie meldete sich, machte das Gespräch so kurz wie möglich. War wohl irgendein belangloses Blabla, wie meist in den Zeiten der grenzenlosen Telefonfreiheit. Jeder teilt heute mit jedem seine armseligen Erlebnisse und das meist so laut, dass die Umstehenden gar nicht anders können als am Gespräch teilzuhaben. Handyverschmutzung nenne ich das.

      „Entschuldige“, murmelte sie, „war nichts Wichtiges.“ Sie schob das Handy wieder in ihren Stiefel. Ein merkwürdiger Aufbewahrungsort überlegte ich, das muss doch drücken.

      „Ich wollte dich nicht anmachen“, nahm ich das Gespräch wieder auf.

      „Lügner, ich sehe es an deinen Augen.“

      Ein kleiner Ärger kroch in mir hoch. Ich bin es nicht gewöhnt mit Menschen umzugehen, die so radikal ehrlich sind. Besonders nicht in meinem Beruf, wo Verstellung zum Geschäft gehört.

      „Habe ich dich verletzt?“

      „Nein, nein“, log ich sie an.

      „Schon wieder nicht ehrlich“, stellte sie fest. „So wird das nichts mit uns.“

      Konnte sie in mein Herz sehen, meine Gedanken lesen?

      „Wenn du mit mir befreundet sein willst, und ich denke das ist der Zweck deiner Suche, musst du ehrlich mit mir sein. Keine Spielchen, ich bin schließlich kein Teenager mehr.“

      „Was soll ich dazu sagen?“

      „Ehrlichkeit muss man sich leisten können. Wer tagein, tagaus vor seinem Chef buckelt, hat das verlernt. Mit so jemandem kann ich nichts anfangen.“

      Wie wahr. Ihre Einsicht verblüffte mich. Fand ich sie zuerst nur körperlich anziehend, so machte sie mich jetzt neugierig. Sollte ich in einem blutjungen Mädchen eine geistig ebenbürtige Gegenspielerin gefunden haben? Die Sonne schien mir warm auf den Rücken, trotzdem fühlte ich mich nicht recht wohl. Auf was hatte ich mich da eingelassen? Nach einem schnellen Fick sah das nicht aus. Unauffällig brachte ich das Gespräch auf die Malerei. Ein, wie mir schien, Feld mit weniger Fußangeln. Ich fragte sie nach ihren Fortschritten in der Malschule und sie zeigte mir bereitwillig ihre Skizzen, die sie in der Mappe mit sich führte. Nicht untalentiert, dachte ich, aber schroff und aggressiv, wie ein Frontalangriff auf meine kleinbürgerliche Seele. Wir rückten dichter zusammen, so eng, dass ich den Sommer in ihren Haaren erschnuppern konnte. Wie ein Hauch grüne Limonen, wenigstens schien es mir so. Wie versehentlich legte ich meine Hand auf die ihre. Ihre gebräunte Haut war mit roten und grünen, blauen und gelben Farbspritzern gesprenkelt. Sie ließ mich gewähren, maß mich jedoch mit einem schnellen, strafenden Blick von der Seite. Erschrocken zog ich meine Hand zurück. Die Teegläser leerten sich und ich überlegte fieberhaft wie ich unser Treffen unauffällig verlängern könnte. Wir waren beide unschlüssig, richtiggehend verlegen. Ich empfand wie ein Schuljunge beim ersten Rendezvous mit der aus der Ferne Angebeteten und staunte darüber.

      „Was willst du von mir“, sprach sie mich unvermittelt in ihrer direkten Art an. Sollte ich mit der Tür ins Haus fallen, ihr beichten, dass ich mit ihr schlafen wollte? Doch unverblümt meine Sehnsüchte auszusprechen, dazu fehlte mir der Mut. Auf offener Straße eine gescheuert zu bekommen, die Vorstellung schreckte mich. Sie schien meine Gedanken zu erraten, sagte aber diesmal nichts.

      „Fürs erste würde mir deine Telefonnummer genügen“, wich ich aus.

      „Die Nummer allein nützt dir nichts. Du meinst, ob ich etwas dagegen hätte, wenn du mich mal anrufst.“

      „Exakt.“

      Sie forderte mich, spielte Katz und Maus mit meinen Gefühlen und ich konnte mich, hilflos wie ich war, nicht dagegen wehren.

      „Du siehst irgendwie verhungert aus, seelisch, meine ich.“

      Woher wusste sie das?

      „Darüber mag ich nicht reden.“

      „Musst du nicht, so was spüre ich.“

      Ich kam mir nackt vor unter ihrem Röntgenblick. Ein gefährliches Spiel, auf das ich mich da einließ. Doch gerade das machte seinen Reiz aus. Bei manchen Frauen kann ich mir gar nicht vorstellen, dass sie je in ihrem Leben Sex gehabt hätten. Anderen wiederum sieht man ihre Erfahrungen an. Da spielt ein bestimmtes Lächeln um ihre Lippen und ein verstehendes Glitzern blitzt in ihren Augen. Tiffy gehörte zu letzterer Kategorie. Noch dachte ich, ich hätte die Partie unter Kontrolle. Sie kramte in ihrem Umhängebeutel und fischte einen korallenroten Lippenstift heraus. Mit schwungvollen Ziffern malte sie ihre Nummer auf eine Serviette. Wie einen kostbaren Schatz barg ich den Zettel in der Brusttasche meines Sakkos. Mein Herz schlug einen Salto.

      „Danke“, flüsterte ich, „danke.“

      Ein wissendes Lächeln spielte um ihren Mund, machte mich unsicher und verlegen. Die Bedienung beäugte uns misstrauisch durch die Schaufensterscheibe. Zu lange schon saßen wir vor unseren leeren Gläsern.

      „Willst du noch etwas trinken?“

      Tiffy schüttelte den Kopf. Ich winkte der Kellnerin und bezahlte. Sie ließ es widerspruchslos geschehen, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt. Wahrscheinlich wird sie