Hendrik Asten

Nicht gleich aufessen!


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ist unromantisch.“

      „Sie meinen, ich hätte besser Gedichte schreiben sollen?“

      „Sie scherzen.“

      „Wie kämpfen Sie?“, wollte Berger wissen.

      „Am liebsten würde ich ihm eine knallen.“

      „Warum tun Sie es nicht? Wenn Sie die Frau wirklich lieben, ist es schließlich egal, ob er stärker ist, es kommt auf Ihren Einsatz an, nicht auf den Erfolg.“

      Der junge Mann schwieg eine Zeit lang, wirkte nachdenklich. „Ich glaube, ich muss sie anders überzeugen.“

      „Schreiben Sie auch?“, fragte Berger.

      „Ja, aber bei Ihnen hat es doch auch nicht funktioniert, die Frau zu halten.“

      „Diese Frau nicht.“

      „Ich will nur die eine. Sind Sie eigentlich momentan glücklich?“, fragte der junge Mann.

      „Ich weiß nicht, ich glaube nicht. Mich hat ja auch eine Frau enttäuscht.“

      „Wie gesagt, die Homosexuellen haben es da vielleicht leichter.“

      „Wie alt ist ihre Freundin, wie alt sind Sie?“, wollte Berger wissen.

      „Sie 23, ich 26.“

      „Meine Güte und da fällt Ihnen nichts ein? Sehen Sie mich an. In meinem Alter kann ich mir vielleicht erlauben, das Schlachtfeld auf den Schreibtisch zu konzentrieren. Aber Sie? Leben Sie! Machen Sie ihr einen Antrag, holen Sie ihr die Sterne vom Himmel, schicken Sie ihr Blumen, schenken Sie ihr eine Reise, machen Sie etwas Verrücktes oder warten Tag und Nacht vor ihrer Wohnungstür! Geben Sie eine Anzeige auf, gestalten Sie ein Plakat in ihrer Straße, an dem sie jeden Tag vorbei muss.“

      „Haben Sie das auch gemacht und trotzdem?“

      „Ja früher habe ich das gemacht. Ich habe es gemacht!“

      „Und jetzt? Wirklich zu alt, für so etwas? Wenn Sie wollten, könnten Sie.“

      Beide blickten sich schweigend an. Berger spürte eine lange nicht gekannte Energie, er dachte an Debra und wusste plötzlich, dass er sie nicht nur als Romanfigur wollte, er begehrte sie. Der junge Mann merkte, dass auch er bei dem Älteren etwas ins Rollen gebracht hatte. Beide lachten plötzlich lauthals und fielen sich in die Arme. Die Tür ging wieder auf und die junge Frau von blickte die beiden Männer verwundert an. Berger ging einen Schritt zurück und forderte sie auf, näher zu kommen.

      „Hören Sie, wenn Sie ihn nicht lieben, machen Sie einen großen Fehler. Er ist wunderbar!“

      Verdattert blickte die junge Frau hin und her.

      „Gehen Sie zu ihm, bevor er sich es anders überlegt", sagte Berger und eilte hinaus, ohne sich noch einmal umzublicken.

      Initiative

      Debras Adresse hatte er schnell ausfindig gemacht. Sie wohnte in der zweiten Etage, Berger sah Licht und klingelte.

      „Was machst du denn hier? Kannst du nicht vorher Bescheid sagen? Oh, im Moment passt es mir gar nicht“, und noch einige Varianten malte sich Berger aus, wie sie ihn empfangen würde.

      „Bernhard! Was für eine Überraschung!“ Debra hielt in einer Hand ein Handtuch und rieb sich über die nassen Haare, die ihr zum Teil ins Gesicht hingen und ein Auge verdeckten. Mit der anderen Hand schob sie die Haarsträhnen beiseite, als wollte sie sicher sein, wirklich richtig zu sehen. Sie trug ein einfaches T-Shirt und Jeans. „Bernhard?“, fragte sie etwas irritiert und kniff dabei prüfend die Augen zusammen, weil Berger nichts sagte.

      Ja richtig, Berger hatte noch nichts gesagt, alleine, weil ihm zu viele Formulierungen durch den Kopf gingen und er sich nicht entscheiden konnte. Er atmete erst einmal tief durch. „Ich war zufällig bei Bekannten in der Gegend und dachte, ich schau mal vorbei. Wenn es dich nicht stört, meine ich.“

      „Entschuldige, aber wie du siehst, habe ich mir gerade die Haare gewaschen. Komm doch rein und setz dich, ich bin gleich fertig.“

      Sie lächelte ihn an, als freue sie sich über seinen Besuch. Oder war es lediglich eine Geste der Höflichkeit? Sie bot ihm etwas zu trinken an – er entschied sich für Wasser – und zog sich zum Haare trocknen zurück.

      Berger blickte sich um. Schon im Flur hatte er bemerkt, dass Debras Einrichtungsstil aus einer Mischung von auserlesenen Antik- und Designermöbeln bestand. An den Wänden hingen einige farbkräftige Formspielereien, nichts Gegenständliches. Er entdeckte Liebe zum Detail, aber auch etliche Unordnung in Form von Zeitschriften- und Briefstapeln, herumliegenden halb- oder angelesenen Büchern und Wäschestücken.

      „Ich habe keinen Besuch erwartet und deswegen sieht es ziemlich chaotisch aus“, hörte er sie aus dem Badezimmer rufen.

      „Bei mir ist es nicht anders.“

      Bei den Büchern handelte es sich meist um cineastische Literatur und um einige historische Stoffe. Wieder mal las er sich fest und erschrak fast, als er ein Türenschlagen hörte. Es klang nach der Wohnungstür, und kurze Zeit später vernahm er Schritte aus dem Treppenhaus.

      „Debra?“, rief er.

      „Ja!“

      „Bist du noch da?“

      „Es dauert nicht mehr lange.“

      Er ging zum Fenster, blickte auf die Straße und sah einen Mann das Haus verlassen, den er jedoch nicht eindeutig erkennen konnte.

      Plötzlich hörte er Debra. „Warum entschuldigt man sich eigentlich, wenn man jemand unfrisiert gegenübersteht? Im Schwimmbad macht es einem nichts aus. Wahrscheinlich hat man Angst vor der ungeschminkten Wahrheit. Ohne Styling ist man auf sich selbst zurückgeworfen und verlässt die Rolle, die man zu spielen gewohnt ist.“

      „Vor einigen Jahrhunderten verlangten die Gesellschaften noch wesentlich mehr Styling oder Präsentation.“

      „Es wird wieder schlimmer, wie ich das hasse!“, erregte sich Debra.

      „Dabei …“

      „Was?“

      „Du brauchst dir eigentlich keine Gedanken zu machen.“

      Sie lächelte und trat weiter ins Licht und er erkannte erst jetzt, dass sie einen neuen Haarschnitt hatte, der ihr Gesicht ein wenig härter wirken ließ, die Seiten sehr kurz, das Deckhaar fast unverändert. Sie schenkte sich etwas ein und setzte sich ihm gegenüber. „So, jetzt bin ich für dich da!“

      „Ein neuer Haarschnitt?“

      „Wie findest du ihn?“

      „Es betont eine andere Seite von dir.“

      „Welche?“

      „Du wirkst etwas strenger. Aber es steht dir.“

      „Wirklich? Nicht zu hart?“

      „Nein, eigentlich nicht.“

      „Du bist vorsichtig in deinem Urteil.“

      „Ich kenne dich noch nicht sehr gut.“

      „Noch nicht?“, fragte sie nach.

      „Hat da eigentlich gerade jemand die Wohnung verlassen?“

      „Möglich. Ich war im Bad.“

      „Das heißt, du wohnst nicht alleine hier?“

      „Wird das ein Verhör?“

      „Nein, nein, ich wollte nur wissen, ob ich richtig gehört habe.“

      „Manchmal geht er, ohne sich zu verabschieden. Vor allem, wenn er vorher geschlafen hat. Dann ist er ziemlich mürrisch.“

      Berger