Hendrik Asten

Nicht gleich aufessen!


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      „Du weißt doch, was ich davon halte. Es ist nicht verfilmbar und wir hätten nur an einer Figur Interesse.“

      „Was heißt das?“

      „Na ja, wenn du Leon das ganze Buch verkaufst, können wir es vergessen. Aber du hast das Angebot ja zurückgezogen. Warum hast du es überhaupt gemacht?“

      Berger ärgerte sich zwar, so schnell auf die Arbeitsebene gewechselt zu haben, andererseits brachte ihm das ein wenig emotionale Entspannung in Bezug zu ihr. „Es war einfach eine spontane Idee, nicht ernst gemeint. Ich wollte nur wissen, was jemand aus der Filmbranche dazu sagt.“

      „Gut, dass glaube ich dir. Wie können wir ins Geschäft kommen?“

      „Eine Figur gegen eine andere!“

      „Wie meinst du das?“

      „Du gegen die Figur Hannes Schott!“

      „Hm?“

      „In meinem neuen Buch kommt eine Frau vor, für die du das ideale Vorbild bist. Erzähl mir von dir, damit ich ihren Charakter vervollständigen kann und du bekommst Schott dafür.“

      „Jetzt verstehe ich.“ Debra stand auf und ging zum Fenster. „Aber der Handel ist nicht gerecht: Schott ist eine Fiktion und ich bin real.“

      „Für mich, jedenfalls für meinen Roman, macht das keinen Unterschied.“

      „Ich bin also für dich die Vorlage für eine Romanfigur?“

      Berger erhob sich und näherte sich ihr, bis er ihren Duft wahrnahm, Ingredienzien aus Cremes, Seifen und vor allem den ihres eigenen Körpers, ihres Schweißes. Er trat hinter sie und fasste mit beiden Händen um ihre Schultern, sie zuckte leicht zusammen, er ließ die Hände sanft herab gleiten, streichelte ihren Rücken und führte die Hände dann nach vorne auf ihren Bauch. Dann bewegte er sie langsam nach oben bis zum Ansatz ihrer Brüste.

      Sie drehte sich entschlossen um und blickte ihn energisch an. „So das reicht! Dafür, dass du in mir nur eine Vorlage siehst, ist das wohl genug. Den Rest kannst du dir in Worten ausmalen.“

      „Das kann der Autor, aber der Mann Berger hat noch andere Interessen.“

      „Ich bin mir nicht sicher, ob du das unterscheiden kannst, solltest du aber.“

      „Vielleicht hast du recht!“

      „Zu deinem Angebot: Machen wir einen Termin? Wie willst du vorgehen? Nimmst du alles auf Tonband auf? Stellst du Fragen oder gibst du Stichworte? Wie lange wird eine Sitzung dauern?“

      Berger ging wie ein geprügelter Hund zum Tisch, auf dem sein Glas stand und nahm einen Schluck. „Entschuldige, ich wollte dir nicht zu nahe treten.“

      „Indem du mich angefasst hast, bist du mir nicht zu nahe getreten. Wärest du kein Autor, hätte ich mich vielleicht sogar darauf eingelassen. Aber du willst keinen Spaß, sondern viel mehr von mir. Vielleicht muss ich dir Dinge erzählen, die ich noch nie jemandem erzählt habe.“

      Berger verstand sein Dilemma: Er konnte nicht beides haben, jedenfalls nicht zur gleichen Zeit. Und Debra hatte recht: Hätten sie miteinander geschlafen, wäre es etwas anderes, sie zu befragen. Die Intimität würde vieles verdecken, in ein anderes Licht rücken. „Aber die Frau, über die ich schreibe, war einmal mit dem fiktiven Autor liiert. Sie haben eine gemeinsame intime Erfahrung.“

      „Aber es ist nicht deine Erfahrung, es ist deine Phantasie. Ich werde dir meine Erlebnisse mit einem Autor schildern und du kannst darüber schreiben, aber ich werde nicht mit dir schlafen, damit du darüber schreiben kannst. Denn dann würdest du nicht meine, sondern deine Sicht schildern. Also, wie entscheidest du dich?“

      Hatte er eine Alternative? Sie hatten zulange über das gesprochen, was er vielleicht wirklich gewollt hatte und es damit unmöglich gemacht. Insgeheim bewunderte Berger Debra für ihre Beurteilung der Situation und ruderte zurück. „Machen wir einen Termin!“

      Weiterschreiben

       Jeanne begrüßte Merten als hätten sie sich am Vortag das letzte Mal gesehen. Sie musterte ihn dann gründlich und urteilte mit einem Kopfschütteln, dessen Bedeutung sich Merten nicht gleich erschloss. Aus seiner Sicht hatte sie sich kaum verändert, eine andere Frisur, einige kleine Fältchen im Gesicht – an die er sich jedenfalls nicht erinnern konnte. Erst später, als sie beim Essen die Haare zurückstrich, bemerkte er die kleine Narbe an der linken Schläfe. Er fuhr behutsam mit dem Finger darüber und fragte sie, was passiert sei.

      „Das stammt aus einer Zeit, die nicht sehr angenehm war. Vielleicht erzähle ich dir später davon. Lass uns jetzt deinen Erfolg feiern und es uns richtig gut gehen lassen. Wie viel verdienst du? Erzähl! Was können wir uns jetzt leisten? Wollen wir uns nicht eine größere Wohnung suchen oder ein Haus?“

       Merten schluckte, konnte nicht glauben, was er gehört hatte. Er hatte sich zwar nach Jeanne gesehnt, aber das ging ihm dann doch zu schnell. „Du weißt wie das ist, es dauert lange bis ein neues Buch fertig ist und die Kosten laufen weiter.“

      „Willst du jetzt den Schwanz einziehen, mit dem du so lange gewedelt hast? Ich habe dein Buch gelesen und du hast mich darin so oft gevögelt, dass ich vom Lesen Schmerzen bekommen habe und jetzt redest du von Unkosten und willst keine Konsequenzen tragen? Ohne mich wärst du nicht da, wo du heute bist.“

      „Jeanne, wir haben uns lange nicht gesehen und wir können nicht gleich da anknüpfen, wo wir aufgehört haben. Was erwartest du? Ich brauche ein wenig Zeit.“

      „Zeit? War ich nicht lange genug weg, damit du dir wirklich klar werden konntest, was du von mir willst?“

       Merten wusste, dass es stimmte. Er hatte ihr in seinem Buch ohne Umschweife seitenlange Liebeserklärungen gemacht und jetzt, da sie ihm gegenüber saß, hatte er nicht den Mumm, dazu zu stehen.

      Debra

      „Ich rief ihn in die Umkleidekabine und gab vor, er solle das Oberteil begutachten. Ich zog den Vorhang zu und das Oberteil wieder aus. Da er nicht gleich wusste, auf was ich hinauswollte, nahm ich seine Hände und legte sie auf meine Brüste. Er verstand und es dauerte nicht lange bis wir auf dem Boden der Umkleide lagen und bald schweißüberströmt waren. Gerade als wir die Stellung wechselten und ich mich hinkniete, damit er es mir von hinten besorgen konnte, öffnete jemand den Vorhang. David hatte das gar nicht mitbekommen und machte einfach weiter, aber ich lächelte die ältere Frau an, deren Gesichtsausdruck daraufhin von entsetzt zu mitleidig bis anteilnehmend wechselte. Ich bin ihr bis heute dankbar, dass sie dann lauthals verkündete: ‚Dat is hier `ne schwierige Anprobe. Dat kann dauern‘.“

      Auch Berger – bislang eher distanziert – lachte an dieser Stelle genau wie Debra.

      Dies war nur eine von ihren Storys, die ein breites Spektrum erotischer Spielarten abdeckten. Keineswegs war es so, dass er sie gebeten hatte, sexuelle Eskapaden zu berichten – er hatte sie sich in dieser Hinsicht eher zurückhaltend vorgestellt, denn sie wirkte mitunter ein wenig schüchtern und in der Kombination mit ihrer verbindlichen Freundlichkeit nahezu unberührbar. Aber vielleicht kehrte sie gerade deshalb ihre andere, wilde Seite heraus, weil sie spürte, welch ein falsches Bild er sich von ihr machte.

      „Schockiert es dich?“

      „Zugegeben, zunächst war ich etwas baff.“

      „Hast du geglaubt eine 35jährige sei noch Jungfrau?“

      „Nein, aber ich hätte deinen Sex als eher konventionell eingestuft.“

      „Einmal die Woche bei Kerzenschein und Schmusemusik?“

      „Vielleicht.“

      „Männer dürfen ihre Phantasien ausleben, Frauen nicht?“

      „Natürlich