Friedrich von Bonin

ZwischenWelten


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weiter die Oder aufwärts, bis sie am dritten Tag von weitem die Rauchsäulen sahen. Dörfer waren es, die da brannten, erklärte Karl ihm, die Mansfelder hatten sie wohl erst geplündert und dann angezündet.

      „So sind die Leute hier wohl katholisch?“, fragte Hans.

      „Danach fragen wir nicht“, lachte Karl roh, „wir müssen uns ernähren, unser Kommandant hat uns schon ein paar Monate unseren Sold nicht ausgezahlt. Wir sollen uns aus dem Land holen, was wir brauchen, und genau das tun wir eben.“ Karl zwinkerte Hans zu.

      „Du wirst auch schon noch merken, dass das für uns sogar besser ist. In den Dörfern gibt es einiges zu holen, und damit meine ich nicht nur Getreide, Schinken und Milch. Auch Mädchen haben sie hier, allerliebste Dinger. Im letzten Dorf habe ich eine gehabt, wie Milch und Honig, sage ich dir.“

      Hans wurde es auf einmal schlecht. „Und wo ist sie jetzt?“, fragte er erstickt.

      „Na, im Himmel hoffe ich“, antwortete Karl, „meinst du, ich habe sie leben gelassen, nachdem ich sie hatte? Das machen wir nie, man weiß ja nicht, ob man sie nicht noch einmal wieder trifft. Da ist man sicherer, wenn man sie danach abtut.“

      Hans Reinstätten wendete sich ab. Er dachte an Gesine. Sie war allein im Dorf, und auch das Dorf war nicht geschützt. Wenn schon die Lutherischen so waren, wie sollte es in Neissmund erst gehen, wenn die Wallensteiner kamen. Von denen hatte Hans schauerliche Missetaten gehört.

      Immer weiter zogen sie. Trotz der Sünden, die Karl auf sich geladen hatte, hielt sich Hans an ihn, er sprach wenigstens seine Sprache.

      Nach einer Woche drang die Nachricht durch, dass Wallenstein mit zwanzigtausend Mann auf ihren Fersen war. Nur wenige Tage sei er hinter ihnen, hieß es. Die Mansfelder hatten mittlerweile die Oder überquert und zogen am östlichen Ufer südwärts, Wallenstein mit ein paar Tagen Abstand folgte auf der anderen Oderseite, immer die Protestanten bedrängend.

      Hans ritt mit Karl, wieder unter dem Kommando des blonden, riesigen Dänen, hinter der Armee als Nachhut, um die Katholischen zu beobachten, die ihnen folgten. Sie waren abgesessen und spähten eifrig zum andern Ufer.

      „Kannst du die Wallensteiner sehen?“, fragte Hans.

      „Nein“, flüsterte Karl, „aber rede leiser. Wenn sie kommen, sollen sie uns nicht hören.“

      Zwei Schüsse krachten direkt hinter ihnen, und als sie sich umsahen, lagen ihr Kommandeur und ein weiterer ihrer Kameraden mit durchschossener Brust auf dem Boden. Zehn Musketiere, mit blauen Armbändern, standen vor ihnen und richteten die Gewehre auf die beiden Überlebenden.

      „Wo seid ihr her und was wollt ihr hier?“, fragte barsch der Anführer.

      „Wir liegen hier und machen Rast. Ich bin Karl, das hier ist mein Kamerad Hans und wir ruhen uns aus.“

      „Das hättet ihr wohl gern“, lachte der Anführer, Hans verstand ihn kaum. In seinem Dorf sprach man das Deutsche mit dem breiten schlesischen Akzent, der andere sprach scharf, stockend, als ob der des Deutschen nicht sehr mächtig sei.

      „Ich bin Böhme“, sagte er denn auch, „und uns Böhmen legt man nicht so leicht herein. Ihr seid Protestantische und kundschaftet uns aus. Wir gehören zu Vorhut des Generals Wallenstein, der mit seiner Hauptmacht kurz hinter uns kommt. Ihr habt nur zwei Möglichkeiten: Entweder ihr folgt uns zu unserem Heer und gliedert euch da ein oder ihr werdet jetzt von uns erschossen. Also wählt.“

      Hans und Karl sahen sich zweifelnd an. Hans wollte schon ablehnen, auf keinen Fall wollte er mit den Katholischen reiten und schon gar nicht für den Satan in Person, ihren General Wallenstein, da hörte er seinen Gefährten sagen:

      „Teufel, Wallenstein oder Mansfeld, was macht das schon für einen Unterschied. Ich hoffe, euer General zahlt unseren Sold besser und pünktlicher aus als der Mansfelder. Und erschießen lassen will ich mich nicht, komm Hans.“ Und er zog Reinstätten, der sich erst sacht weigerte, mit sich fort, auf den Böhmen zu.

      „Komm mit, wohin reiten wir?“, fragte er und fasste den fremden Landsknecht vertraulich am Arm.

      „Aber auf Sold würde ich auch bei Wallenstein besser nicht hoffen“, radebrechte der Böhme, „ich heiße Valentin, ich bin der Hauptmann dieser Gruppe hier, und unseren Sold, den müssen wir uns inzwischen auch von den Feldern und in den Dörfern holen.“

      „Also genau wie bei den Unsrigen“, Karl ließ sich nicht entmutigen, „komm Hans, es hat sich für uns nicht viel geändert, reiten wir mit ihnen.“

      5.

      Karl und Hans ritten nun mit den Wallensteinern, wie sie vorher Mansfeld gefolgt waren und sie merkten bald, dass es unter diesem General nicht anders zuging als bei seinen Feinden. Sie zogen als Vorhut dem eigentlichen Heer voran, weil sie als Reitereinheit beweglich waren. Trafen sie auf Dörfer, forderten sie die Bewohner auf, sämtliches Hab und Gut herauszugeben. In einigen Orten lieferte man ihnen sofort und alles aus, was sie tragen konnten. Andere waren von den Mansfeldern, die ihnen immer voraus waren, schon ausgeplündert worden, die Bauern hatten nichts mehr, was sie den Landsknechten geben konnten, davon überzeugten sie sich in jedem Dorf durch genaue Untersuchung. Und dann kamen die Soldaten in Dörfer, in denen die Bewohner sich bewaffnet hatten und sich weigerten, irgendetwas zu geben.

      Es war in einer kleinen Ortschaft etwa zwanzig Kilometer westlich der Oder. Die Hitze brütete über den Feldern, als die Hundertschaft, in der Hans Reinstätten ritt, über den Hügel kam und die achtzig Häuser, aus denen das Dorf bestand, zu sehen waren.

      „Die holen wir uns“, lachte der Rittmeister, der den Zug anführte, „wir schicken erst eine Abordnung, und ich hoffe sehr, dass sie sich weigern, sich zu unterwerfen. Ich habe schon lange nicht mehr die Unterröcke einer Frau gesehen.“ Die ihn hörten, lachten roh.

      „Geht uns genauso, Herr Rittmeister.“

      „Also los, ihr fünf, reitet hin und befehlt ihnen, alles herauszugeben, was das Dorf an Früchten und an Schätzen hat. Wir warten hier.“

      Der Rittmeister saß ab und pflockte sein Pferd neben dem Getreidefeld an, dass es die Körner fressen konnte, die anderen folgten seinem Beispiel. Zwei Stunden warteten sie, sie hatten es sich auf dem schmalen Weg bequem gemacht, da sahen sie eine Staubwolke den Hügel aufwärts kommen.

      „Na, die galoppieren ja“, sagte Karl, der sich gewohnheitsmäßig neben Hans hielt, „warum haben die es so eilig?“

      Als die Wolke näherkam, sahen sie, dass es nur noch drei Pferde mit ihren Reitern waren, die da ankamen und schon von weitem schrien:

      „Auf, zu Pferd, die haben sich bewaffnet, zwei von uns haben sie erschossen. Rächt sie!“

      Wie gestochen sprangen die Reiter auf, pflockten ihre Pferde ab und warteten auf Befehle ihres Kommandeurs.

      „Ruhe!“ befahl der, „Ruhe! Wir reiten nicht unkontrolliert runter. Wartet auf die Befehle, ich will erst den Bericht hören.“

      „Die haben uns von weitem beschossen“, schrie einer der Überlebenden wütend, „als wir näherkamen, haben sie uns aufgefordert abzuhauen. Und als wir trotzdem weiter ritten, haben sie gezielt und zwei von uns getroffen.“

      „Abteilung Marsch“, kommandierte der Rittmeister, „in Fünferreihen über das Feld, und auf mein Kommando, Attacke. Reitet das Dorf nieder, tötet alles, was sich uns entgegenstellt.“

      Hans Reinstätten ritt in der Angriffsformation unmittelbar hinter dem Kommandeur. Diesen Ehrenposten hatte er nach einer besonders wütenden Auseinandersetzung mit Dörflern erhalten.

      „Bist ein guter Reiter geworden, Reinstätten“, hatte der Rittmeister ihn gelobt, „reitest ja wie der Teufel und kämpfst nicht eben schlecht. Mach so weiter, kannst noch aufsteigen bei Wallenstein. Sieh mich an, ich bin auch so ein armer Schlucker, Herbert Krüger heiße ich, Krüger, klingt nicht gerade nach adeligem Offizier, was? Aber unser General, der ist nicht auf Titel aus, der will Kämpfer und die befördert er. Warte nur, bis wir zum Heer kommen und dann zeig dich dem General