Friedrich von Bonin

ZwischenWelten


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      „Müsste jetzt dringend gemäht werden“, schoss es Hans fachmännisch durch den Kopf, da brüllte Krüger „Attacke!“, dehnte das e lange aus und fiel in Galopp, der immer schneller und schneller wurde. Hans hörte das Jachtern der Pferde hinter sich, sog die um ihn sausende Luft durch den offenen Mund, vergaß alles andere und trieb sein Pferd zu immer rasenderem Galopp an. Sie erreichten das Dorf, Hans sah die Reihe der Bauern, die mit wenigen Gewehren, mit Gabeln und Dreschflegeln bewaffnet waren und war heran, hieb den Säbel auf den Kopf eines Bauern, sah aus den Augenwinkeln einen Kameraden fallen, wohl ein Schuss, wendete und griff erneut an. Nach vier Minuten war der Kampf vorbei. Dreißig Bauern lagen durchstochen, erschossen, tot oder schwerverwundet auf dem Boden. Ein dicker Mann, in Lumpen gekleidet, kam aus dem Dorf auf sie zu.

      „Gnade, Herren Soldaten, Gnade!“, schrie er schon von weitem, „ich bin nicht schuld, die anderen wollten nicht geben, ich sage, wo alles ist, Gnade.“

      „Fesselt ihn und sperrt ihn ein“, befahl der Kommandeur kurz, „mit ihm beschäftigen wir uns später. Jetzt: Hinein ins Dorf und holt euch alles, was ihr braucht.“

      Johlend fielen die hundert Soldaten in das Dorf. Hans ging langsam hinterher. Er fand keinen Gefallen am Plündern, er konnte ja doch die Reichtümer, die sie vielleicht fanden, nicht mitnehmen. Ihm war es genug, Vorräte für drei Tage zu finden, danach würde man weitersehen.

      Als er weiter ging, fiel ihm von weitem ein Haus auf, vor dem acht seiner Kameraden wie wartend standen und sich nicht an der allgemeinen Plünderei beteiligten. Er ging auf sie zu.

      „Worauf wartet ihr denn?“, fragte er neugierig.

      „Da drinnen haben sie zwei Frauen gefunden, die brauchen wir jetzt am meisten“, antwortete einer mit schiefem Grinsen, „komm, stell dich an, bleibt auch für dich was übrig.“

      Hans hörte die Entsetzensschreie aus dem Haus und wandte sich angeekelt ab. Am liebsten hätte er die da drin und die hier draußen verjagt, aber er wusste, das würde ihn das Leben kosten. Sie würden ihn umbringen, nur damit sie die Frauen vergewaltigen konnten.

      Hans dachte an Gesine. Hoffentlich war in Neissmund alles ruhig, hoffentlich machten sich da nicht andere Soldaten über Gesine und ihre Mutter her. Er ging zum Rand des Dorfes und setzte sich dort hin und wartete auf den Abmarsch. Wie er aber wartete, hörte er die gequälten Schreie eines Mannes, der gefoltert wurde. Er wusste, sie nahmen sich jetzt den Dicken vor, der sich ergeben wollte. An den Plünderungen in diesem Dorf beteiligte er sich nicht.

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      1.

      Als wir in Ungarn ankamen, hatten wir einen großen Teil unserer Soldaten verloren. Krankheit und Tod war im Heer, Seuchen breiteten sich aus und versetzten die Männer in Angst und Schrecken. Aber immer noch war unsere Armee stark genug, Mansfeld und Bethlen zu schlagen. Diese entzogen sich jedoch der Schlacht, Mansfeld ging nach Venedig, wo er starb, Bethlen schloss einen Sonderfrieden mit dem Kaiser und starb kurz darauf ebenso.

      Mein Gebieter hatte also gesiegt, ohne eine Schlacht zu schlagen, wurde aber angewiesen, sofort wieder nach Norden zu marschieren, um in den dänischen Krieg einzugreifen. Wieder zog die Armee durch das schon ausgezehrte Land, wieder ernährte Wallenstein seine Soldaten mit den Vorräten, die er in den Dörfern fand und als „Kontributionen“ beschlagnahmte.

      Der Krieg finanziert den Krieg.

      „Was will der Herr“, sagte der Feldherr in einer der wenigen ruhigen Minuten, die wir auf dem Feldzug in seinem Zelt verbrachten, sein Diktat unterbrechend, „ich bin das Gesetz im deutschen Reich, wo ich hinkomme. Wer würde mich an irgendetwas hindern wollen, so lange ich diese Armee hinter mir habe. Sollen sie sich beschweren, solange ich siege, wird der Kaiser mich halten.“

      Und Wallenstein siegte. Er drängte den dänischen König aus Niedersachsen hinaus in sein eigenes Land und belagerte dann, den Krieg ostwärts tragend, Stralsund, das allerdings bis zuletzt widerstand.

      Der Kaiser war meinem Herrn dankbar, setzte die Herzöge von Mecklenburg ab und verlieh das Herzogtum an Wallenstein.

      Die katholischen Waffen waren siegreich gewesen, allerdings hatten die Neider meines Herrn am kaiserlichen Hof in Wien immer mehr Erfolg. Besonders die Belehnung mit dem mecklenburgischen Herzogtum war ihnen ein Dorn im Auge, hatten sie doch schon missgünstig auf seine Erhebung in den Fürstenstand und den Erwerb des Herzogtums Friedland gesehen. Nun, nachdem die katholischen Waffen so erfolgreich waren, bedrängten sie den Kaiser, einen so mächtigen, aber eben dadurch auch gefährlichen Feldherrn zu entlassen. Besonders Maximilian von Bayern, sein alter Widersacher, wurde immer wieder in Wien vorstellig.

      Endlich entschloss sich der Kaiser 1630, dem Drängen nachzugeben und berief den Herzog von Friedland von seiner Feldherrnwürde ab.

      Wallenstein war bleich, als ich ihm das Dekret des Kaisers vorlas. Wir waren in Gitschin, seinem Sitz in Friedland, wohin er in kleiner Begleitung geeilt war, um nach dem Rechten in seinem Herzogtum zu sehen.

      „Sehe der Herr, was der Dank ist in der Welt“, flüsterte er leise, und, da ich schwieg, „oder ist der Herr der Meinung, dass das echte Dankbarkeit ist?“

      „Nein, Fürstliche Gnaden“, antwortete ich nun, noch immer konnte ich mich an die Anrede „der Herr“ nicht recht gewöhnen, „das ist sogar grober Undank.“

      „Mag sein“, antwortete er, jetzt wieder kräftiger, „aber der Herr wird sehen, die Waffen werden nicht schweigen und bald wird man mich wieder brauchen.“

      Aber auch Wallenstein war undankbar gegen seine Mitmenschen. Kurz nach seiner Absetzung kam die Nachricht, dass de Witte sich in Prag in seinem eigenen Teich ertränkt habe. Sechshunderttausend Gulden sei er zuletzt schuldig gewesen und habe nicht gewusst, woher die zu nehmen seien. Von Wallenstein hatte er trotz immer drängenderer Botschaften nichts bekommen, nichts vom Kaiser, und neue Kredite waren nicht aufzutreiben gewesen. Auch seine eigenen Bankiers, das Haus Seyffenberg und Söhne in Amsterdam, denen er die letzten Kredite mit zwanzig Prozent habe bezahlen müssen und auch bezahlt habe, hätten ihm keine weiteren Fristen mehr eingeräumt. Und so habe de Witte keinen weiteren Ausweg als den Selbstmord gewusst.

      „Von der Fahne geflüchtet ist er, der Witte“, war alles, was mein Herr dazu sagte und dann erhob er hohe Forderungen an den Nachlass des gescheiterten Bankiers.

      2.

      Hans Reinstätten war, immer an der Seite seines Kameraden Karl, in der Armee Wallensteins bis nach Süden gekommen. Alle Seuchen und alle Krankheiten waren an ihnen vorübergegangen, sie erfreuten sich bester Gesundheit, und Hans´ Beliebtheit bei seinem Rittmeister steigerte sich von Tag zu Tag. Nur Wallenstein kamen sie nicht nahe, mal waren sie als reiterliche Vorhut weit voraus geschickt worden, um zu erkunden, mal blieben sie hinter dem Heer zurück, um den Rücken zu decken.

      „Macht nichts“, tröstete der Rittmeister, „das wird schon noch mit deiner Beförderung, mach nur so weiter.“

      Und so hatte sich Hans Reinstätten an den Kriegsdienst gewöhnt, auch an die Plünderungen der Dörfer, aus denen sie die Steuern eintreiben mussten. An Vergewaltigungen und Morden beteiligte er sich nach wie vor nicht.

      Nun waren sie auf dem Rückmarsch nach Norden und Hans fühlte, dass er seinem Heimatdorf wieder näherkam, ohne dass es auf Wallensteins Weg lag. Auf Befehl seines Rittmeisters nahm er an einer Besprechung der Kavallerieoffiziere teil, auf der er auf einer Karte sehen konnte, dass sie etwa vier Tagesritte westlich der Neissemündung vorbeimarschieren würden.

      Zwei Nächte lag er schlaflos, ohne Karl von seiner Unruhe zu erzählen.

      In der dritten Nacht erhob er sich lautlos und schlich sich aus dem Lager, dahin, wo er sein Pferd, angeblich um es weiden zu lassen, angepflockt hatte. Leise, um die Schläfer nicht zu wecken und die Wachen nicht zu warnen, führte er das Tier etwa einen Kilometer weit weg, Richtung Osten, saß auf und galoppierte in der gleichen Richtung weiter. Er wusste, dort, im Osten, war sein Heimatdorf, war Gesine, und er trieb sein Pferd an, von Sehnsucht und Angst gejagt.

      Er