Friedrich von Bonin

ZwischenWelten


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nichts, was nachweisbar gewesen wäre.

      Andererseits: Allein die Tatsache, dass Wallenstein sich die verräterischen Vorschläge der Schweden angehört hatte, war das nicht schon Verrat am Kaiser? Zwar hatte er sich in der Göllersdorfer Vereinbarung zu seinem zweiten Generalat ausdrücklich ermächtigen lassen, auch diplomatische Verhandlungen mit ausländischen Mächten zu führen, aber der Hof in Wien war misstrauisch gegen den General, immer gewesen. Wenn der Kaiser oder seine Ratgeber von dem Besuch Arnims und den Verhandlungen erfuhren, würden sie Wallenstein mehr als jemals zuvor misstrauen. Der Kaiser müsste ihn absetzen, dafür würden schon der Bayer und die anderen Edlen am Hofe sorgen. Und dann wäre der Friede auf Jahre hinaus unmöglich, weil die Schweden mit dem Kaiser nicht verhandeln wollten.

      Aber wie sollte der Kaiser, wie seine Ratgeber von diesen geheimen Verhandlungen erfahren? Arnim würde schweigen, ebenso der schwedische Kanzler und mein Herr, der General. Ich war der einzige außer ihnen, der davon wusste und ein Stümper wäre ich, wenn ich dieses Wissen nicht nutzte, den Frieden zu verhindern. Die Frage war nicht, ob ich meinen Herrn verriet, sondern an wen.

      Es verbot sich von selbst, dass ich unvorsichtiger als der General war, natürlich durfte auch von mir nichts Schriftliches existieren. Aber an wen konnte ich mich wenden, wenn ich nicht schrieb? Dass ich an den kaiserlichen Hof reiste, um dort von den Verhandlungen Wallensteins zu berichten, kam nicht in Frage, eine solche Reise hätte ich nicht rechtfertigen können. Also musste ich hier, in Gitschin, jemanden finden, dem ich mich anvertrauen konnte. Ich ging in Gedanken die Menschen in der Umgebung des Herzogs durch:

      Die Generale Ihlo und Kinski kamen nicht in Frage, zu treu waren sie dem Herzog, zu oft hatte ich sie über die kaiserliche Politik herziehen hören. Das gleiche galt für Piccolomini den Älteren: Er war ein sehr guter Freund Wallensteins und wäre daher schwer zu überzeugen gewesen. Andererseits war gerade Piccolomini nicht nur meinem Herzog, sondern auch dem Kaiser in Wien treu ergeben.

      Und dann waren da die offenen Neider meines Herrn, die Generale Aldringen und Gallas. Sie arbeiteten am Hofe gegen Wallenstein, wo sie nur konnten und wären sicher begeistert sofort nach Wien abgereist, wenn ich sie informiert hätte. Aber würde man ihnen in Wien trauen, würde der Kaiser Wallenstein absetzen nur, weil Gallas und Aldringen, seine Feinde, ihn anklagten? Zu oft schon hatten sie sich über den General beschwert. Nein, überlegte ich, es kam hinzu, dass ich die beiden für sehr beschränkt hielt. Sie mochten für ihre Stellen als Truppenbefehlshaber genügend Verstand haben, aber eine Intrige einfallsreich auszuführen, das würden sie nicht können.

      Also Piccolomini.

      Hin und her überlegte ich, wog immer wieder die Argumente ab. Sein Sohn galt als zukünftiger Schwiegersohn meines Herrn, und dann hatte Wallenstein den Piccolomini erst kürzlich wegen seiner Verdienste in der Schlacht bei Steinau zum General befördert. Grund genug also für den frischgebackenen General und zukünftigen Schwiegervater, Wallenstein treu zu sein.

      Ich musste ihm daher sehr deutlich machen, dass ich, gäbe er meine Information nicht an den Kaiser weiter, andere Wege finden und dann auch seine Verstrickung nennen würde. Nur: Wenn Piccolomini nicht zum Kaiser, sondern zum Herzog von Friedland gehen würde, dann wäre zwar nicht mein Leben gefährdet, ans Leben konnte mir keiner dieser Menschen, aber meine Mission wäre kläglich gescheitert.

      9.

      Kurz nach dem Besuch Arnims brachen wir auf von Gitschin nach Pilsen, wo Wallenstein den Winter verbringen wollte. Ein riesiger Tross zog durch das Land, nach Südwesten, an Prag vorbei, bis Pilsen, wo der Hof des Herzogs Anfang Dezember ankam und sich einrichtete.

      Am Morgen nach der Ankunft war ich entschlossen. Ich wusste, dass Piccolomini Ende der Woche in Pilsen angekommen war, um dem Herzog Bericht zu erstatten.

      Schon die Reise war beschwerlich gewesen, der Winter hatte in diesem Jahr sehr früh, schon Mitte November eingesetzt. Wallenstein hatte die Schweden im Oktober trotz der laufenden Verhandlungen noch einmal geschlagen, bei Steinau an der Oder, und den gefürchteten schwedischen Heerführer Heinrich von Thun gefangen genommen, ihn nach kurzer Zeit allerdings zum Entsetzen seiner Generale und des Kaiserhofes wieder freigegeben. Er hatte seinen Vertrauten Oktavio Piccolomini zum Hof geschickt, um Bericht zu erstatten und der war nach kurzer Zeit wieder zurückgekommen.

      Am Mittag suchte ich ihn daher in seinem Haus, das er in Pilsen bewohnte, auf.

      „Herrn General Piccolomini möchte ich sprechen“, sagte ich seinem Diener nur. Ich war zu bekannt hier, als dass ein Diener mich abweisen würde und so stand ich nach kurzer Zeit vor dem frisch beförderten General.

      „Nun, Rheidt“, sprach dieser mich leutselig an, nachdem er das Schriftstück, an dem er arbeitete, mit seiner Unterschrift versehen hatte, „was führt Sie zu mir? Schickt Wallenstein Sie?“

      „Nein, Herr General“, antwortete ich langsam, „ich komme in einer sehr persönlichen Angelegenheit, die die Zeit des Herrn General in Anspruch nehmen wird.“

      „Na, dann setzen wir uns doch“, sagte er, erhob sich hinter seinem Schreibtisch und führte mich zu dem Tisch, der am Fenster stand. General Oktavio Piccolomini war in der Zeit Mitte der fünfzig, ein korpulenter Herr von etwas lärmendem Wesen, aber freundlich und verständnisvoll, wenn er nicht in der Schlacht war. Um seine Augen hatten sich tiefe Lachfalten gebildet, die darauf hindeuteten, dass er gerne fröhlich war.

      Als ich angefangen hatte, war allerdings alle Freundlichkeit aus seinem Gesicht verschwunden.

      „Wissen Sie, was Sie da sagen, Rheidt?“, fragte er ernst, fast finster, „Sie kommen hierher und werfen Ihrem Brotherrn Hochverrat vor. Wenn das zutrifft, was Sie sagen, wird er sterben müssen, das ist der normale Gang der Dinge.“

      Ich senkte den Blick.

      „Ich weiß wohl, dass er in Gefahr ist“, antwortete ich, „ich hatte gedacht, dass Sie eine solche Folge verhindern könnten, wenn Sie zum Kaiser gingen. Sie haben doch Einfluss.“

      „Sie wollen also allen Ernstes, dass ich damit zum Kaiser gehe?“, fragte er, und seine Augen bohrten sich in meine, „Sie müssen wissen, dass es dann mit ihm als oberster General vorbei ist im Heer des Kaisers, und damit auch mit Ihrer Stellung als Schreiber.“

      Jetzt hatte ich ihn da, wo ich ihn haben wollte. Das war es, als oberster General, als Generalissimus, kam Wallenstein dann nicht mehr in Frage und ich sah hinter der Stirn Piccolominis die Frage aufleuchten, wer denn wohl sein Nachfolger werden würde. Er selbst konnte durchaus ein Anwärter auf die Nachfolge sein.

      „Haben Sie den Herzog von Friedland denn darauf angesprochen, dass Sie zu mir kommen würden?“

      „Auf keinen Fall!“, rief ich aus, „der General darf nicht wissen, dass ich hier bin, er hat mir ans Herz gelegt, nichts über die Besprechung mit dem Herrn von Arnim verlauten zu lassen. Nein, er darf nicht wissen, dass ich Sie informiert habe.“

      „Gut, ich sehe, Sie wollen ihm nichts Böses, sonst wären Sie ja zu seinen Feinden gegangen, nicht zu mir“, sagte der General, „jetzt verlassen Sie mich, ich muss nachdenken, was ich beginnen soll. Sie werden es hören.“ Und damit war ich entlassen.

      Den ganzen Tag hörte ich gar nichts. Mein Herr ließ mich nicht rufen, Piccolomini gab mir keine Nachricht, ich saß einsam in dem mir zugewiesenen Zimmer und wartete.

      Erst am nächsten Morgen hieß es, der General Piccolomini sei in eiligen Geschäften nach Wien abgereist, trotz des schlechten Wetters und der vom Neuschnee aufgeweichten Wege und Straßen.

      10.

      Der Winter hatte mit aller Härte eingesetzt. Es gab wenig zu tun in Pilsen, wo wir die kalte Zeit verbrachten. Wenig Besucher kamen und gingen, eingeschneit waren alle Wege. Wallenstein verhielt sich mir gegenüber wie immer, nichts war verändert. Aber so wie keine Boten aus Wien kamen, um meinem Herrn Weisungen des Kaisers zu bringen, so schickte auch der schwedische Kanzler keine Boten, keine Nachrichten. Es war in diesem Winter, als seien wir von der Welt abgeschnitten.

      Wallenstein hatte im November vor dem Aufbruch noch einmal