Stickereien verziert hatte. An Stelle eines Hutes bevorzugte er eine Fellmütze.
Bill und Little Bird machten Inventur und gingen durch die Regale im Verkaufsraum. Die Waren ähnelten jenen im Gemischtwarenladen von Josefine, in deren Saloon, und doch gab es Unterschiede. Hier waren die Stoffballen nicht so fein, denn Indianerinnen interessierten sich nicht für die Kleider der Weißen, an Stelle von feinem Porzellan gab es hier Keramik und emailliertes Blechgeschirr, bunte Wolldecken, Werkzeuge, Glasperlen und viele andere Dinge, die ein Indianerherz höher schlagen ließen.
Das Ehepaar wechselte gerade zum nächsten Regal, als Hubertus Keil, der Schmied der Siedlung, zu ihnen in den Laden kam. Keil entsprach nicht den allgemeinen Vorstellungen eines Schmiedes, denn er war klein und von zierlicher Gestalt, wenn auch durchaus muskulös. Dennoch war er unbestritten ein Könner seines Handwerks. Es gab in Farrington kaum einen Nagel, Beschlag oder ein Werkzeug, welches nicht unter seinen Händen entstanden war.
Für Bill und seine Frau war der Schmied ein wertvoller Handelspartner, denn Messer und Beile gehörten nicht zu jenen Waren, deren Handel mit Indianern verboten war. Die Roten schätzten die schweren und scharfen Klingen, die Keil schmiedete und ebenso die Axtköpfe, die er fertigte und die nicht nur dazu geeignet waren, in Holz geschlagen zu werden.
In den letzten Tagen hatte Keil an einem Auftrag von Bill gearbeitet und präsentierte nun stolz das Ergebnis. Er trat an die Ladentheke, schlug ein gefaltetes Tuch auseinander und ließ dreieckige metallene Spitzen auf den Tresen regnen. „Einhundert Stück, Bill. Allerbeste Qualität. Gehärtet und geschärft. Die gehen durch jedes Büffelfell, wie ein glühendes Messer durch Butter.“
Bill nahm eine der Pfeilspitzen und begutachtete sie. „Gute Arbeit, Hubertus. Wie von dir nicht anders zu erwarten.“
Der Schmied grinste erfreut. „Und rechtzeitig zur Jagdsaison auf die Büffel fertig geworden.“
„Das wird Sitting Horse freuen“, meinte der Händler. „Er soll dieses Jahr die Büffeljagd anführen und er schätzt deine Pfeilspitzen.“
„Ja, unsere heidnischen Brüder wissen Qualität zu schätzen.“ Keil leckte sich über die Lippen. „Du wirst sicher einen guten Preis mit ihnen aushandeln.“
Pecos Bill lächelte. „Darauf kannst du wetten. Was bekommst du für die Pfeilspitzen?“
Der Schmied nannte seinen Preis und der Händler trat an die Kasse und bezahlte. Little Bird nahm das Hauptbuch, trug Pfeilspitzen und Betrag sorgfältig ein. Bill hatte seiner Frau das Schreiben und Lesen beigebracht und er musste sich eingestehen, dass ihre Schrift sehr viel besser, als die seine war.
„Hast du die neue Zeitung schon gelesen?“ Keil steckte die Handvoll Münzen in die Hemdtasche. „Kam vorgestern mit der Kutsche.“
„Bin noch nicht dazu gekommen, Josefine´s Saloon aufzusuchen“, brummte Bill. „Wir machen gerade Inventur, um festzustellen, was wir noch bestellen müssen.“
„Gibt eine Menge Neuigkeiten. Man will eine neue Bahnlinie und eine Telegrafenlinie entlang der Postkutschenstraße errichten. Das bedeutet, dass wir an den Zugverkehr und den Telegrafen angeschlossen werden. Nun ja, man baut die Bahnlinie natürlich nicht wegen uns. Dafür ist Farrington einfach zu bedeutungslos. Aber wir werden davon profitieren.“
Bill schnaubte leise. „Verdammt, das hört sich nicht gut an. Vor allem das mit der Eisenbahn. Das wird Unruhe bei den roten Brüdern hervorrufen.“
„Warum sollte das die Indianer beunruhigen?“
Der Händler seufzte. „Weil die Bahnlinie sicher durch das Indianergebiet führt. Indianer mögen das Feuerross jedoch überhaupt nicht.“ Er sah das Unverständnis im Gesicht des Schmiedes und seufzte erneut. „Mann, die Bahn wird durch das Büffelgebiet und die Jagdgründe der Sioux verlaufen. Das wird den Büffeln nicht gefallen und damit auch den Roten nicht.“
„Meinst du, die Bahn vertreibt die Büffel?“
„Die Bahn vielleicht nicht, aber auf jeden Fall die schießwütigen Passagiere, welche die Büffel aus den Waggons heraus abknallen. Ist schon oft genug im Gebiet anderer Stämme vorgekommen. Die Roten mögen sich ja gelegentlich untereinander nicht gut sein, aber solche Dinge sprechen sich herum.“
„Hm, vielleicht hast du recht“, räumte der Schmied ein. „In der Zeitung heißt es, die Planung der neuen Eisenbahnlinie stehe bereits fest.“
„Und sicherlich ohne die Sioux vorher zu fragen.“ Pecos Bill ging zu dem kleinen Kanonenofen hinüber und schenkte sich einen Becher Kaffee ein. „Bahngesellschaften suchen nach der wirtschaftlichsten Strecke. Die kümmert es nicht, wenn sie dabei die Grenzen von Indianergebiet verletzen. Denen geht es um Gewinn und das Vorrücken der angeblichen „Zivilisation“. Ich sage dir, das gibt Ärger und wenn es Ärger gibt, dann kommt die Armee.“
„Bislang hat sich hier nur gelegentlich einmal eine Patrouille aus Fort Winnebago blicken lassen.“ Keil nahm dankbar einen Becher entgegen und schlürfte das heiße Gebräu behaglich. „Es gab noch nie Ärger.“
„Irgendwo gibt es immer Ärger und irgendwo führt die Armee immer Krieg gegen die Indianer“, sagte Pecos Bill erregt.
„Den man im Augenblick sicher nicht gebrauchen kann.“ Klein nickte dankbar, als Bill ihm nachschenkte. „Falls du es noch nicht gelesen hast… Es gibt Krieg zwischen dem Norden und dem Süden.“
„Also doch“, knurrte Bill. „Diese verdammten Narren. Aber so etwas ist typisch für die Yankees.“
„In der Zeitung steht, dass der Süden angefangen hat. Die Rebellen haben wohl irgendein Fort der Union angegriffen.“
„In der Zeitung.“ Bill schnaubte verächtlich. „Eine Zeitung des Nordens. Was erwartest du da, wem sie die Schuld geben?“
„Ich wusste gar nicht, dass du Sympathien für die Rebellen hegst.“
„Unsinn. Ich hege nur keine Sympathien für die Union, das ist ein Unterschied. Und ich habe, verdammt noch mal, auch keinen Grund dazu.“
Hubertus Keil erinnerte sich. „Wegen damals?“
„Wegen damals“, bestätigte Pecos Bill. „Ich kann mich noch verdammt gut daran erinnern, wie die Armee über das Lager meiner Frau hergefallen ist. Haben Frauen und Kinder abgeschlachtet und nannten es Strafexpedition, weil ein paar Krieger angeblich eine Gruppe Weißer massakriert hatte. Ich konnte Little Bird gerade noch herausholen.“ Das Gesicht des Händlers zeigte Bitterkeit. „Dabei waren die Schuldigen nicht aus ihrem Stamm. Aber das war der Armee gleichgültig. Für die ist ein Roter so schuldig, wie der andere.“
„Ja, ich kann verstehen, dass du die Armee nicht ins Herz geschlossen hast. Ist wohl wie damals, nach ´48, als der preußische König seine Truppen gegen die Freiheitskämpfer geschickt hat. Die haben alles erschossen, was ihnen nach Aufständischen aussah. Hat manchen Unschuldigen erwischt. Aber hier in Farrington haben wir mit der Armee und mit dem Krieg nichts zu tun. Wir sind weitab vom Schuss und für uns interessiert sich keiner.“
Kapitel 3 Die Blauröcke
Josefine von Trauenstein betrieb eine Mischung aus Gemischtwarenladen für die Einwohner von Farrington und Salon, wobei letzterer, ganz wie es den Gepflogenheiten aus der alten Heimat entsprach, in einen rechts liegenden Herren-Club und einen links liegenden Damen-Club geteilt war. Der jeweilige „Club“ bot den Geschlechtern spezifisches Vergnügen und das Gefühl, ein wenig „unter sich“ zu sein. Auf der einen Seite konnten die Herren Pfeife oder Zigarre rauchen, in Zeitschriften blättern und sich in Ruhe unterhalten, wobei sie Kaffee, Tee oder das in Farrington selbst gebraute Bier oder einen gebrannten Obstler genossen. Im gegenüberliegenden Bereich fanden die Damen einen Hort gepflegter Ruhe, bei Kaffee und Kuchen, wobei ihre Konversation, nach fester Überzeugung der Männer, eher einem Schwätzchen entsprach.
Graf von Trauenstein und seine Tochter waren der festen Überzeugung, dass die beiden Clubs dazu beitrugen, ein Mindestmaß