Little Bird traten als Letzte in den Saloon. Es war selten, dass sich hier alle einfanden und es gab nicht genug Sitzplätze, so dass einige sich an der Verkaufstheke einfanden oder auf den Treppenstufen ins Obergeschoss niederließen.
Graf von Trauenstein, Josefine und der Pfarrer nahmen hinter einem kleinen Tisch Platz, der auf der kleinen Bühne stand, die sonst dem Theater oder musikalischen Vorführungen diente.
„Ich denke, die Tatsache, dass die Armee hier ein Fort errichten will, hat uns alle überrascht“, eröffnete von Trauenstein.
Noch bevor er fortfahren konnte, erhob sich der Schmied mit gerötetem Gesicht. „Verdammt, das kann man wohl sagen, Bürgermeister. Darf die Armee das überhaupt? Das hier ist doch unsere Stadt.“
„Genau genommen, ist es das Stammesgebiet der Sioux, die uns freundlicherweise erlaubt haben, hier zu siedeln“, korrigierte der Pfarrer.
„Also Indianergebiet!“, rief ein anderer. „Da dürfen die das doch erst recht nicht.“
Doktor Penzlau hob die Hand. „Ganz genau betrachtet, beanspruchen die Sioux zwar dieses Gebiet, der Vertrag mit der Regierung in Washington besagt jedoch, dass unsere Farrington noch außerhalb befindet. Offiziell beginnt das Land von Many Horses am Waldrand.“
„Also, ich finde es gut, dass die Armee hier ist“, sagte die Schneiderin. „Die Indianer von Many Horses mögen ja friedlich sein, aber man hat doch oft genug gehört, zu welchen Grausamkeiten die Wilden fähig sind. Jetzt ist die Armee da, die uns beschützen kann.“
„Die Indianer waren immer friedlich“, wandte der Schmied erneut ein, „aber diese Amerikaner verletzen immer wieder die Verträge. Irgendwann beginnen sich die Indianer natürlich zu wehren. Dass die Armee jetzt in der Stadt ist, das wird Many Horses und seinen Sioux überhaupt nicht gefallen.“
Josefine bat ums Wort. „Many Horses will Frieden. Er hat die Patrouillen der Armee immer akzeptiert und würde sicher weiterhin Frieden halten, wenn die Kavallerie Farrington wieder verlässt. Aber die Tatsache, dass die Armee ein Fort so nahe an ihrem Stammesgebiet baut, das wird unsere roten Freunde bis aufs Blut reizen.“
„So ist es“, meldete sich nun auch Pecos Bill zu Wort. „Die Anwesenheit der Kavallerie bringt uns und unser friedliches Zusammenleben mit Many Horses in Gefahr. Der Graf hat uns doch unlängst berichtet, dass die Stämme ein großes Palaver abhalten wollen. Dabei wird man auch über das Fort in Farrington reden. Die Sioux sind nicht dumm. Sie wissen sehr genau, dass die Weißen nur dann ein Fort errichten, wenn sie auch bleiben wollen. Praktisch im Stammesgebiet von Many Horses. Die paar Yards spielen da keine Rolle für die Sioux. Ich sage euch, Leute, es wird nicht lange dauern, und sie werden das Kriegsbeil ausgraben.“
„Wir sind immer gut mit ihnen ausgekommen.“ Das Gesicht des Grafen war ein wenig besorgt. „Many Horses ist ein kluger Häuptling. Er kann sich vorstellen, dass wir nichts mit der Armee zu schaffen haben.“
„Kann er das?“ Pecos Bill schüttelte den Kopf. „Sicher, ihr Deutschen versteht euch gut mit den Sioux, aber wenn es darauf ankommt, dann sind sich die Weißen, in den Augen der Indianer, alle gleich.“
„Wir, äh, sind jetzt alle Amerikaner“, entgegnete von Trauenstein unsicher.
„Ein Grund mehr für Many Horses, den Bewohnern von Farrington nicht zu trauen.“
„Ich hoffe doch sehr, ich störe nicht.“
Alle wandten sich zur Tür, in der Captain Larner stand.
„Das hier ist eine Bürgerversammlung!“, rief der Schmied. „Die Armee hat hier nichts zu suchen!“
„Ich muss doch bitten.“ Graf Wilhelm von Trauenstein hob in einer beschwichtigenden Geste die Hände. „Gegenstand unserer Versammlung ist das Fort, welches Captain Larner zu bauen gedenkt. Er ist wohl genau der richtige Mann, um unsere Fragen zu beantworten.“
„Ja, lasst ihn reden“, meinte eine der Frauen.
Ein paar ablehnende Stimmen waren zu hören, doch die meisten der Stadtbewohner waren dafür, den Captain anzuhören.
Josefine bemerkte, dass irgendetwas an dem Offizier anders war, doch es dauerte einen Moment, bis ihr auffiel, dass er keinen Waffengurt angelegt hatte. Möglicherweise war es eine Geste Larners, um die Siedler von seinen friedlichen Absichten zu überzeugen.
Von der Uniform abgesehen, wirkte der Captain mit seinem langen und dichten grauen Vollbart eher wie ein gemütlicher Großvater und keineswegs wie ein beinharter Soldat. Auch die dunkle Stimme klang eher sanft, als herrisch. Larner trat neben den Tisch und hob lächelnd die Hand.
„Werter Mayor, Ladies und Gentlemen, ich danke Ihnen für die Gelegenheit, vor Ihnen sprechen zu dürfen. Ich kann mir gut vorstellen, welche Unruhe das Erscheinen meiner Truppe bei Ihnen hervorgerufen hat und ich will daher ein paar erklärende Worte zur Absicht des Gouverneurs abgeben, warum Ihr schönes Farrington als Standort eines neuen Armeestützpunktes ausgewählt wurde.“
„Ohne Many Horses und seine Sioux zu fragen!“, kam der Zwischenruf von Pecos Bill.
„Das ist richtig“, räumte Larner ein, „weswegen ich auch das Gespräch mit dem Chief suchen werde. Dabei hoffe ich auf Ihre Unterstützung, Mayor von Trauenstein, und auf die Ihrer werten Mitbürger.“
„Hört, hört“, kam es leise, aber durchaus vernehmlich, von Pfarrer Dörner. „Erst mit der Tür ins Haus fallen und danach höflich anklopfen.“
Ein paar Lacher waren zu hören, in welche überraschenderweise auch der Captain einfiel.
„Ladies und Gentlemen, seit dem zwölften April des Jahres 1861 befinden sich die Vereinigten Staaten von Amerika im Krieg mit der Südstaaten-Konföderation. Ein Krieg, der nun schon zwei Jahre andauert und bislang keine Entscheidung gebracht hat“, fuhr Larner mit ernster Stimme fort. „Derzeit kann eigentlich niemand vorhersagen, wer letztlich als Sieger aus diesem unseligen Konflikt hervorgehen wird. Die Union hat die meisten ihrer Truppen aus den Grenzforts im Indianergebiet abgezogen. Glauben Sie mir, Ladies und Gentlemen, dass dies seitens der indianischen Stämme durchaus bemerkt wurde. Einige haben sich wieder in jene Territorien vorgewagt, die bislang von der Armee kontrolliert wurden. Es gab eine Reihe von Übergriffen gegen weiße Siedler und sogar auf kleine Armeeposten. Ja, ich weiß, hier in Farrington ist davon nichts zu spüren, doch ich versichere Ihnen, dass die Lage in den Grenzgebieten sehr unsicher geworden ist. In den betroffenen Staaten und Territorien werden daher Freiwilligen-Einheiten aufgeboten, um die verlassenen Forts wieder zu besetzen oder sogar neue zu errichten. Edward Salomon, Gouverneur unseres schönen Wisconsin, lässt eine Reihe von Kavallerieregimentern und Infanterieregimentern aufstellen, welche die Sicherheit gewährleisten sollen.“
„Die Indianer werden das als Provokation auffassen“, kam ein Zwischenruf.
„Das sollten sie eigentlich nicht“, hielt Larner dagegen, „denn die Freiwilligen werden nur in jenen Bereichen eingesetzt, in denen zuvor die regulären Bundestruppen stationiert waren. Wir rücken keineswegs tiefer in die Indianergebiete vor, sondern bewahren lediglich die Grenzen, die zu Beginn des Bürgerkrieges anerkannt waren. Gouverneur Solomon hat allen Kommandeuren eingeschärft, sich strikt an die bestehenden Verträge mit den Roten zu halten.“
„Hier in Farrington hat es bislang keinen Armeeposten gegeben“, meldete sich eine Frau zu Wort. „Das sieht mir schon nach einem Vorrücken ins Indianergebiet aus.“
„Wie ich schon sagte, Ma´am, so geht es nur um die Sicherung des Grenzgebietes. Ladies und Gentlemen, es mag Ihnen neu sein, doch der Bürgerkrieg hat direkte Auswirkungen auf die Indianer. Der Süden bemüht sich um die Anwerbung ganzer Stämme, damit diese als Soldaten für die Konföderation kämpfen. Man spart dort nicht mit Versprechungen und Zugeständnissen an die Indianer, um diese zum Kampf gegen die Union aufzustacheln. Unsere Aufgabe ist es daher, auch darauf ein Augenmerk zu halten.“
„Ich möchte wetten, die Yankee-Union versucht das Gleiche“, kam es von Pecos Bill.
„Hm, das mag sein“, gab der