Nadja Solenka

Traumspuren


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davon blaue Flecken bekommen würde.

      Plötzlich berührte jemand sachte meine Schulter und holte mich weg von meinen Befürchtungen. Vor Erstaunen verschluckte ich mich fast, nachdem ich mich umgedrehte. Vor mir stand der Mensch, der mich gestern gegrüßt hatte. Perplex schaute ich in seine braunen Augen, die durch die hell-braunen Haare, die ihm der Wind in die Augen blies, fast verdeckt wurden. "Hola", brachte ich gerade noch heraus. Es war nicht weit her mit meinen Spanisch-Kenntnissen. "Sie können deutsch reden, ich komme auch aus Deutschland, wir wohnen in der gleichen Appartement-Anlage", entgegnete er leutselig.

      "Oh, so ein Zufall", antwortete ich sogar wenig überrascht. Dass hätte ich nun wirklich nicht gedacht. Lächelnd beobachtete er, wie ich mein Gesicht verzog, dann sagte er: "Ich heiße nicht etwa Pepe oder Manuel, ich heiße Kurt. So einfach ist das. Herrlich ist es hier, nicht wahr."

      Er ließ seinen Blick über das weite Meer schweifen.

      Das war ein prosaischer und romantischer Moment zugleich. Und nachdem ich ihm beigepflichtet und schließlich Karla und Käthe und mich selbst vorgestellt hatte, beschlossen wir, den zugigen Aussichtspunkt zu verlassen und in Pollensa gemeinsam Mittag zu essen. Pollensa, ein Ort mit "typischen Winkeln und Sitten", wie der "Reiseführer von Mallorca" versprach, war auch in Käthes Sinne. Trotzdem schaute sie mich etwas missmutig von der Seite vom Beifahrersitz an, so als ob sie bereits den Verdacht hegte, dass ich einen Urlaubsflirt ins Leben rufen wollte. Hatte ich das wirklich vor? Gott bewahre, ich wollte eine neuen Mann für immer und nicht bloß einen Urlaubsflirt. Um sie zu beruhigen, schaute ich nach ernsthaft auf das Heck seines Wagens, und schüttelte angedeutet den Kopf. Käthe verstand, und lehnte sich zufrieden zurück in ihren Sitz.

      Als ich die steile, enge Landstraße wieder gen Pollensa hinter dem gleichfarbigen Fiat Panda von Kurt hinterher fuhr, überlegte ich, wie eine Mutter ihr Kind bloß Kurt nennen konnte. Nun ja, aus Karla sollte eigentlich eine Sonja Jasmin werden, aber als ich Karla so auf meinen Bauch liegen hatte und ihr kleines kleines Gesicht sah, da wusste ich, dass aus meiner Tochter nie eine Sonja, geschweige denn eine Jasmin werden würde. Eine Mutter hatte das so in den ersten Sekunden bereits im Gefühl. Dieser Mensch, der da so geschickt vor mir um die Kurven fuhr, hätte eher ein Martin sein können, oder ein Benedikt. Aber ein altbackener Kurt weiß Gott nicht.

      Ach, was war das für ein fantastischer Urlaubstag gewesen, und so ergiebig. Ich hatte einen wirklich netten Mann kennen gelernt, der sich bei Paella und Sangria als formvollendeter Kavalier erwiesen, und auch die anspruchsvolle, seriöse Käthe im Sturm erobert hatte.

      Den Nachmittag verbrachten wir noch zusammen unter der glühenden Sonne am Strand.

      Glücklich betrachtete ich das frisch gewaschene, gecremte, gekämmte und schlafende Karlinchen neben mir im Bett, als Käthe noch einmal kurz zu uns ins Zimmer schaute. "Übrigens kommt Kurt morgen mit uns ans Meer. Das mit der Fahrerei ist zu viel für unsere Karla, du bist doch sicher einverstanden, oder?"

      Das war ja fast schon eine abgesprochene Sache. Dass sich meine Ex-Schwiegermutter sich so gut mit meiner neuen Urlaubsbekanntschaft verstehen würde, hätte ich auch nicht gedacht.

      8. Kapitel

      Mit dem Kavalier, da war es doch nicht so weit her. Käthe war mal eben mit Karla „etwas schmausen“ im Strandcafe, da bot Kurt an, mir den Rücken einzucremen. Doch von cremen konnte keine Rede sein, eher vom aufreizendem streicheln. Nachdem er die Flasche wieder zugedreht hatte, ließ er sich mit einem zufriedenen Seufzer neben mir auf das Handtuch fallen und begann grinsend ein Buch zu lesen, nachdem er seine Hände an den Oberschenkeln abgewischt hatte. Mein Amüsement war, dass es hieß: „Die schwarze Hand Gottes?“ Und das mit einem Fragezeichen.

      Ich ärgerte mich ein wenig. Kurts verheißungsvolles Cremen hatte mich mehr aus der Fassung gebracht, als mir lieb war.

      Nach einer Stunde kamen Käthe und Karla erst wieder. „Karla wollte unbedingt den "Supermann-Teller", auf gut deutsch Nudeln mit Hacksoße. Sie mag das eben so gerne, entschuldigte sich die Käthe; als wenn ich etwas dagegen hätte, bloß sollte Karla nicht glauben, dass sie zu Hause von mir nun jeden Wunsch erfüllt bekommen würde.

      Karla wollte einfach nicht still sitzen bleiben in dem schicken Straßen-Cafe der kleinen, aber feinen Einkaufstrasse. Stattdessen tobte sie mit einem etwa fünfjährigen, deutschen Jungen vom Nachbartisch herum und das so, dass der Kaffee auf dem Tisch überschwappte. Nicht nur die Eltern des Jungen schauten mich und Kurt, den man fälschlicherweise für Karlas Vater hielt, missbilligend an. Das hatte man dann davon, wenn man einer aufkeimenden Urlaubsliebe näher kommen wollte. Ich hatte mich entschieden, dass ich alles seinen Lauf lassen würde. Wenn schon, denn schon. Aber ich wollte mehr über ihn erfahren. Schließlich wusste ich kaum etwas von Kurt. Weder, was er beruflich machte, noch sonst näheres. Dann wusste ich später, dass er ein Ingenieur war, der mal Urlaub machte.

      Karla wurde immer übermütiger. Gott sei Dank kam im richtigen Moment Käthe mit Einkaufstüten um die Ecke. Mit einem Blick übersah sie die Situation und bot sich an, mit Karlinchen schon einmal zum Appartement zu gehen, nicht ohne mich warnend anzuschauen, nach dem Motto, du kommst aber schnell nach.

      Als die beiden nicht mehr in Sicht waren, zupfte Kurt an meinen Locken. "Ich mag deine Haare", sagte er und lächelte mich galant an. Mir wurde nicht nur warm ums Herz, sondern tausend Blitze durchfuhren meine Bauchgegend, und ich hätte es nicht für möglich befunden, dass ich das mit dem Ablenken so schnell hin gekriegt hatte, ob da wohl wirklich etwas dran war? Als hätte ich mir tatsächlich meine Realität selbst geschaffen. Atemlos sagte ich, "eigentlich kennen wir uns kaum, ... ." Ich machte eine bedeutungsvolle Pause und fuhr dann fort: "Du darfst bloß nicht denken, dass das immer bei mir so ist. Außerdem sollten wir uns ein bisschen Zeit miteinander lassen, findest du nicht?" Behutsam schob Kurt eine widerspenstige Locke hinter mein Ohr. "Du meinst, du bist keine Frau für eine Nacht, kein hemmungsloses Flittchen, das für jeden zu haben ist. Nicht wahr? Das habe ich mir auch schon so gedacht. Und du brauchst nicht zu denken, dass ich der Don Juan Typ bin, der jede Frau im Urlaub anmachen will, bloß ... ." Ich guckte ihn mit schräg geneigtem Kopf von der Seite her an und fragte, "bloß was?" Kurt sog schnell die sommerlich heiße Luft ein und sein Blick sagte mir, schau mich nur nicht so an, sonst zerr ich dich sofort in mein Bett. Im ausatmen sagte er schließlich kopfschüttelnd in sich hinein lächelnd: "Bloß sind im Urlaub sämtliche sonst geltenden Gesetze außer Kraft gesetzt, das musst du doch zugeben. Schau dir zum Beispiel diesen Mann da an, der an unserem Tisch gleich vorbeigeht. Er trägt weiße Tennissocken in Badeschlappen, eine geblümte Hawaii-Hose, ein viel zu knappes Hemd über seinen Bierbauch. Kurzum er präsentiert sich in aller Öffentlichkeit in fernen Landen, wie er zu Hause auf der Straße nie herumlaufen würde. Das ist hier auf Mallorca eben möglich, wie im Karneval ist eben für eine gewisse Zeit alles erlaubt." Beinah verlegen drehte Kurt an seinem mit mexikanischen Motiven ziselierten Silberring herum. "Versteh mich nicht falsch, aber zu Hause in meiner Stadt, wie sicherlich auch bei dir zu Hause, hätten wir uns nicht so schnell kennen gelernt. Hier ist eben das Meer, die Sonne, diese traumhafte romantische Gegend, und die Hitze." Nun grinste er viel zu unverschämt, wie ich fand. "Ja ich versteh' dich schon . Du brauchst keine Angst zu haben vor Heiratsanträgen, Nachstellungen nach dem Urlaub und so weiter. Wir sind ja schließlich beide erwachsene Menschen."

      "Aha, jetzt bist du doch empört." Wider Erwarten nahm er meine Hände in seine, drehte sie hin und her und begann sie zu massieren, dann hielt er sie stärker fest als mir lieb war. Ich hatte einmal gelesen, dass es ein Mann, wenn er die Hände einer Frau so in seinen hält, ernst meint. Er ließ meine Hände los, trank seinen Cappucino mit Amaretto leer und winkte dem Ober zu. Nachdem er bezahlt hatte, zog er mich hoch, nahm mich bei der Hand und sagte bestimmend: "Komm, wir gehen."

      Den späten Nachmittag verbrachten wir jeweils in unseren Appartements und hielten jeder für sich Siesta, abends gingen wir alle zusammen am späten Abend noch fein essen und zum Strand, dann war der Tag gelaufen.

      Nein er hatte mich nicht mit auf sein Appartement genommen und in sein Bett gezerrt, ich war schließlich etwas besonderes für ihn. Und ich hatte ihm ja auch schließlich die Pistole auf die Brust gesetzt, dass ich noch etwas Zeit brauchte.