Eckhard Lange

Von Gott erzählen


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      Eckhard Lange

      Von Gott erzählen

      Narrative Predigten - Erzählungen zur Bibel

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       ZUR BEDEUTUNG DES NARRATIVEN - EINIGE ÜBERLEGUNGEN VORWEG

       1. DIE ENTFALTENDE ERZÄHLUNG

       2. PERSPEKTIVISCHE ERZÄHLUNG

       3. DISKURSIVE ERZÄHLUNG

       4. TRANSZENDIERENDE ERZÄHLUNG

       5. SITUATIVE ERZÄHLUNG

       6. TRANSFORMIERENDE ERZÄHLUNG

       7. EXEMPLARISCHE ERZÄHLUNG

       8. INTERAKTIVE ERZÄHLUNG

       VORBERKUNGEN ZUM TEIL "ERZÄHLUNGEN"

       1. JAKOB IN BETHEL (1. Mose 28, 10-22)

       2. DIE RICHTERIN (Richter 4)

       3. NABOTHS WEINBERG (1. Kön. 21, 1-20)

       4. DIE VERSUCHUNG (Matth. 4, 1-11)

       5. DER RABBI UND DIE TRÄUME - BARTIMÄUS (Mark. 10, 46-52)

       6. DER KOMPROMISS (Matth. 27, 1)

       7. BARABBAS (Lukas 23, 13 - 47)

       ANHANG: EIN RÜCKBLICK AUF DAS HANDWERKSZEUG

       VOM GLEICHEN VERFASSER ERSCHIENEN:

       Impressum neobooks

      ZUR BEDEUTUNG DES NARRATIVEN - EINIGE ÜBERLEGUNGEN VORWEG

       Eckhard Lange: Von Gott erzählen - narrative Predigten + Erzählungen zur Bibel

       Erster Teil: Narrative Predigten

       Erzählen und Erfahrung

      Die älteste und elementarste Form, eigene Lebenserfahrungen an andere weiterzugeben, besteht darin, von ihnen zu erzählen.

      Fähigkeiten und Fertigkeiten lerne ich, indem ich anderen zuschaue, sie dabei nachahme. Wie Beute gejagt und gefangen, Nahrung gesucht und zubereitet, Werkzeug genutzt und gefertigt wird - das konnte der Mensch bei seinen älteren und erfahreneren Zeitgenossen miterleben, er konnte mitmachen und nachmachen. Und später konnte er das Erlebte vielleicht auch verbessern und selber den Jüngeren vormachen. Darin unterscheidet er sich nicht eigentlich vom Tier.

      Doch daneben gibt es andere, einmalige und unwiederholbare Lebenserfahrungen: Was ich erlebt, was ich erlitten oder errungen habe, was mich reifer und weiser werden ließ - diese Einsichten lassen sich nicht einfach wiederholen und anderen vorführen. Ich muß sie auf andere Art vermitteln. Das gleiche gilt für alle sinnstiftenden Erlebnisse in der Geschichte der Menschheit, für die Begegnungen mit dem Absoluten, Transzendenten - also für religiöse Erfahrungen, in welcher Form auch immer sie gewonnen wurden.

      Das alles ist nur durch Sprache möglich. Erst sie macht das Vergangene, das Einmalige wieder lebendig und vergegenwärtigt es, denn der Mensch kann davon erzählen: Er kann dem anderen ein lebendiges, begreifbares Bild davon vor das innere Auge zeichnen. So werde ich - trotz meiner Distanz zu dem Geschehenen - hineingenommen: Ich kann miterleben, was doch eigentlich Vergangenheit ist. Indem ich höre, was mir erzählt wird, fühle ich mit, fürchte oder freue mich mit, entdecke Unbekanntes - so, als wäre ich es selbst, der hier handelt oder leidet; so, als wäre das früher Geschehene, das Einmalige und Unwiederholbare gegenwärtige, zeitlose Wirklichkeit. Wer solche Erfahrungen weitergeben, überliefern will, muß davon erzählen.

       Erzählen bedeutet, Erfahrungen zu tradieren

      Stärker als alle abstrakt gewonnene Einsicht prägt es den Menschen, wenn er hineingenommen wird in diese eigentlich fremden Erfahrungen, wenn er sie noch einmal selbst in seiner Fantasie nachvollzieht und sich damit aneignet. Verändern kann mich nur, was mich wirklich ergreift, berührt, was ich selber erlebe. Erzählen erst, Erzählen allein macht das Erlebnis eines anderen ganz zu meinem eigenen.

      Ja, mehr: Indem ich so hineinschlüpfe in diese fremden Erfahrungen, indem ich sie so nachvollziehe, als wären es meine eigenen, mache ich zugleich neue, nur mich betreffende Erfahrungen: Ich entdecke an mir und in mir Dinge, Einsichten, Erkenntnisse, die dem Erzählenden selbst verschlossen geblieben sind. Erzählen nimmt also nicht nur hinein in die Vergangenheit und vergegenwärtigt sie, es verändert auch den, der zuhört, und eröffnet ihm so eine neue Zukunft.

      Darum ist Erzählen nicht einfach Wiedergabe tatsächlicher Ereignisse: Wer sie erzählt, verdichtet sie zugleich. In jedem Akt des Weitererzählens sammelt sich neue Erfahrung an, er verändert die Geschichte, indem er sie bereichert und vertieft. Und: Jeder weitere Erzähler fordert seine Zuhörer heraus, ebenfalls eigene Erfahrungen mit dieser Geschichte zu machen.

       Erzählen bedeutet, Erfahrungen zu provozieren

      Jede Erzählung ist also nicht bloß Berichterstattung von früheren Geschehnissen, sie ist zugleich auch deren Verarbeitung:

       Erzählen bedeutet, Erfahrungen zu reflektieren

      So entstanden die Sagen und Sagenkreise früher Gesellschaften. Sie sind durch Generationen hindurch angereicherte Erfahrungen, sie sind Dichtungen - durch Reflexion verdichtetes Erleben: Was ganze Gruppen - Familienverbände, Sippen, Volksstämme - an geschichtlichen Einsichten gewonnen haben, wird nicht einfach weitererzählt; es wird verdichtet auf beispielhafte Schicksale. Erst und gerade im scheinbar Einfachen, in der Personifizierung von gesellschaftlich gewonnener Erfahrung, wird diese nachvollziehbar und damit zum Lernstück für kommende Generationen.

      Aber diese Form geschichtlicher Überlieferung beschränkt sich nicht auf frühe, vorwissenschaftliche Gesellschaften, sie ist eine grundsätzliche Möglichkeit der Kommunikation. Eine eigene Erfahrung mag dies verdeutlichen:

      Zurückgekehrt von einem Besuch unterschiedlicher amerikanischer Kirchengemeinden, begann ich, das Erlebte