Melanie Tasi

Borderline


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je nichts“, antwortete Danny ihr, ohne sich umzudrehen.

      „Oh doch, das bringt sogar eine Menge. Wenn Sie Ihre Pillen nicht nehmen, wird es Ihnen wieder schlechter gehen.“ Grace stand jetzt unmittelbar hinter ihm. Mit einer kurzen Handbewegung deutete sie auf Janice und sagte: „Schauen Sie, das ist Dr. McArthur. Sie ist die neue Psychologin hier auf der Station.“ Danny drehte sich langsam zu Janice um und ihre Blicke trafen sich. Seine strahlend blauen Augen hatten etwas magisches an sich, dem Janice nicht wiederstehen konnte. Unentwegt starrte sie ihn an, ohne auch nur ein Wort zu sagen.

      „Ah ha, noch eine von denen. Mal sehen, wann und wie die verschwinden wird“, sagte Danny, nickte Grace kurz zu und lief dann in Richtung des Korridors. Janice stand regungslos da und starrte noch sekundenlang hinter ihm her. Als sie sich gefangen hatte rief sie: „Moment mal, was meinen Sie damit, wie und wann ich verschwinden werde?“ Durch das laute Geschrei wurden die anderen Patienten, die an den Tischen saßen und versuchten sich zu beschäftigen, beunruhigt und fingen selber an zu schreien.

      „Ist ja schon gut. Beruhigt euch wieder. Sonst geht ihr alle sofort auf eure Zimmer. Und das nächste Mal, Dr. McArthur, schreien Sie nicht so durch die Gegend“, sagte Grace. Sie war sichtlich wütend auf Janice und versuchte, die aufgebrachte Menge wieder zu beruhigen. Irgendetwas stimmt doch hier nicht, dachte Janice und verließ den Aufenthaltsraum, ohne weiter auf Grace zu achten. Während sie durch den Korridor lief, hatte sie ein ungutes Gefühl. Etwas war ganz und gar nicht in Ordnung. Aber was es war, wusste sie nicht. Sie fand Danny bei der Medikamentenausgabe, als er gerade seine letzte Pille hinunter schluckte.

      „Hallo. Danny, nicht wahr? Sagen Sie mir, was Sie vorhin gemeint haben, wie und wann ich verschwinden werde“, sagte Janice. Sie stand jetzt direkt neben ihm und wartete auf eine Antwort. Als er sich zu ihr umdrehte, sah sie wieder seine strahlenden blauen Augen. Oh Gott, wie wunderschön, dachte sie und versuchte, ihn nicht direkt anzustarren. Danny schluckte kurz und antwortete ihr dann: „Sie sind nicht die erste Ärztin hier auf der Station Dr. J.“

      „Dr. McArthur!“

      „Wie auch immer. Hören Sie, ich bin schon seit zehn Jahren hier auf dieser verfluchten Station. Da kommt es nun mal vor, dass die Ärzte hier kommen und gehen. Die Frage ist nur, wie sie wieder gehen, Dr. J.“, gab Danny ihr als Antwort und schaute ihr dabei direkt in die Augen. Ein kalter Schauer lief ihr dabei über den Rücken. Seine Augen hatten etwas merkwürdiges an sich. Etwas, das Janice aber nicht deuten konnte.

      „Was meinen Sie damit, Danny?“, fragte Janice und versuchte, ihren Blick von seinem zu lösen. Was ihr aber nur sehr schwer fiel.

      „Das reicht jetzt.“ Bevor Janice eine Antwort von Danny erhielt, erschien Grace hinter ihr. Mit dem finsteren Blick und der riesenhaften Statur wirkte sie richtig furchteinflössend und Janice entschied, einige Schritte bei Seite zu treten.

      „Vergessen Sie die Worte eines Verrückten. Ich wünsche Ihnen eine erholsame Nacht, Dr. J.“, verabschiedete sich Danny mit einem Nicken in Janice Richtung und lief in sein Zimmer. Janice starrte ihm einige Minuten hinterher. Danny hatte etwas merkwürdiges an sich. Etwas, das sie magisch anzog und dem sie nicht wiederstehen konnte und wollte. Sie musste mehr über ihn erfahren.

      „Haben Sie gehört, Dr. McArthur?“ Grace Stimme holte sie zurück in die Realität.

      „Entschuldigung, was haben Sie gesagt?“, fragte Janice und errötete leicht, als sie das leichte Grinsen auf Thomas Lippen entdeckte.

      „Ich sagte, dass in ein paar Minuten die Nachtruhe beginnt. Thomas und ich müssen darauf achten, dass auch jeder Patient in seinem Zimmer ist. Nachdem dann alle Zimmer verschlossen wurden, kommt die Nachtschicht und wir können nach Hause gehen“, sagte Grace und gab Thomas ein Zeichen. Sie lief den Korridor entlang und scheuchte jeden Patienten zurück in sein Zimmer.

      „Bei diesem Typen sollten Sie vorsichtig sein. Der ist nicht ganz ohne“, flüsterte Thomas Janice über die Schulter, als er an ihr vorbei ging. Janice stand in dem kühlen Korridor und wusste nicht ganz, wie ihr geschah. Wo um alles in der Welt bin ich da nur hinein geraten, dachte sie und schaute unbewusst zu dem Zimmer, in das Danny verschwunden war.

      Nachdem alle Patienten in ihren Zimmern untergebracht und eingeschlossen waren, beobachtete Janice, wie Grace die Geschehnisse des Tages mit der Nachtschwester besprach.

      Janice wunderte sich, wie jung die Schwester aussah und ob sie überhaupt geeignet war in einer psychiatrischen Klinik zu arbeiten.

      „Ok, das war’s. Feierabend. Jetzt können wir endlich nach Hause gehen“, sagte Grace und legte eine Hand auf Janice Schulter. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen fügte sie noch hinzu: „Das war wohl ein aufragender erster Arbeitstag, was?“

      „Das kann man wohl sagen. Ich werde mir jetzt noch einige Akten aus dem Büro holen und dann mein Zimmer im Schwesternwohnheim suchen. Und wenn ich es gefunden habe, werde ich mir erst einmal ein langes heißes Bad gönnen“, antwortete Janice und folgte Grace hinaus aus dem Aquarium.

      „Daraus wird wohl nichts“, sagte Grace und blieb abrupt stehen.

      „Warum? Gibt es hier draußen etwa kein heißes Wasser?“ Enttäuschung machte sich in Janice breit und sie seufzte betrübt. Nur ein schönes heißes Bad konnte sie entspannen.

      „Warmes Wasser gibt es schon, aber keine Badewannen. Sie müssen sich wohl oder übel mit der Dusche zufrieden geben. Oder Sie benutzen das große Badezimmer, das für die Patienten bestimmt ist“, sagte Grace und ein spöttisches Grinsen breitete sich in dem dunkelhäutigen Gesicht der Oberschwester aus.

      „Ich glaube, mir reicht auch eine heiße Dusche“, antwortete Janice und verabschiedete sich mit einer kurzen Handbewegung von Grace. Auf dem Weg zu ihrem Büro kam ihr Thomas entgegen und sie wunderte sich, was er wohl noch hier zu suchen hatte.

      „Ich dachte, Sie sind schon weg?“, fragte sie und blieb vor der großen Glastür stehen, um sie mit der Schlüsselkarte, die Linda ihr im Aquarium hinterlegt hatte, zu öffnen.

      „Ach, ähm, ja, ich hab noch etwas im Aufbewahrungsraum vergessen. Das muss ich noch schnell holen“, sagte er kurz und lief ohne ein weiteres Wort an ihr vorbei. Komisches Verhalten, dachte Janice und ging zu ihrem Büro. Es dauerte nicht lange und sie hatte gefunden, wonach sie gesucht hatte. Die Akte von Danny Read war dicker als die der anderen Patienten. Sie steckte sie schnell in ihre Aktentasche und verließ wieder den kleinen Raum. Als sie am Aquarium vorbei kam, war die junge Nachtschwester nirgendwo zu sehen. Ob sie wohl auch etwas im Aufbewahrungsraum vergessen hat, dachte Janice und verließ mit einem Grinsen die Station. Ihr war es egal, was Thomas in seiner Freizeit trieb, Hauptsache, sie war nicht beteiligt. Als sie das Gebäude verließ, stellte sie erleichtert fest, dass es aufgehört hatte zu Regnen. Na, immerhin etwas, dachte sie, stieg in ihren Wagen und fuhr das kurze Stück rauf zum Schwesternwohnheim.

      Dort angekommen ließ sie ihren Wagen auf dem Parkplatz stehen und machte sich auf die Suche nach ihrem Zimmer. Die Suche erwies sich als schwieriger, als sie gedacht hatte. Die merkwürdige Schrift von Linda auf dem zu kleinen Zettel, war kaum zu entziffern. Als sie es schließlich gefunden hatte, schmiss sie ihren Koffer auf das Bett und schaute sich erst einmal um. Das Zimmer war recht klein. Es hatte ein Bett und einen Schreibtisch mit einem Stuhl. Mehr brauchte sie im Moment auch nicht. Sie nahm sich einige Sachen aus ihrem Koffer und ging in das noch kleinere Badezimmer, um sich eine heiße Dusche zu gönnen.

      Frisch in einen kuscheligen Bedamantel gewickelt, machte es sich Janice mit der Akte von Danny Read auf dem Bett gemütlich. Obwohl die Akte recht dick war, stand nicht wirklich etwas von Interesse darin. Nur das übliche Psychologen Gerede. Danny war leicht Schizophren und hörte ab und an Stimmen, was er aber zu leugnen versuchte. Zudem litt er an Verfolgungswahn. Wer könnte ihn wohl verfolgen, dachte Janice und blätterte einige uninteressante Seiten um.

      „Oh ha, was ist das?“, rief Janice laut und richtete sich im Bett auf. Dabei fielen ihre Kekse, die sie sich als Gedankenfutter, wie