Melanie Tasi

Borderline


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dann, bis zum nächsten Mal, Kleines“, sagte Thomas und verließ den Aufbewahrungsraum, ohne sich noch einmal umzudrehen.

      „Moment mal“, rief die junge Nachtschwester hinter ihm her. „Ist das etwa alles? Du kommst hier her, schläfst mit mir und verschwindest dann wieder.“

      „Nun ja, ich muss dringend wieder los. Ich hab noch einiges zu erledigen, weißt du?“, sagte Thomas, blieb verlegen stehen und schaute hilfesuchend zu der rettenden Glastür hinüber, die ihm ein ungemütliches Gespräch mit seiner Geliebten ersparen könnte.

      „Was hast du schon um Mitternacht so dringendes zu erledigen?“, fragte ihn die junge Schwester und blieb, mit in den Seiten gestemmten Armen vor ihm stehen. Thomas schaute sie verlegen an und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als er sah, dass ein Knopf an ihrem Schwesternkittel abgerissen herunter hing.

      „Nun ja, es ist so, das ich, also! Ach Herr Gott noch mal, Mary. Du weißt genau, dass ich nichts von festen Beziehungen halte. Und das mit uns ist doch nur eine Affäre. Kein Grund gleich so besitzergreifend zu sein“, sagte Thomas. Er war sichtlich wütend auf Mary und versuchte, ihr nicht direkt in die Augen zu schauen. Denn er wusste, wenn er das tat, wurde er wieder schwach bei ihr und würde alles tun, was sie von ihm verlangte. Er konnte ihrem Charme einfach nicht wiederstehen.

      „Ah ha, ich bin also nur eine Affäre für dich. Und von wegen, du hältst nichts von Beziehungen. Was ist den dann mit Linda? Mit der hast du doch eine Beziehung, oder?“, rief Mary. Die junge Nachtschwester schäumte jetzt regelrecht vor Wut und ihr dunkelbraunes lockiges Haar, das nur von der Schwesternhaube ordentlich zusammengehalten wurde, wippte bei jeder Bewegung, die sie machte, auf und ab. Mary war nicht die Sorte von Frau, die sich gerne von Männern benutzen ließ, und schon gar nicht von einem Mann wie Thomas. Sie hatte zwar nichts gegen eine Affäre mit einem Kollegen am Arbeitsplatz, solange sie dabei nicht erwischt wurde. Aber wenn man sie belog, hörte bei ihr der Spaß auf. Gerade als Thomas etwas erwidern wollte, hallte ein lautes Gelächter durch den Korridor.

      „Was war das?“, fragte er erschrocken und zugleich erleichtert, nicht auf Marys Frage antworten zu müssen.

      „Lenk jetzt nicht vom Thema ab. Das wird wohl einer der Patienten gewesen sein“, sagte Mary und wartete auf eine Antwort von Thomas. Dieser schaute jedoch direkt an ihr vorbei in Richtung der Patientenzimmer und sagte: „Das hörte sich aber nicht wie das übliche Geschrei an. Das klang irgendwie merkwürdig. Vielleicht sollten wir mal nachschauen?“

      Ohne auf eine Antwort von ihr zu warten lief Thomas auch schon in die Richtung, aus dem der Schrei gekommen war.

      „Na schön, ich muss sowieso nach dem Rechten schauen“, antwortete Mary und lief gelangweilt hinter Thomas her. Mit einer Schnelligkeit, mit der sie kaum mithalten konnte, schaute Thomas durch jedes kleine Fenster, das die Zimmer der Patienten besaßen. Vor Danny Reads Zimmer blieb er stehen und schaute einige Minuten durch das Fenster.

      „Ach du scheiße“, sagte er knapp und machte einen Schritt zurück. Mary stellte sich neben ihn und schaute ihn erwartungsvoll an. Als Thomas weiter nichts sagte fragte sie: „Was ist den? Ist irgendwas passiert? Geht es dem Patienten gut? Sag doch was.“

      Thomas sah sie an und sagte: „Da ist niemand drin!“

      „Das ist unmöglich. Lass mich mal sehen“, sagte Mary und zog ihren Schlüsselbund mit den Schlüsseln zu jedem Zimmer auf der Station aus ihrer Tasche. Nur zögernd machte Thomas ihr Platz. Zu tief saß der Schock, dass ein Patient nicht in seinem Zimmer war. Mit raschen Bewegungen hatte Mary die Tür geöffnet und ging hinein.

      „Oh Gott, wo ist er?“, schrie sie und drehte sich zu Thomas um. „Wir müssen ihn suchen.“ Sie lief aus dem Zimmer und blieb in der Mitte des Korridors stehen. Verzweiflung machte sich in ihr breit.

      „Und wo willst du ihn suchen? Er kann unmöglich aus dem Zimmer entkommen sein“, sagte Thomas, der nun mitten in dem kleinen Raum stand und sich umschaute. Es gab keine Versteckmöglichkeiten, an denen sich Danny hätte verstecken können.

      „Er ist nicht hier. Verdammt!“, sagte Thomas und verließ ebenfalls den Raum. „Wir müssen den Wachdienst und die Verwaltung informieren.“

      „Spinnst du“, sagte Mary und schaute in an. „Wenn raus kommt, was wir hier getrieben haben, während ein Patient gemütlich an uns vorbeimarschiert ist, dann sind wir beide unseren Job los.“ Panik breitete sich in der Stimme der kleinen Schwester aus.

      „Aber irgendetwas müssen wir doch unternehmen, oder?“ Thomas stand mit dem Rücken zu Dannys Zimmer und schaute Mary fragend an. Irgendetwas stimmte plötzlich nicht. Ein merkwürdiger Geruch lag in der Luft.

      „Riechst du das?“, fragte Thomas und schaute in das vor Schreck verzehrte Gesicht von Mary. Ein dumpfer Schlag traf ihn am Hinterkopf und er fiel bewusstlos zu Boden.

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