Klaus Hammer

Artikel 20.4


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Bis auf die schwarz gekleidete Gestalt mit Guy Fawkes Maske die auf dem mittleren Platz saß. Er hatte eine Kapuze auf, die sein Gesicht seitlich abschirmte. Es war beim besten Willen nicht zu erkennen, um wen es sich handelte.

      „Dafür, dass es da gerade noch gebrannt hat, ist das aber ziemlich sauber.“ sagte Monika in den Raum hinein und zog dabei die Stirn kraus. Sie sollte das lassen, dachte sie sofort bei sich. Das gibt nur unschöne Falten auf der Stirn.

      „Ich sehe auch gar keine Brandspuren.“ ergänzte Petra, deren Aufmerksamkeit mehr auf dem Bildhintergrund als dem Geschehen in der Bildmitte lag.

      „Sehr merkwürdig. Als wir gerade von außen in Richtung Eingang geschaut haben, waren die Türen noch total verraucht. Selbst die Kuppel sah von außen aus, als ob man drinnen die Hand vor Augen nicht erkennen könnte. Und jetzt ist da nichts.

      Auf dem Bildschirm zeigte sich eine Bewegung. Die Person schien etwas mitteilen zu wollen.

      Petra hatte die Lautstärke des Monitors bereits herauf gedreht, so dass sie jedes Wort verstehen konnten.

      „Liebe Mitarbeiter des Senders Phoenix, liebe Polizei in Berlin, liebe Feuerwehrleute, liebe Mitbürger dieses Landes. Am heutigen Tage werden wir für Gerechtigkeit sorgen. Verbrechen werden bestraft und Urteile werden gesprochen werden. Doch zuerst muss sicher gestellt sein, dass dieses wichtige Ereignis auch von den Menschen in diesem Lande wahrgenommen werden kann. Daher fordern wir Sie auf, dafür Sorge zu tragen, dass diese Sendung über alle öffentlich-rechtlichen und privaten Sender in Deutschland ohne Verzögerung und gleichzeitig live ausgestrahlt wird. Wir werden die Sendung laufen lassen und die Einhaltung unserer Forderung kontrollieren. Für die Umsetzung geben wir Ihnen bis 11:00h, also etwa eine halbe Stunde, Zeit. – Ach, nur für den Fall, dass Sie der Meinung sind unsere Forderung nicht erfüllen zu müssen: Die Konsequenzen dürften Ihnen noch viel weniger gefallen.“

      Die schwarz gekleidete Person legte ein Blatt Papier zur Seite.

      „Ein kleiner Hinweis noch für die Rettungs- und Einsatzkräfte dort draußen vor der Tür: Bitte geben sie sich keine Mühe in das Gebäude zu gelangen. Schlimmstenfalls würde das nur Maßnahmen unsererseits nach sich ziehen.“ Er hatte das Wort Maßnahmen seltsam hervorgehoben, so dass es Monika, Petra und Jan, der inzwischen auch den Ü-Wagen betreten hatte, eiskalt den Rücken herunter lief.

      „Ich werde mich um um Punkt 11.00h wieder melden.“ Sagte die Person in Schwarz. Dann wurde das Bild dunkel und zeigte das Standbild des Bundesadlers vor dem „GG Art20.4“ geschrieben stand.

      Monika wurde leichenblass. „Das waren keine Nazis vorhin...“

      Petra nickte. „Mit den Guy Fawkes Masken hätte das auch nicht so sonderlich gut gepasst.“

      Monika verfluchte sich unhörbar für ihre Voreingenommenheit. Wie hatte sie sich so einfach auf eine falsche Spur bringen lassen können? Sie nahm sich vor zukünftig genauer hin zu sehen, bevor sie ein Urteil fällte. Der einzige Vorteil, den sie für sich sah war, dass sie recht behalten würde. Das hier konnte noch sehr interessant werden. Und möglicherweise ihrer Karriere einen entscheidenden Schub geben.

      Während die beiden Frauen noch auf den Bildschirm starrten hatte Jan, auf dem Notebook das es vor sich auf dem Schoß liegen hatte, bereits eine Webseite aufgerufen:

      Artikel 20

      (1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

      (2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

      (3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

      (4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

      *

      10:55h Entscheidung

      Es war kurz vor elf Uhr, als vor dem Übertragungswagen ein Mann Mitte Fünfzig in Begleitung von zwei Polizisten erschien und Monika Holtzmann zu sprechen wünschte.

      Monika zuckte zusammen. Sollte ihre Aktion vorhin, bei der sie die Polizeiabsperrung durchbrochen hatte, jetzt doch Konsequenzen haben? Doch letztlich wischte sie die Gedanken beiseite. Die Polizei hatte jetzt sicherlich wichtigeres zu tun.

      Sie ging auf den kräftig wirkenden Mann, der etwa zehn Zentimeter größer als sie war, zu. Sie war froh, ihre Pumps zu tragen. So war sie annähernd so groß wie er. Sie fühlte sich in Gesellschaft älterer Männer, die größer als sie waren, unwohl. Sie fühlte sich mit ihren Pumps auf Augenhöhe. Ihr Blick wanderte über den vor ihr stehenden Mann. Er sah vollkommen normal aus, was für Berliner Verhältnisse beinahe ungewöhnlich war. Lediglich der Mantel den er trug, erinnerte sie an eine Fernsehserie aus den achtzigern von der sie neulich ein paar Folgen gesehen hatte. Als der Abend zu lang war und sie noch nicht müde genug, um ins Bett zu sinken. Allein. Dort trug der Kommissar auch solche einen beigen Mantel.

      „Sind Sie Monika Holtzmann?“ Der Mann, der ansonsten gekleidet war, wie einer dieser Tatortkommissare sah sie streng an. Monika wurde wieder unbehaglich zumute.

      „Ja. Die bin ich. Ich bin im Auftrag des Senders Phoenix hier vor Ort um...“

      „...Ja, ja. Mein Name ist Jonas König. Ich bin der leitende Ermittlungsbeamte hier vor Ort.“

      „Also doch ein Tatortkommissar.“ schoss es Monika durch den Kopf. Sie schmunzelte.

      „Sie haben das Ultimatum dieses Terroristen vorhin mitbekommen?“

      „Was für eine Frage! Natürlich haben wir das mitbekommen!“ Monika verdrehte innerlich die Augen bei dem Gedanken. Sie stand mit dem Übertragungswagen direkt vor dem Bundestag. Da kommt eine Sendung aus dem Plenum und sie sollte das nicht mitbekommen haben?

      „Es geht darum, dass wir den Erpressern eine Nachricht zukommen lassen wollen. Wir kommen ja nicht rein und sie hören uns auch nicht.“

      „Und wie können wir Ihnen dabei helfen?

      „Können Sie eine Sendung direkt an die Erpresser im Gebäude senden?“ Der Blick des Kommissars hatte jetzt etwas hoffendes, so wie ein Mensch, der verzweifelt auf den Brief zu seiner Krebsdiagnose wartet und dann alle Hoffnung hineinsteckt, es möge eine positive Mitteilung sein.

      „Nein. So funktioniert das nicht.“ Monika schüttelte leicht den Kopf. „Das nennt sich nicht umsonst Rundfunk. Aber wieso die Erpresser? Glauben Sie es sind mehrere?“

      König lies die Schultern sinken. „Ich hatte gehofft, die Öffentlichkeit da raus halten zu können. Ja. Wir glauben, dass es sich um eine ganze Gruppe von Tätern handelt, für einen alleine wäre das Ganze wahrscheinlich logistisch nicht zu stemmen.“

      Monika sah ihn nun direkt an. „Wir können Ihre Nachricht live über den Sender geben. Nach dem was der Erpresser vorhin gesagt hat, werden sie die Sendung empfangen können.“

      „Also gut. Dann geht es eben über den Sender.“ König nickte zustimmend.

      Sie begannen vor dem Übertragungswagen eine Position zu bestimmen, an der Jonas König stehen sollte, wenn er seine Nachricht an die Erpresser im Bundestag sprechen sollte. Jovi, der inzwischen wieder zum Ü-Wagen zurück gekommen war, bereitete die Kamera vor und Jan sorgte für die zusätzliche Ausleuchtung mit Hilfe einer Aufhellfolie.

      Monika sah Jonas König an. „Von mir aus können wir starten.“ König wirkte mit einem mal als hätte er Magenschmerzen. Was wahrscheinlich auch der Fall war.

      Jovi gab das Zeichen zum Start und Monika Holtzmann begann mit der Anmoderation.

      „Wir stehen hier immer noch vor dem Bundestag. Vor etwa einer halben Stunde haben sich Personen aus dem Inneren des Parlamentsgebäudes gemeldet und den Sendern in Deutschland ein Ultimatum gestellt. – Bei mir ist nun Jonas König, der leitende Ermittlungsbeamte hier vor