Christian Sternenfeuer

Das Magische Universum


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Bedrohung, die den zivilisierten

      Welten drohte. Eine Schreckensherrschaft, die keinerlei

      Freiheit mehr zulassen würde. Unterwerfung und Gehorsam von

      Geburt an bis zum Tod waren das unerschütterliche Dogma des

      Tempelrats. Konnte sie den Aussagen des Kapitäns vertrauen? Die

      Geschichten, die über ihn in Umlauf waren, sprachen eigentlich

      dagegen. Der Tempel hatte intern ein diabolisches Bild von diesem

      Feind gezeichnet. Mit unerbittlicher Grausamkeit sollte er

      friedliebende Schiffe, Dörfer und kleine Städte überfallen, die

      Bewohner niedermetzeln, um danach nur verbrannte Erde hinter

      sich zu lassen. Dieser Mann, ein wahnsinniger Schlächter nach den

      Aussagen des Tempels, saß nun vor ihr. Allerdings vermittelte er

      ihr überhaupt nicht diesen Eindruck sondern eher das Gegenteil.

      Immer mehr spürte sie eine Übereinstimmung mit ihren eigenen

      Werten, was sie überraschte.

      Gewiss, seine Erscheinung wirkte bedrohlich, denn das verdeckte

      Auge machte einen furchterregenden Eindruck. Manchmal

      vermeinte sie, ein schwaches rötliches Glimmen hinter der Augenkappe

      zu sehen, dass sie erschreckte. Sie fragte sich insgeheim, was

      sich hinter dieser Abdeckung wohl verbergen mochte.

      »Kapitän Stern, ich will eurer Offenheit mit gleicher Aufrichtigkeit

      begegnen. Ja, euer Ghurka hat recht, ich bin auf einer Suche.

      Schon seit langen Jahren fahnde ich nach meiner entführten

      Tochter und sie zu finden, ist mein einziger Lebenssinn geworden.

      Wie ich in die Hände des Tempels gekommen bin, ist eine andere

      Geschichte. Doch ich versuche, seine Macht zu nutzen, um meine

      Nachforschungen durchführen zu können. Wenn ihr mir versprechen

      könnt, diese Suche mit euch und eurem Schiff weiterzuführen,

      dann wäre ich bereit, euch in den Besitz des Sehenden Auges

      zu bringen.«

      Stern war von ihren emotional vorgetragenen Worten tief berührt.

      Hier sprach eine verzweifelte Frau, eine Mutter, die ihr

      Kind suchte und das schon seit langen Jahren. Wie konnte er sich

      als Mann erdreisten, Kritik an der Art ihrer Suche zu äußern! Jedes

      Mittel würde ihr recht sein, um dieses Ziel zu erreichen, denn es

      wäre einfach die Umsetzung eines Naturgesetzes.

      »Im Grunde genommen, Aurelia«, und Hieronymus Stern benutzte

      bereits wie selbstverständlich diese Form der vertraulichen

      Anrede, »ziehen wir praktisch beide an einem Strang. Wir versuchen Dinge

      zu verhindern oder zumindest zu beeinflussen, hinter

      denen sich Machenschaften des Ordens offenbaren. Ihr nutzt eure

      Position von innen heraus, um auch gegen die Interessen des Tempels

      zu handeln, ich von außen. Sollten wir nicht überlegen, ob wir

      zusammen eine größere Wirkung erzielen könnten?«

      Aurelia war mehr als erstaunt, ja geradezu euphorisch, über die

      Wendung, die ihr Gespräch genommen hatte. Als Gegner hatten

      sie sich noch vor einigen Augenblicken gegenübergestanden und

      nun waren sie kurz davor, gemeinsam konspirative Pläne gegen den

      Tempel zu schmieden.

      »Kann ich euch vertrauen, Hieronymus? Es hat mich lange Jahre

      in den Diensten des Ordens gekostet, bis ich dieses Kommando

      erhalten habe. Ich würde alles aufgeben müssen und alles verlieren,

      was ich bis dahin erreicht habe. Habt ihr mir mehr zu bieten? Der

      Tempel wird nicht nur euch, sondern auch mich jagen. In Zukunft

      noch stärker als bisher. Sie werden ihre Agenten und Meuchelmörder

      auf uns beide ansetzen.«

      Wieder überlegte Stern einen längeren Moment, ehe er antwortete.

      »Nein, Aurelia, eine größere Sicherheit kann ich euch nicht bieten.

      Doch eine größere Freiheit kann ich euch versprechen, denn

      diese Angst vor einer Aufdeckung eurer heimlichen Pläne würde

      von euch abfallen. Und der Sternenteufel ist ein mächtiges Schiff.

      Er ist fast jedem anderen gewachsen oder überlegen. Außerdem

      habe ich durchaus starke Freunde und Verbündete, nicht nur unter

      den Menschen, sondern auch bei den Ghurka und, dies ist ein

      Geheimnis, dass ich euch nun anvertraue, auch bei den Hütern

      der Weisheit. Mit ihrer Hilfe kann es mir gelingen, dem Sehenden Auge

      Informationen zu entlocken, weil sie allein über die notwendige

      Zugangsmagie verfügen. Warum, glaubt ihr, bin ich so versessen

      darauf, das Auge unversehrt in meinen Besitz zu bekommen?«

      Aurelia konnte es nicht glauben, dieser Piratenkapitän ermöglichte

      ihr vielleicht, das Schicksal und den Aufenthaltsort ihrer

      Tochter ausfindig zu machen. Eine innerliche Eingebung manifestierte

      sich und mit einem Mal stand Aurelias Entschluss fest.

      Sie würde sich ihm anschließen, koste es was es wolle. Ihr Herz

      hatte die Entscheidung getroffen und so seltsam es schien, dieser

      Entschluss fühlte sich gut und richtig an.

      »Ich bin euer, Hieronymus. Versprecht mir, mich bei der Suche

      nach meiner Tochter mit allen Mitteln zu unterstützen. Nehmt

      mich in eure Mannschaft auf, dann werden wir gemeinsam den

      Kampf gegen den Tempel führen.«

      »Dann soll es so sein, Aurelia. Ich bin froh, euch als Verbündete

      und neues Mannschaftsmitglied an Bord zu haben. Lasst uns

      gemeinsam nach eurer Tochter suchen und den Machenschaften

      des Ordens Einhalt gebieten. Doch sagt noch nichts, bis wir einen

      Plan haben, wie wir in den Besitz des Auges gelangen. Oder seid

      ihr euch eurer Leute hier zu hundert Prozent sicher?«

      Aurelia überlegte kurz und blickte zu der kleinen Gruppe ihrer

      Mannschaft. »Nein, bei drei oder vier von ihnen bin ich mir

      ziemlich sicher, dass sie loyal zu mir stehen. Den anderen traue ich

      zu, dass sie unter Druck oder für Silberlinge Verrat begehen. Wie

      wollt ihr es anstellen, Hieronymus?«

      Der Kapitän des Sternenteufel winkte seinen Leibwächter herbei

      und