Christian Sternenfeuer

Das Magische Universum


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      jedenfalls die Korsaren im Nacken, daher fürchtete er um seine

      hart erkämpfte Beute. Da bot sich diese kleine Inselgruppe an, die

      wir nur wenige Meilen von hier entfernt sichteten. Im Schutz der

      Dunkelheit setzten wir mit einer Pinasse über und brachten die

      wertvollsten Stücke der Beute sowie die meisten Kisten in einer

      Höhle unter. Deren Eingang haben wir anschließend sehr sorgsam

      verdeckt, so gut, dass sie ein Unbefugter nicht finden dürfte.

      Kaum waren wir zurück, der Tag graute bereits, tauchte die Fregatte

      des Korsaren mit vollen Segeln in unserer Nähe auf. Es gab

      keine Chance, ihr zu entkommen. Im Schutz der Nacht hatten

      sie sich unbemerkt genähert. Wir hätten im Sternenmeer vielleicht

      entkommen können, denn unser Schiff war mit Sicherheit schneller.

      Doch es war im Kampf mit der Scilla zu schwer beschädigt

      worden, daher holte uns dieses Korsarenschiff ein. Sie hissten ihre

      blutrote Fahne mit dem Totenschädel, um kurz darauf das Feuer

      zu eröffnen. Wir waren knapp an Pfeilen und Geschossen, denn

      der Kampf mit der Scilla hatte uns mehr Munition gekostet als

      der Kapitän erwarten konnte. Sie haben uns schnell ausmanövriert,

      zudem schossen sie unsere Segel in Brand und gingen dann längsseits,

      um uns zu entern. Was dann kam …«

      Wieder schwieg Ja’hir in Erinnerung an das blutige Geschehen

      während ihm zwei einsame Tränen aus den Augenwinkeln rannen.

      »Die Männer der Ghurka sind mutige und tapfere Kämpfer,

      die im Zweikampf kaum zu besiegen sind. Doch diese Bestien

      waren wie von Sinnen. Sie stürmten mit fanatischem Gebrüll und

      Schaum vor dem Mund unser Schiff. Ich bin mir sicher, dass sie

      alle unter Drogen standen, denn sie kannten kein Erbarmen. Sie

      metzelten selbst diejenigen nieder, die ihre Waffen wegwarfen, um

      sich zu ergeben. Die Angreifer waren uns an Zahl und Ausrüstung

      weit überlegen. Möglicherweise wurde sogar Magie eingesetzt, ich

      vermag es nicht zu sagen. Innerhalb von nur zwei Stunden war unser

      Schiff erobert. Ich versteckte mich am Bugspriet unterhalb der

      Galionsfigur. Dort hing ich ungesehen über drei Stunden. In dieser

      Zeit ging das Morden und Schlachten unaufhörlich weiter. Immer

      wieder warfen sie Tote über Bord. Das Meer war übersäet mit den

      Leichen meiner toten Kameraden.

      Dann folterten sie den Kapitän, meinen Vetter ersten Grades,

      mit brutaler Grausamkeit. Ich höre noch immer seine Schreie.

      Doch er erwies sich der Familienehre würdig und verriet ihnen

      nichts von der Beute. Er starb mit dem Heldengesang seines Clans

      auf den Lippen. Ich …, ich bin stolz auf ihn. Er lebe hoch …

      und möge er den Platz unter seinen Ahnen einnehmen, wie es ihm

      gebührt!«

      Einerseits ergriffen, andererseits entsetzt von seiner Erzählung,

      hob Aurelia den Kelch, wobei sie dem Ghurka mitfühlend

      zunickte. Dieser stürzte den Inhalt seines Bechers in einem Zug

      hinunter, um dann gedankenverloren ins Leere zu blicken.

      »Was geschah dann?«, unterbrach die kalte Stimme von de’Soto

      seine augenscheinlich grauenhaften Erinnerungen.

      »Die Korsaren hatten die komplette Besatzung getötet und

      über Bord geworfen, wo sie innerhalb kurzer Zeit von den großen

      Raubfischen gefressen wurden. Diese Bestien wurden von dem

      vielen Blut angelockt, denn sie tauchten in ganzen Schwärmen auf.

      Mich verließen langsam die Kräfte, ich wusste, dass ich mich nicht

      mehr lange halten konnte. Die Piraten hatten eine Prisenmannschaft

      an Bord gebracht, um das erbeutete Schiff nach Ladimara

      zu segeln, wo sie vermutlich ihr Versteck hatten – ich weiß es

      nicht. Jedenfalls sah ich die Inseln langsam hinter dem Horizont

      verschwinden, womit ich jede Hoffnung verlor, mit dem Leben

      davon zu kommen.

      Als ich in geringer Entfernung einen großen Baumstamm treiben

      sah, ließ ich mich fallen, um mich daran festzuklammern, denn an

      Bord erwartete mich nur der Tod, sobald sie mich entdeckt hätten.

      Den Göttern sei Dank, die Besatzung bemerkte mich nicht, denn

      sie waren damit beschäftigt, die Vorräte an Caruba und Wein zu

      dezimieren. Sie soffen alles leer und grölten dabei nur siegestrunken

      vor sich hin. Unterdessen klammerte ich mich hilflos an den

      Stamm während ich die beiden Schiffe allmählich am Horizont

      verschwinden sah. Zwei Tage und Nächte trieb ich im Meer, ohne

      jede Hoffnung auf Rettung. Doch immer in der Furcht, einem

      großen Raubfisch zum Opfer zu fallen. Bis ich heute euer Schiff

      erblickte. Den Göttern sei Dank, sie haben meine Gebete erhört.

      Damit stehe ich tief in eurer Schuld. Da ein Ghurka seine Schuld

      stets begleicht, will ich euch verraten, wo mein Kapitän die Beute

      versteckt hat.«

      »Warum solltet ihr das tun, Ja’hir?«, fragte de’Soto voller

      Misstrauen. »Hättet ihr den Schatz nicht später bergen und dann

      selbst behalten können?«

      Mit einem knurrenden Fauchen sprang der Ghurka auf und

      fletschte die haifischähnlichen Zähne.

      »Master de’Soto, nur weil ihr mein Retter seid, vergebe ich euch

      diese Frage. Ansonsten müsste ich sofortige Genugtuung verlangen.

      Kennt ihr denn nicht den heiligen Ehrenkodex der Ghurka?

      Diesen Kodex, der über allen materiellen Reichtümern steht? Er

      verlangt, dass zuallererst jede Schuld beglichen werden muss. Mein

      Volk würde mich ausstoßen, sollte ich dem Kodex nicht Folge leisten.«

      Mit grollendem Zorn in der Stimme hatte sich Ja’hir zu seiner

      vollen Größe aufgerichtet. Dabei blickte er drohend auf den ebenfalls

      aufgesprungenen de’Soto herunter.

      »Beruhigt euch, Ja’hir. De’Soto ist über die Gepflogenheiten der

      Ghurka nicht informiert, sonst hätte er euch