J.D.Hogefeld

HERBST 1969.


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in den O-Bus ein. Der Benziner kommt gleich danach und ist gemütlicher. Nein, gut, sie bleibt stehen und wartet. Bleib ruhig Mann, dann kommt der Benziner, und sie steigt ein, hintere Plattform. Nun schnell hinterher, der Benziner ruckelt an. Sie reckt ihren Arm in die Höhe, Fahrausweiskontrolle. Über die Köpfe der anderen Fahrgäste damit der Schaffner auf seinem Kontrollplatz alles gut sehen kann. Bin immer froh, wenn ich meine getürkte Karte nicht zeigen muss.

      “Wer noch zugestiegen?“

      Blödsinn, die Buslinie beginnt doch hier am „Alten Markt“. Alle sind eingestiegen. Missmutig zeige ich meine Monatskarte, geübt liegt mein Zeigefinger auf dem nachgezogenen Strich Wupperfeld - Alter Markt. Kostet doch das Gleiche, aber die Stadtwerke stellen sich um so eine kleine Verlängerung der Fahrtstrecke einfach stur. Das „Carl – Duisberg – Gymnasium“ ist von „Wupperfeld“ aus zu erreichen, die nächstgelegene Haltestelle. Dass wir auch Sport bzw. Schwimmen in der „Flurstrasse“ haben und bis „Werther Brücke“ fahren müssen zählt nicht. Können ja laufen oder nachlösen. Keine Verlängerung der regulären Schulstrecke. Na ja, wozu gibt es Filzer und Locher sowie eine ruhige Hand. Auf der Entfernung sieht der Busschaffner den kleine Verlängerungsstrich eh nicht. Aber Kontrolleure schon, wenn, dann muss ich schnell raus. Aber heute nicht. Heute ist mein Glückstag. Jutta hat ihre Monatskarte lange genug hochgehalten, so dass ich ihren Namen lesen konnte. Und noch was ist mir aufgefallen. Sie hat einen „Persilschein“. Frei fahren in der ganzen Stadt. Ihre Eltern müssen bei der Stadt angestellt sein. Vergünstigungen für Familienangehörige! Jutta. Schöner Name, aber erinnert mich so an eine Zeitschrift. Ach nein, das war Petra. Egal. Trotzdem, pass auf, schon „Wupperfeld“, Hans-Werner und Gisela steigen zu. Ich gestikuliere lebhaft „no contact“ und rücke weiter nach hinten in die Nähe von Jutta. Trägt heute ihr blondes Haar offen, reicht bis in die Taille. Schöne Taille. Ist mir vorher noch gar nicht so aufgefallen, lag wohl an der Art, sie als Pferdeschwanz zu bändigen. Schön lang. Aber was machst du denn? Frag sie endlich. Kritische Kurve, leichter Körperkontakt, sie reagiert nicht, schaut nur aus dem Fenster. Noch zwei Stationen, mach´s heute oder du kannst alles vergessen. Die Zeit drängt. Da, Haltestelle „Rosegger“. Zischend und rasselnd gehen die hinteren Doppeltüren auf. Los raus und hinter Jutta her.

      „Tschüss Ha-We, tschüss Gisela, bis morgen.“

      Etwas verdutzt heben die zwei ihre Köpfe, aber da bin ich schon bei Jutta.

      „Hey Jutta“, geschafft, sie dreht sich um.„Ja?“ sie läuft nicht weiter und ich rot an.

      „Äh, ich wollte dich mal fragen, ja nun, wir machen demnächst eine Klassenfete in unserer Schule im `CDG`, weißt du, und da dachte ich, du und deine Klassenkameradinnen könnten doch mal zu uns kommen und mitfeiern.“ Puh, was für eine lange Rede, warst du zu schnell, ist sie jetzt beleidigt und überquert die Strasse und dann… Nein, sie schaut mich an. Zwei tiefblaue Augen.

      „Ich muss pünktlich zuhause sein, sonst krieg ich Ärger. Meine Mutter holt mich ab.“

      Ach so, strenge Eltern, sieht ja schlecht aus.

      „Äh, kann ich ein Stückchen mit dir kommen?“

      Du Idiot, das heißt nicht `Stückchen`, sondern ein `Stück des Weges begleiten` oder so, na ja Deutsch fünf, das ist es.

      „Na gut“, meint sie, „komm schnell mit über die Strasse.“„Und was denkst du über die Fete?“„Na ja, klingt ganz gut. Muss ich morgen mal in meiner Klasse fragen und mich rumhören, wer da so Lust hat zu kommen.“

      Wir sind an der Kurve der „Roseggerstrasse“ angelangt. Sie fragt. Sie sagt nicht nein. Himmel!

      „Und wann kannst du mir Bescheid geben? Soll ich dich anrufen oder fährst du morgen wieder im Benziner um die gleiche Zeit?“„Nee, wir haben kein Telefon, geht nicht. Aber morgen nach der Fünften am Alten Markt. Das ginge schon eher. So gegen eins, ja?“

      „Klar, abgemacht.“

      Hab zwar morgen in der Siebten Reli, aber was soll´s wenn ich schwänze, davon werd ich auch nicht frommer.

      „So, ich muss jetzt hier runter. Unten wartet meine Mutter auf mich und bringt mich nach Hause. Müssen den ganzen Berg zur „Konradshöhe“ rauf. Mach´s gut.“

      Konradshöhe, Mann, das ist doch am A… der Welt. Fußmarsch von zwei Stunden oder so und dann wieder zurück. Und das jeden Tag. Klar, dass ihre Mutter mit dem Auto hin und her fährt. Doch liebe Eltern. Ich schaue Jutta noch lange hinterher, wie sie so den Berg runtermarschiert. Unten steht ein kleiner blauer Käfer. Dann steigt sie ein und der Wagen entschwindet meinen Blicken. Na gut, Beamte und kein Telefon, sinniere ich auf dem Rückweg zur Haltestelle. Oder will sie Telefonnummer nicht rausrücken? Auch egal. Sie fragt morgen in der Klasse und ich kenn ihren Namen. Telefonbücher gibt’s ja auch und sie hat zugesagt. Nun, sie will in der Klasse mal fragen, wer kommt. Die anderen. Sie hat nicht gesagt, dass sie kommt. Oder doch? Hab ich in meiner Aufregung nicht richtig zugehört? Doch sie kommt. Bestimmt. Und wenn ihre Eltern dagegen sind? Aber was, hat doch was mit Schule zu tun. Sie darf dann bestimmt. In der schönen Mittagssonne setze ich mich auf die Parkbank neben der Haltestelle und drehe mir ein Zigi, muss mein Glück erstmal ausgiebig genießen.

       Hurdy gurdy man

      Heute schon der 11. September. Sechste Stunde Mathe. Ich werde durch das Pausenklingeln erlöst. Nichts wie weg. Zeit genug also, um pünktlich zum „Alten Markt“ zu kommen. Ab durch den „Werth“ und hinein in die Fußgängerzone. Bin natürlich zu früh an der Haltestelle, wie so? Ob sie kommt? Wie viele werden nächste Woche kommen? Hauptsache sie kommt! Nur noch eine Woche, aber dann alles nur „Pro´s“. Da ist sie. Heute wieder die blonden Haare zum Pferdeschwanz zusammen gebunden. Sieht toll aus.

      „Hey, wie geht´s?“

      „Hey, na wie war’s?“ , und ich bin gespannt wie ein Flitzebogen.

      „Och, ganz gut, waren alle ziemlich gut drauf und wollen kommen. Sind begeistert, jedenfalls unsere Clique. Einige müssen noch ihre Eltern fragen, aber so 12-16 Mädels wollen kommen. Den Rest der Klasse kannst du vergessen, sind alle noch nicht so weit und für Feten nicht zu gebrauchen.“

      „Mensch das ist ja toll, Ich meine wird ein tolle Fete“, da kommt der Benziner und Jutta steigt ein.

      „Und kommst du auch?“, die Welt verschwindet, wird sie...

      „Na klar, gehör doch zur Elite und bin zweite Klassensprecherin. Die machen doch nur das, was ich vorschlage. Klar bin ich dabei. Um wie viel Uhr soll´s eigentlich losgehen?“

      „Tja, so um sechs, haben wir mal als Anfang angedacht. Ende offen.“

      „Und wo genau liegt das `CDG`? Komme eigentlich vom `Hohenstein` selten zum `Wupperfeld.“

      „Ähm ja, wir können ja zusammen hingehen. Ist ein bisschen schwer zu beschreiben. Wenn ich so um halb bei mir losfahre, bin ich um Viertel an der `Rosegger` und wir gehen zusammen von `Wupperfeld` aus dann hoch. Ist das alte Gebäude an der Diesterwegstrasse, oben in der Aula. Kennst du das Mädchengymnasium an der Sternstrasse?“

      „Nein, war noch nie in der Ecke. Bin sonst immer am `Alten Markt` oder in Elberfeld.“

      „Na gut, mit mir kannst du es dann nicht mehr verfehlen. Was hörst du denn so für Musik?“

      „Eigentlich alles was so gerade in ist. Beatles, Stones und so. Und du?“

      „Ja sicher, auch. Das `Weiße` ist ja toll, hab ich schon kopiert von meinem Freund Harald. Der hat einen guten Draht zum Plattenshop und ist immer gut sortiert. Wirst ihn ja nächste Woche kennen lernen. Bringt seine Anlage mit und macht für uns den Diskjockey, obwohl er vor zwei Jahren abgegangen ist, aber als Ehemaliger ist er immer gerne willkommen.“

      „Hört sich ja schon gut an. Gute Musik bringt Stimmung. Freu mich schon. Hey, hier muss ich aber raus. Oberwall. Muss heute meine Tante besuchen, bis dann.“

      „Okay“, bin etwas verblüfft ob diesem plötzlichen Abgang, aber was soll´s. Sie kommt.