ich muss mit dir reden!», sagte ein Mann, der neben dem König stand und das bizarre Spiel mit anschaute, nun aber nicht mehr schweigen konnte. Es brannte ihm etwas gewaltig auf der Seele, das spürte man. Der Mann, der ebenfalls nur einen Lendenschurz trug, sah dem König verdammt ähnlich. Und das nicht ohne Grund. Chantico war nicht nur der höchste militärische Führer der Nehataner, sondern auch der Bruder von König Atlacoya. Allerdings war er nicht ganz so kräftig und durchtrainiert.
«Siehst du nicht, dass ich beschäftigt bin?», stöhnte der Herrscher unter dem Einfluss der weiblichen Liebkosung seines männlichen Geschlechts.
Chantico schwieg und starrte auf die Szene vor sich. Immer wieder glitten die Lippen der jungen Sklavin über den Schaft seines Bruders.
«Nimm sie dir von hinten, während sie mich bläst!», meinte Atlacoya gönnerisch. Er hatte die Augen geschlossen. Sein kahlrasierter schwarzer Schädel mit den breiten Wangenknochen und der platten Nase lehnte am Thron. Mit seinen kräftigen Armen, die von gewaltigen sichtbaren Adern durchzogen waren, hielt er sich an der Armlehne fest. Sein Oberkörper war nackt, was nicht untypisch für die Nehats war. Bis auf den Lendenschurz trugen sie in der Regel keine Kleidungsstücke. Die Frauen hingegen trugen lederne Kleider. Doch diese vor dem König kniende Frau war komplett nackt.
Chantico schüttelte stumm den Kopf. Er hatte keine Lust die Spielchen seines Bruders mitzuspielen. Auch er, als der höchste militärische Führer von Nehats, konnte sich alle Frauen nach Belieben nehmen. Egal ob verheiratet oder nicht. Das war das gute Recht der königlichen Familie. Allerdings gab es dabei ein kleines Problem. Chantico fand Frauen in keiner Weise sexuell attraktiv. Er bevorzugte die jungen, nackten Leiber von zierlichen Männern. Richtig ausleben konnte er diese Neigung nur schwer. Denn jegliche gleichgeschlechtliche Liebe war bei den Nehatanern verpönt.
Chantico schaute zu, wie sein Bruder zum Höhepunkt kam. Er sah wie dieser seinen dicken Phallus tief in die Kehle der jungen Sklavin trieb und abspritzte. Die Nehatanerin hustete und würgte. Sperma rann an ihren Mundwinkeln herab und tropfte auf den kalten Boden vor dem Thron.
«Hast du es dann?», fragte der militärische Führer genervt.
Sein Bruder, der König, grinste: «Ja!» Er gab der Sklavin einen Wink um ihr zu verdeutlichen, dass sie sich zurückziehen sollte. Diese wischte sich den Mund ab und verschwand dann zügig.
«Herrgott, Bruderherz. Deine Armee steht auf dem Platz des Krieges bereit und du hast nichts Besseres zu tun, als es dir von einer jungen Sklavin besorgen zu lassen.»
Atlacoya stand auf. Sein schlaffes Geschlecht wurde wieder unter dem ledernen Lendenschurz verborgen und der König streckte sich. Der zwei Meter Hüne ging langsam die Stufen vom Thron herunter und sein Bruder folgte ihm. Dann meinte Atlacoya: «Bruderherz. Das ist gut. Ich werde meine Ansprache halten und dann könnt ihr losziehen!»
«Du bist dir also sicher?», fragte Chantico: «Du willst gegen die Pravin ziehen?»
«Wir werden uns nehmen, was uns zusteht!», nickte der hünenhafte König: «Wir werden uns das fruchtbare Land an der Küste nehmen!»
«Nun!», meinte sein Bruder: «Meine Armee steht bereit. Also warte nicht länger. Halte deine Rede!»
«Meine Armee!», betonte der König mahnend. Er wusste, dass Chantico sich als Führer mit der Armee sehr stark identifizierte. Aber er war «nur» der eingesetzte General. Jederzeit austauschbar.
«Deine Armee, Bruder, deine Armee!», nickte der Feldherr.
Der Platz des Krieges hatte seinen Namen vom zwanzigjährigen Krieg gegen die Shiva. Gut hundert Jahre war das schon her. Keiner der beiden Völker war im Grunde als Sieger aus den Schlachten gegangen. Allerdings hatten die Shiva die Western Insel für sich beansprucht. Eine Insel auf die der damalige König der Nehataner gut verzichten konnte.
Viele hatten ihr Leben verloren. Atlacoyas Urgroßvater hatte den Platz danach erbaut und ihn zur Erinnerung an den Krieg so genannt.
Dreitausend Männer füllten den Platz mitten im Zentrum von Xipe Totec, der Hauptstadt der Nehataner. Darunter waren zweitausend Schwertkämpfer, fünfhundert Bogenschützen und fünfhundert Reiter. Bis auf wenige junge Krieger, die noch in der Ausbildung waren und die wenigen Einheiten, die die Städte und die Häfen bewachten, war das die gesamte Armee der Nehataner. Chantico hatte entschieden keine Reserven in den Städten zurückzulassen. Seine Offiziere hatten ihm davon abgeraten. Jeder Feldherr musste eine Reserve bilden, egal was ihn mit seiner Armee erwartete. Aber Chantico plante lediglich eine mobile Reserve, die unmittelbar in seiner Nähe war. Er wollte nicht alle Truppen gleichzeitig in Pravin einmarschieren lassen, sondern einen Teil an der Grenze stationieren und später nachrücken lassen. Was im Endeffekt völlig überzogen war. Die Pravin, so berichteten Späher, hatten in dem schmalen Landstreifen an der Küste ohnehin nur gut fünfhundert Mann stationiert. Insgesamt hatte die Armee der Pravin gerade mal zweitausend Mann und die meisten waren im östlichen Teil des Landes stationiert. Ein großes Gebirge machte eine schnelle Mobilisation der Truppen an der Küste entlang schlichtweg unmöglich. Die Einheiten aus der Hauptstadt der Pravin mussten durch die große Sandwüste. Es würde Wochen benötigen, bis sie den Küstenstreifen, auf den es die Nehataner abgesehen hatten, erreichen würden.
Hundert Treppen führten vom Platz des Krieges hinauf zum Vorplatz des Königspalastes. Ein gewaltiges monströses Bauwerk aus grob gehauenen sandfarbenen Steinen, die man im nahegelegenen Gebirge im südlichen Ausläufer der Wüste in den Steinbrüchen gehauen hatte. Die Nehataner waren vor allem für ihre erfahrenen Steinmetze bekannt. Der königliche Palast war ein Meisterwerk der Architektur. Viele Sklaven waren nötig gewesen um dieses Monstrum zu erschaffen.
Atlacoya stand ganz oben auf dem Vorplatz seines Palastes. Stolz stand er da. Der Hüne von einem Mann, von dem alle glaubten, dass er mit seinen großen Händen ohne Probleme den Kopf eines jeden Feindes zerdrücken konnte. Und Feinde hatte Atlacoya viele. Vor allem im eigenen Land. Die hohen Abgaben waren ein Grund. Ein weiterer die Willkür der Armee, die im Endeffekt ganze hundert Jahre keinen Krieg mehr erlebt hatte. Ihre Aufgabe war vor allem der Kampf gegen Aufständische und politische Gegner. Auch Atlacoyas Vater war nicht für seine Gnade bekannt gewesen. Aber Atlacoya übertraf dessen politische Härte um Weiten. Und dennoch wurde er wie ein Gott verehrt.
«Nehataner, Volk von Nehats!», begann König Atlacoya seine Rede: «Die Götter meinten es in den vergangenen zwei Jahren nicht gut mit uns. Erst viel zu viel Regen und die Ernte verschimmelte und dann war es zu heiß und die Felder verdorrten. Unsere Kornspeicher sind so gut wie leer. Unser Volk steht in Gefahr hungern zu müssen. Die Pravin hingegen fressen sich auf ihrem kleinen Landstreifen zwischen der Wüste und dem Meer satt. Ihnen waren die Götter gnädig. Warum auch immer. Zwanzig Jahre ist es nun schon her, dass die Pravin von meinem Vater diesen kleinen Landstreifen bekommen haben und sie sich dort ansiedelten. Aber rein rechtlich gehört dieses Stück fruchtbare Land uns! Und wir werden es uns wiederholen!»
Die Soldaten jubelten.
«Wir werden in Pravin einmarschieren. Und ich sage euch, jeder Pravin, der Widerstand leistet, wird getötet. Alle aber, die sich uns unterwerfen, dürfen uns dienen.»
Erneut jubelten die Krieger, während der König eine Pause machte.
«Die Frauen und Kinder sollen unserem Volk als Sklaven dienen und die Männer Kriegsdienst leisten!»
Ein drittes Mal jubelte die Armee der Nehataner.
Und auch das Volk jubelte. Auf den Flachdächern rund um den Platz des Krieges hatten sich die Stadtbewohner, Bauern aus den umliegenden Gegenden und Händler, Steinmetze, Frauen, Kinder und Alte versammelt, um Zeuge dieses Spektakels zu werden. Es war seltsam. Gerade so als würde der ganze Zorn, den das Volk durch ihren König zu spüren bekam, sich nun auf den Nachbarn verlagern. König Atlacoya schaffte für sich ein neues Feindbild, das nicht im eigenen Land war. Das kein politischer Gegner oder Aufständischer war. Und das Volk genoss diese Verlagerung der Gewalt.
Feldherr Chantico stand neben seinem Bruder. Er liebte ihn, so gut er konnte. Er war sein Fleisch und Blut. Aber viel gemeinsam hatten sie nicht. Chantico war weder