Arik Steen

Serva I


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die Pravin jedoch machte ihm Angst.

      «Und, wie waren meine Worte?», fragte Atlacoya. Es war keine Frage auf die er eine ehrliche Antwort erwartete, sondern vielmehr nach Bestätigung verlangte. Der König ließ kaum Kritik zu. Auch nicht durch seinen Bruder.

      «Vater wäre stolz auf dich gewesen, Bruderherz!», sagte Chantico.

      «Oh, er ist stolz. Dort oben in der Ewigen Sonne sitzt er neben Regnator und schaut auf uns herab. Und er schaut auf dich, mein Bruder. Auf den großen Feldherrn!»

      «Ich werde mein Bestes geben!»

      «Das Beste ist nicht genug für mich und mein Volk. Du musst mehr geben!», grinste Atlacoya: «Und nun lasse die Truppen abziehen!»

      Chantico nickte. Er schaute hinüber zu seinem Feldmarschall und gab den Befehl den Platz zu räumen. Die Truppen sollten zurück in ihr Feldlager. Der König hatte gesprochen und war nun fertig.

      3

       Tornheim,

       Siedlung im Ewigen Eis

      Hedda hatte sich ihrer Fellkleidung entledigt und hängte sie an ihren persönlichen Haken in der Gemeinschaftsunterkunft. Die Kleidung eines Ragna war sein vermutlich wertvollster Besitz und sicherte sein Überleben in der eisigen Kälte des Ewigen Eises. Die Fellkleidung bestand aus graubraunem Rentierfell. Man jagte die Tiere im Süden nahe der Wälder der Hauptstadt Gunnarsheim. Die Felle boten einen guten Schutz vor Kälte und Nässe. Sie waren wasserabweisend und schafften zudem ein guter Windschutz. Doch das recht brüchige Haar war nicht lange haltbar. Um die dreißig Fälle benötigte eine durchschnittliche Familie in Tornheim pro Jahr. Sie dienten nicht nur als Kleidung, sondern auch als Decken. Ältere, nicht mehr ganz so gute Felle, wurden auf dem Boden der Gebäude ausgelegt und dienten in gewisser Weise als Teppich. Über die Jahre hinweg war so der gesamte Boden von Tornheim mit Fellen ausgekleidet worden.

      Im Inneren der Siedlung war es angenehm warm. Traditionell trugen die Ragni innerhalb des Gebäudekomplexes lediglich ihre Unterkleidung. Dünne Hosen und Hemden aus Leinen. Man ging grundsätzlich barfuß, was angesichts des ausgelegten Fellteppichs kein Problem war.

      «Wer ist der Mann?», flüsterte Hedda.

      Loros schaute seine Tochter an und schüttelte dann den Kopf: «Ich weiß es nicht. Er kommt von weit her. Er ist ein Mani!»

      «Aber wieso kommt er dann aus dem Norden?», fragte Hedda irritiert und schaute zu dem Fremden, der gierig den Fisch aß, den die Bewohner ihm angeboten hatten.

      «Wie gesagt, ich weiß es nicht. Und jetzt geh raus und versorge die Hunde. Bringe ihnen Fisch, sie sind hungrig!»

      «Kann das nicht Hodi machen?», fragte sie beleidigt.

      «Er soll bei uns Männern sitzen. Das Füttern der Hunde ist Frauenarbeit!», meinte Loros streng.

      Hedda schaute ihn böse an. Sie arbeitete hart und viel. Und sie fand es ungerecht, dass ihr jüngerer Bruder oft besser behandelt wurde und bei den Männern sitzen durfte. Aber dann gehorchte sie. Missmutig stapfte sie Richtung Ausgang und kam dabei an dem Mani vorbei.

      «Sie ist Eure Tochter, richtig?», grinste der Fremde und packte Hedda am Arm: «Sie ist wunderschön!»

      «Lasst sie!», sagte Loros.

      «Verkauft Ihr sie mir?»

      Loros stand auf und griff zu seinem Dolch, den er an einem Gürtel trug: «Ich weiß, dass die Mani sich Sklaven halten. Genauso wie die Nehataner, die Pravin und die Shiva. Aber wir nicht. Bei uns sind alle Ragni frei.»

      «Sehr bedauerlich!», grinste der Fremde und schaute in die stahlblauen Augen von Hedda. Schüchtern wich sie seinem Blick aus. Dann ließ er sie los und schaute ihr hinterher: «Sie würde Euch viele Taler bescheren!»

      «Wie gesagt, wir Ragni haben diese Unart nicht andere zu unserem Eigentum zu machen!»

      «Unart?», lachte der Mani: «Es gibt sieben Völker. Aber wir haben nur einen Gott.»

      «Es gibt acht Götter!», korrigierte Loros.

      «Wir haben einen Gott und sieben Nebengötter. Wie wir auch nur eine Sonne und sieben Monde haben. Aber der Punkt ist, dass wir auch nur ein Gesetz haben. Und das erlaubt uns Sklaven zu halten!»

      «Es mag sein, dass wir die gleichen Götter haben. Aber dennoch hat jedes Volk seine eigenen Regeln!»

      «Die Gesetze von Regnator stehen über den Regeln und Gebräuchen der Völker!», meinte der Fremde und stand auf: «Oder irre ich mich?»

      «Wir alle wissen, dass die Gesetze unseres Gottes Regnator von einem Mani aufgeschrieben wurde. Vor Hunderten von Jahren.»

      «Sie sind dennoch für alle bindend!»

      «Aber sie sind von einem aritonischen Wesen verfasst worden.»

      «Gott Regnator persönlich hat die Worte diktiert.», sagte der Mani. Er wusste, dass die Ragni ihren Götterglauben durch Erzählungen, Mythen und Sagen aufrecht hielten, nicht durch geschriebene Worte. Die wenigsten Ragni konnten lesen oder gar schreiben.

      Loros schüttelte den Kopf: «Es spielt keine Rolle. Ihr sucht doch nur einen Grund meine Tochter zu … zu kaufen! Vergesst es. Ich lasse diesen Handel nicht zu.»

      Der Mani ging einmal um den Tisch herum, an dem gut zwanzig Männer saßen: «Warum sitze ich an einem der anderen Tische ringsherum? Warum nicht an eurem großen Tisch in der Mitte?» Er schaute sich um. An den anderen Tischen saßen Kinder und Frauen.

      «Ihr seid keiner von uns!», sagte Loros: «Nur Männer unseres Stammes dürfen an der großen Tafel Platz nehmen.»

      «Ihr seid ein zurückgebliebenes Volk!», spottete der Fremde und öffnete dann einen Beutel. Er legte drei Taler auf den großen runden Tisch.

      «Was tut Ihr?», fragte das Stammesoberhaupt.

      «Oh, ich darf als Fremder nicht einmal euren Tisch berühren?», grinste der bärtige Mann. Aber er scherte sich nicht um die Regeln der Ragni und zeigte auf die Münzen: «Das sind drei Silbertaler. Vielleicht hat einer der anderen anwesenden Väter eine hübsche Tochter und würde sich gerne diese drei Taler verdienen?»

      Es war still im Raum. Loros schaute sich um. Ein paar der Männer schienen tatsächlich zu überlegen. Drei Silbertaler waren in der Stadt Gunnarsheim viel Wert. Er durchbrach die Ruhe, nahm die Taler an sich und drückte sie dann dem Fremden in die Hand. Bevor jemand seiner Leute antworten konnte: «Nehmt euer schmutziges Geld. Hier geht keiner auf euer Angebot ein!»

      «Äußerst bedauerlich!», meinte der Fremde: «Wie dem auch sei. Ich bräuchte ein Nachtlager. Oder besser ein Ruhelager. Eine Nacht gibt es hier ja nicht.»

      Loros gefiel der Ton des Mannes nicht. Man merkte deutlich, dass er das Gefühl hatte etwas Besseres zu sein. Es war tatsächlich so, dass die Mani die wohl fortschrittlichste Kultur besaßen. Dennoch waren vor Regnator, dem Gott aller Völker, alle gleich. Eine Herrenrasse gab es nicht. Aber er wollte den Fremden auch nicht verärgern: «Wir stellen Euch ein Bett zur Verfügung!»

      «Das ist nett!», grinste der Fremde.

      Draußen vor den Gebäuden ging Hedda auf die Hunde zu. Sie jaulten laut. Das Alphatier fing an und nacheinander stimmten die einzelnen Mitglieder des Rudels in den Gesang ein. Durch das markante Heulen festigte jeder einzelne Schlittenhund seine Zugehörigkeit zum Rudel. Zudem markierten sie damit ihr Territorium. Jetzt jedoch signalisierten sie Bereitschaft für die Jagd. Die im Grunde keine war. Denn es war Hedda, die kam und die Beute bereits erlegt hatte.

      Hedda verteilte den getrockneten Fisch. Der frische Fisch des heutigen Tages war für die Ragni bestimmt. Den Hunden schien das nichts auszumachen. Gierig stürzten sie sich auf die Fleischbrocken.

      Wer war dieser Mann? Hedda fröstelte bei dem Gedanken an ihn, obwohl sie warm eingepackt war. Er hatte sie kaufen wollen. Als Sklavin. So richtig war ihr nicht bewusst, was das bedeutete. Aber ein wenig