Sabrina Heilmann

Ein letzter Augenblick


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legte den Zettel zur Seite und schaltete das Handy ein. Sofort leuchtete eine neue Nachricht auf.

       Wie es aussieht, hast du mein Geschenk gefunden. Wie war dein Tag?

      Ich war mir nicht sicher, ob ich dieses Geschenk annehmen konnte, aber Blake würde in dem Punkt keinen Widerspruch dulden. Seufzend antwortete ich ihm.

       Du hättest mir kein Smartphone schenken müssen.

       Mein Tag war nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe.

      Ich räumte den Handykarton zur Seite und legte mich auf mein Bett. Nachdenklich blickte ich einen Moment aus dem Fenster. Der Tag heute war nur halb so schön wie der gestrige. Schwere Wolken zogen über den Himmel, aber wenigstens regnete es nicht. Im Grunde liebte ich das Wetter in Schottland. Ich hatte weder mit Regen noch mit Wind ein Problem, nur heute störte mich das Einheitsgrau.

      Die leise Vibration des Handys kündigte eine weitere Nachricht von Blake an.

       Du könntest auch einfach Danke sagen. ;-)

       Möchtest du darüber reden, was heute bei dir schiefgegangen ist?

      Ich seufzte leise. Nein, das wollte ich nicht, aber Blake hatte nie den Eindruck gemacht, als würde er schnell aufgeben. Also wählte ich seine Nummer und wartete darauf, dass er meinen Anruf entgegennahm.

      »Hey«, meldete er sich schon kurze Zeit später.

      »Danke«, erwiderte ich und ich hörte sein leises Lächeln am anderen Ende. »Und meine beste Freundin hasst mich, während ich keine Ahnung habe, was ich falsch gemacht habe.«

      »Wenn du noch ein bisschen ins Detail gehst, könnte ich dir folgen.«

      Ich atmete tief durch. »In Zukunft befolge ich nie wieder deinen Rat. Ich habe meine Mutter heute gefragt, warum meine beste Freundin sich noch nicht bei mir gemeldet hat, woraufhin sie mich wieder kurz abgefertigt hat. Also habe ich mir ihr Telefon genommen und nachgeschaut, ob sie Ambers Nummer durch Zufall eingespeichert hat und ob diese vielleicht aktuell ist. Das war sie, aber ich konnte kaum fünf Worte sagen, dann hatte meine beste Freundin schon wieder aufgelegt.« Ich verdeckte meine Augen mit einer Hand und seufzte theatralisch. »Kannst du mir sagen, warum ich in diesem verdammten Inverness festsitze, obwohl ich offenbar überall sonst sein sollte, außer hier?«

      »Hast du schon mal daran gedacht, dass du aus einem bestimmten Grund hier gelandet bist?«, fragte mich Blake und klang dabei geheimnisvoll.

      »Ich kann keinen erkennen und habe keine Zeit für irgendwelche Mythen und Geheimnisse! Blake, ich bin irgendwo im Nirgendwo, weit weg von meiner Wohnung und noch weiter weg von meiner besten Freundin ... und wen auch immer ich noch irgendwann mal gekannt habe. Hast du eine Ahnung, wie es ist, wenn man nicht weiß, wer man ist?«

      »Natürlich nicht«, seufzte er. »Und trotzdem ist die Situation, in der du jetzt bist, genau das, was du vor deinem Unfall gebraucht hättest.«

      »Das werde ich vermutlich in den nächsten Wochen nicht wissen ... vielleicht sogar nie.« Ich sog die Luft tief ein und richtete mich auf. »Aber meine Probleme sind nicht deine ... also ... also werde ich auflegen.«

      »Du weißt, dass du jederzeit mit mir sprechen kannst?«

      »Ja. Bye, Blake.«

      »Bye, mo ghrèin.«

      »Wirst du mir jemals sagen, was das bedeutet?«, wollte ich leise wissen.

      »Nur wenn du endlich aufhörst, dich selbst so unter Druck zu setzen. Nichts geschieht ohne Grund ... du bist hier, weil du hier sein sollst.«

      »Ich hoffe, du hast recht«, erwiderte ich und beendete den Anruf.

       Kapitel 7

      In der darauffolgenden Woche lud meine Mutter Blake zum Abendessen ein, um sich noch einmal für seine Hilfe zu bedanken. Blake und ich hatten in der letzten Woche kaum Kontakt gehabt, was mich allerdings nicht störte. Ich nahm mir viel Zeit für mich, ging spazieren und erkundete Inverness allein. Es tat mir gut, dass niemand bei mir war, der mir Fragen darüber stellte, wie es mir ging, worüber ich grübelte und was ich fühlte. Ich dachte viel darüber nach, wie mein Leben gewesen sein konnte, bevor ich den Unfall hatte, und ich versuchte zu verstehen, was Amber und mich voneinander getrennt hatte. Zu einer Lösung kam ich leider nicht, da ich aber nichts anderes erwartet hatte, frustrierte mich das kaum.

      Ich kam gerade von einem weiteren Spaziergang zurück, als Blake seinen Wagen in einer Lücke vor dem Blumenladen parkte und ausstieg. Unsicher vergrub ich meine Hände in den Jackentaschen der dünnen Sweatjacke, als er zu mir kam und dicht vor mir stehen blieb. Meine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als ich seinen starken Blick erwiderte und er mich umarmte.

      »Hallo Schönheit«, sagte er leise und ich musste mich lachend aus unserer Umarmung drehen. Die Beziehung - wenn man es so nennen konnte - die wir hatten, bestand schon von Anfang an entweder aus ironischen oder sarkastischen Kommentaren und liebevollen Spitzen. Dem war es wohl zuzuschreiben, dass ich diese Begrüßung, die sicher ein Kompliment gewesen war, nicht ernst nehmen konnte. Aber genau deswegen mochte ich Blake. In seiner Gegenwart konnte ich mich entspannen und lachen, aber auch ernst sein, wenn es darauf ankam.

      »Stand das in deinem Ratgeber für verführerische Begrüßungen?«

      Er verdrehte die Augen und zog mich wieder zu sich, wobei er mir einen Arm um die Schulter legte. »Darin stand noch so viel mehr, aber das zeige ich dir später.« Nun zwinkerte er übertrieben und ich befreite mich schnell von ihm.

      »Komm, lass uns nach oben gehen. Meine Mutter wartet sicher schon.«

      Das Essen verlief entspannt. Mom übte sich in Small Talk und stellte Blake und mir immer wieder unterschwellig die Frage, um herauszufinden, was wir voneinander hielten. Glücklicherweise sparte Blake diese Bereiche der Unterhaltung ebenso aus, wie ich es tat.

      Während meine Mutter und Steven den Tisch abräumten, setzten wir uns auf die Couch.

      »Wie spontan bist du?«, fragte Blake nach einiger Zeit, und ich sah ihn skeptisch an.

      »Das kommt darauf an, um was es geht.« Ich schenkte ihm ein Lächeln.

      »Hast du Lust auf einen kleinen Ausflug? Ich könnte dir die Highlands zeigen und wer weiß, vielleicht kommen mit der Ruhe auch die Erinnerungen zurück.«

      Mein Lächeln erstarb und ich sah ihn ausdruckslos an. In meinem Inneren sträubte sich alles.

      »Ich finde, Blake hat recht. Ein bisschen Ruhe würde dir nicht schaden.« Meine Mutter kam zurück ins Wohnzimmer und setzte sich uns gegenüber in einen Sessel. »Außerdem gibt es sehr schöne Orte hier. Es würde dir gefallen.«

      »Wir könnten bereits morgen losfahren, wenn du möchtest.«

      Immer wieder sah ich zwischen Blake und meiner Mutter hin und her und konnte nicht glauben, dass sie sich das Ganze schönredeten. Langsam bekam ich das Gefühl, dass jeder versuchte, mich daran zu hindern, mich zu erinnern. Steven kam ebenfalls ins Wohnzimmer zurück und ich tauschte sofort einen hilflosen Blick mit ihm.

      »Was ist los?«, wollte er wissen.

      »Blake will Emilia die Highlands zeigen, damit sie zur Ruhe kommen kann«, erklärte meine Mutter und Steven seufzte leise. Er verstand sofort, warum ich ihn so hilflos angesehen hatte, aber auch er konnte mir in dieser Situation nicht helfen.

      »Ich habe keine Lust, zur Ruhe zu kommen«, sagte ich leise, aber bestimmt und sah meine Mutter an. »Ich will endlich Antworten und es kotzt mich an, dass jeder zu wissen glaubt, was das Beste für mich ist.« Wütend sprang ich auf. »Du gibst mir keine Antworten. Nicht darauf, was passiert ist, nicht einmal in Bezug auf meine beste Freundin, die mich ganz offenbar hasst. Warum verhinderst du, dass ich etwas über mich herausfinde?« Ich wurde lauter, schrie aber nicht.

      »Weil