Caroline Régnard-Mayer

Ein Jahr ohne dich


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und auch ein bisschen kaputt nahm ich die U-Bahn und kehrte zur Herberge zurück. Ich gähnte und stellte fest, dass ich inzwischen zu müde war, um mich den anderen im Aufenthaltsraum anzuschließen, nur bei Peggy schaute ich kurz vorbei.

      ***

      »Hi, Peggy. Mensch, bin ich geschafft. Es war echt ein guter Tipp von dir, dass ich so frühzeitig zur Freiheitsstatue gehen sollte.«

      »Ja, wir hatten am Montag den Fehler gemacht, erst mittags hinzufahren und da war die Hölle los.«

      »Peggy, du sprichst so gut deutsch mit wenig Akzent. Woher kommst du eigentlich, Skandinavien oder so?«

      »Danke. Aus Norwegen bin ich, aus einem kleinen Nest in der Nähe von Oslo. Ich hatte vier Jahre Deutsch in der Schule und dieses Jahr machte ich meinen Abschluss. Im Herbst gehe ich nach Oslo, um Medizin zu studieren.«

      »Ehrlich? Ich werde hier zwei Semester Englisch studieren und anschließend zuhause auch Medizin!«

      »Das ist ja ein Zufall!«

      Nachdem wir uns umarmt hatten, verabredeten wir uns zum Frühstück am kommenden Tag. Wir wollten dann zusammen zum Solomon R. Guggenheim Museum und anschließend in den Central Park.

      ***

      Beschwingt starteten Peggy und ich am nächsten Morgen, spazierten nur wenige Straßen über eine Brücke zur U-Bahn 495. Der Himmel zeigte sich wieder von seiner freundlichsten Seite, trotz der frühen Morgenstunde. Nach nur kurzer Fahrzeit nahmen wir den Ausgang ´96th Street` und landeten in der Nähe des Central Parks mitten in Manhattan. Von überall her empfing uns Lärm. Polizisten, die mit gellenden Pfeifen den Verkehr regelten, Hupen, hetzende Menschen, die irgendein Ziel anstrebten. Wie im Irrenhaus! Nichts auf Dauer für mich, dachte ich entnervt. Wir spazierten an riesigen Bäumen entlang, und auf der gegenüber liegenden Seite zeigten sich prachtvolle viktorianische Häuser. Mittlerweile hatten wir sommerliche Temperaturen, kein Wölkchen war am stahlblauen Himmel zu sehen. Wir lachten ausgelassen und erzählten uns die ganze Zeit aus unseren Leben.

      »Peggy, lass uns eine Pause machen. Siehst du dort drüber das schöne italienische Eiscafé?«

      »Oh ja, dazu hätte ich jetzt auch Lust und zwar auf einen großen Früchtebecher.«

      An der nächsten Ampel überquerten wir die Straße und nahmen in dem einladenden Eiscafé Platz.

      »Was darf ich den Damen bringen?«

      Ein gut aussehender Mann trat an unseren Tisch, dabei lächelte er uns fragend an.

      »Ich nehme einen großen Früchtebecher«, sagte Peggy.

      »Und ich bitte einen Erdbeerbecher.«

      Kaum war er verschwunden, um sich um unsere Bestellung zu kümmern, kicherten wir und erzählten uns unsere bisherigen Begegnungen mit dem anderen Geschlecht. Peggy hatte schon zwei Freunde gehabt, sie war im Frühjahr neunzehn Jahre alt geworden.

      »Kurz nach meinem Geburtstag erwischte ich Sören mit meiner besten Freundin. Das tat weh, kann ich dir sagen! Elin kannte ich seit dem Kindergarten und wir waren unzertrennlich - aber nur bis zu diesem Moment! Stell dir vor, in unserem Garten hinter einem großen Kastanienbaum küssten sie sich mehr als nur leidenschaftlich - und das an meinem Geburtstag! Dieses Biest, dieser Idiot! Ich war echt geschockt und schloss mich dann auf meinem Zimmer ein. Die Party war gegessen. Drei Tage später machte ich Schluss - per SMS. Diesem Typ wollte ich nicht noch einmal begegnen und Elin schrieb ich eine saftige Mail. Deswegen bin ich auch hier, um auf andere Gedanken zu kommen. Gleichzeitig etwas Cooles zu erleben.«

      Peggy hatte kaum Luft geholt, ich sah, dass sie mit ihrer Fassung rang.

      »Das tut mir echt leid, aber so etwas Ähnliches habe ich auch erlebt. Lucas war mein erster Freund. Wir waren fast ein Jahr befreundet, dann traf er sich heimlich mit einer Mitschülerin aus meiner Klasse. Dieser Volltrottel! Ein Sportfreund aus seinem Fußballverein sah die beiden eng umschlungen das Kino verlassen. Ich sprach Lucas direkt an, ich tobte. Er gab es sofort zu und meinte: ´Für mich ist es eh aus. Hatte nur vergessen Schluss zu machen.` Kannst du dir das vorstellen, Peggy? Ich hasse ihn.«

      Wir beide redeten noch eine Weile, dann bezahlten wir bei dem gutaussehenden Kellner, der mit viel Charme die Rechnung brachte. Klar, bei den Preisen musste man überfreundlich zu den Kunden sein, um wenigstens etwas Trinkgeld zu erhaschen, denn davon lebten die Bedienungskräfte dort ja hauptsächlich.

      Ich hängte mich bei Peggy unter und wir schlenderten zum Guggenheim Museum, das nur wenige hundert Meter um die Ecke lag. Wirklich ein Meisterwerk an moderner Architektur. Der Anblick war atemberaubend und ein krasser Gegensatz zum tobenden Leben ringsherum. Im Innern hatte der Architekt terrassenförmige Etagen angelegt, auf denen die Kunstwerke renommierter Künstler wie Chagall, Kandinsky, Picasso und van Gogh ausgestellt waren. Überall schuf der Bauherr eine Parallele zur Natur und geometrische bauliche Figuren standen im Vordergrund. Der helle Wahnsinn.

      Wir fuhren mit dem Aufzug zur höchsten Ebene der spiralförmigen Rampe und liefen an den Kunstwerken vorbei nach unten. Kein Sonnenlicht fiel trotz Glaskuppel auf die Gemälde und trotzdem bekamen sie durch die Bauart des Gebäudes ein ganz besonderes Licht.

      Peggy und ich waren sehr beeindruckt von diesem großartigen Monument und den vielen berühmten Gemälden, laut Reiseführer eine der weltweit besten Kunstsammlungen des 20. Jahrhunderts.

      »Conny, ich brauche eine Pause und frische Luft. Wir sind jetzt schon fast drei Stunden hier. Ich kann keine Bilder mehr sehen«, sagte Peggy zu mir und schnitt dabei eine Grimasse.

      »Habe auch keine Lust mehr. Komm, lass uns wieder in den Central Park gehen und dort etwas in einem gemütlichen Gartenlokal essen.«

      In wenigen Minuten spurteten wir zu dem größten, künstlich angelegten See im Park und erwischten noch die letzten zwei Plätze in einer Gaststätte im Freien - bei uns würde man jetzt sagen, Biergarten. Da war es wieder das Gefühl von Sehnsucht und Alleinsein.

      Ich fragte: » Hast du auch so Heimweh? Irgendwie habe ich etwas Angst. Ob ich das, was ich vorhabe, auch schaffen werde?«

      »Du musst dir etwas Zeit lassen, du bist ja erst kurz hier. Verlangen nach zuhause habe ich nicht. Eher bin ich froh, von diesem Mistkerl Sören tausende von Kilometern entfernt zu sein. Lass uns ein Gläschen Wein bestellen und etwas Leckeres zum Essen, dann wird es dir bald besser gehen.«

      »Wenn ich in Zukunft bei jedem Heimweh etwas essen und Alkohol trinken soll, dann kannst du mich in ein paar Wochen rollen und ich muss zum Entzug.« Wir lachten herzlich und ich war von meinen trüben Gedanken abgelenkt.

      Peggy und ich verabredeten, dass wir, wenn sie wieder zuhause war, einmal im Monat skypen wollten. Im nächsten Jahr planten wir uns zu besuchen, egal wo die eine oder andere sein sollte. »Wir lassen es einfach auf uns zukommen«, sagte ich zu meiner neugewonnenen Freundin.

      ***

      Am späten Nachmittag, die Hitze ließ endlich nach, traten wir den Rückweg zum Hotel an. Dieses Mal fast komplett mit der U-Bahn, nur die beiden letzten Straßen mussten wir zu Fuß marschieren.

      »Conny, ich gehe jetzt erst mal eine Runde schlafen und duschen, dann treffen wir uns unten im Loft zum Abendessen und chillen, ja?«

      »Gerne, denn dasselbe werde ich auch tun, schlafen und dann duschen! Spielt nicht heute eine Live-Band?«

      »Doch, so eine amerikanische Newcomer Band. Bin gespannt. Bis später!«

      Kaum lag ich auf meinem Bett, tauchte ich in einen traumlosen Schlaf ein. Frisch und munter wachte ich zwei Stunden später auf. Überall im Hostel hörte man Stimmen und die Duschen liefen auf Hochtouren. Ein Blick zur Uhr zeigte mir, dass ich mich beeilen musste. Nach dem Duschen zog ich noch schnell eine frische Jeans und eine Kurzarmbluse an und warf mir einen Pulli über die Schultern.

      Heute gab es Spaghetti Bolognese und für die Vegetarier kochten sie eine riesige Schüssel mit Tomaten-Gemüse-Soße. Wie das schon duftete!

      »Hallo