Anna-Sophie Wagner

Stationen einer Liebe


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etwas vor ihm zu verheimlichen. Was oft dazu führte, dass ihm dieser gehörig den Kopf wusch. Der ideale beste Freund also. „Martin mit seiner Röntgenbrille“, wie Andreas scherzhaft zu sagen pflegte. Martin war groß, schlank und hatte blonde, kurze Haare. Ihm haftete eine ziemlich konzentrierte, ruhige Art an. Das war allerdings anders, wenn sie unterwegs waren.

      Professor Marks stand auf, um den Prüflingen mitzuteilen, dass jetzt die Zeit um war und sie nun abzugeben hatten. Er wusste, jetzt fing seine schlimmste Arbeit als Professor an. Das Korrigieren. Oftmals war die Schrift unleserlich, dann wiederum konnte man die Abläufe entweder gar nicht erkennen oder sie waren einfach in der falschen Reihenfolge. Manche Patienten würden auf jeden Fall nicht überleben, wenn seine Schützlinge die Behandlung in der Praxis auch so durchführen würden.

      Er dachte an die letzten Jahre in denen er korrigiert hatte. Immer wenn es zu schlimm wurde und seine Enttäuschung über das was seine Studenten anscheinend nicht gelernt hatten zu groß war, genehmigte er sich meistens ein bis zwei Glas Wein. Dann war es erträglicher für ihn, sich die Arbeiten durchzusehen.

      Noch einmal ließ er seinen Blick über die Studentenschar schweifen. Wieder blieb er bei Falk hängen. Dieser Junge, faszinierte ihn. Er hatte bereits erfahrene Dozenten in den Schatten gestellt. Bei ihm konnte man wirklich das Interesse und die Freude an der Materie spüren. Aber vor allem die Begabung sehen.

      Andreas war total erledigt – ganz so, als wäre all der Druck von ihm abgefallen, als hätte er sich einfach frei geschrieben. Er war aufgestanden und aus dem Prüfungssaal in die Aula gelaufen. Er musste jetzt einfach stehen nach diesen fünf Stunden Prüfung. Er sah Tom an, der jetzt ebenfalls aus dem Saal stapfte. Irgendwie sah dieser geknickt aus, immer noch angespannt, deswegen fragte ihn Andreas: „Tom, was ist los?“

      „Ach ich weiß nicht – aber ich hab ein mieses Gefühl - diese Aufgabe Nummer drei!” „Ich hatte dir doch gesagt, du sollst dir den Stoff zur Neurologie noch mal anschauen”, erinnerte ihn Andreas. „Ach Mist ja, ich konnte einfach nicht mehr. Mein Kopf war nicht mehr aufnahmefähig.“, gab Thomas jetzt zu. „Jetzt warte doch erst mal ab, vielleicht ist es gar nicht so übel gelaufen?“, versuchte Andreas ihn wieder runter zu holen. „Ja wäre schön, wenn ich das denken könnte.“

      Martin kam um die Ecke „Geschafft – die Prüfungen sind vorbei und so auch die Zeiten aller Abstinenz“, sagte er und fuchtelte wie wild vor Andreas Gesicht herum „He Andreas, aufwachen – auftauchen aus der Welt der Medizin – übergleiten in die Welt des Spaßes und der wohlverdienten Party.“ Mit Blick auf Tom sagte er: „Komm Kopf hoch Tom – wir haben schon bestanden – mach dir keine Gedanken. Du denkst sowieso immer zu schlecht von dir! Bestimmt hast du überall etwas gewusst und hingeschrieben?“ „Ja hab ich!“, antwortete Thomas. „Na also, siehst du. Was glaubst du, wie viele noch nicht mal das haben? Kommt lasst uns unser Küken an der Uni aufsammeln!“, beruhigte ihn nun Martin und warf Andreas eine vielsagenden Blick zu.

      Mit Küken meinten sie Markus. Andreas, Thomas, Martin und Markus hatten in München zusammen eine WG. Der Männer-Haushalt funktionierte gut, solange jeder seine Aufgaben erledigte. Markus, das Küken, war der Jüngste in der Gruppe. BWL-Student. Im Augenblick wusste er nicht so ganz, wohin sein Weg ihn führen würde oder was genau er machen wollte. Er ließ sich die Entscheidungen in diese Richtung noch offen. Eigentlich wollte er lieber die Studiumszeit genießen. Und das in vollen Zügen. So ließ er keine Party aus. Markus der „Womanizer“ wie ihn Andreas scherzhaft nannte. Er war nur 1,65 m groß, sportlich und hatte dunkle Haare. Andreas konnte die Anzahl der Damen, die er bisher mit in die WG gebracht hatte schon gar nicht mehr zählen.

      Er selbst, Andreas, war mit siebenundzwanzig der Älteste in der WG. Er hatte sein Studium erst später beginnen können, weil er noch wehrpflichtig war und somit seinen Dienst bei der Bundeswehr vor dem Studium noch abgeleistet hatte. Die Anderen waren ausgemustert worden. Sicher, er hätte auch über die Bundeswehr studieren können, aber das war Nichts für ihn. Er war nur allein deswegen zur Bundeswehr gegangen, weil sein Vater beim Bundesverteidigungsministerium arbeitete. Außerdem stammte seine Familie aus einem alten deutschen Adelsgeschlecht. Es wurde also vom Grund her von ihm als Erbgraf erwartet, dass er den Wehrdienst ableistete. Andernfalls hätte er einen Affront heraufbeschworen. Also hatte er sich gefügt und diesen eben abgeleistet. Mehr war er aber nicht bereit in diese Richtung zu tun. Anschließend hatte er im Studium dann härter gearbeitet als die Anderen und aufgeholt. Deshalb konnte er nun gemeinsam mit seinen Freunden die Abschlussprüfung schreiben. Andreas war mittelgroß, sportlich und muskulös, hatte braun-grüne Augen, dunkelbraune kurze Haare und lange dunkle Wimpern. Dazu noch einen Drei-Tage-Bart. Eigentlich eine Mischung aus Model und Hollywoodstar, sagte Markus immer zu ihm. Er selbst gab darauf Nichts.

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      Kapitel 2

      „Mama“, rief Mia heute zum wiederholten Male. Sie war krank und einfach nicht fit. Wobei Susanne, sie so wie heute, noch nie erlebt hatte. Mia war unruhig, weinerlich und zickig. So langsam fing Susanne an, sich Sorgen um ihre Tochter zu machen. Was die Kleine auch beschäftigte - ab 18 Uhr hatte sie Dienst im Luna´s. Die Arbeit dort war gut, weil sich die Bar im gleichen Haus wie ihre Wohnung befand. So konnte sie das Babyphone mitnehmen und auf diese Weise arbeiten, ohne Mia richtig allein lassen zu müssen. Mist – ihr Kopf wird immer heißer, dachte Susanne. Fieberthermometer, wo habe ich das nur? Ah, da ist es! So mal sehen. Oh je, 40,2°!

      Susanne und die zweijährige Mia, wohnten allein. Vormittags besuchte Susanne Vorlesungen fürs Jura-Studium, nachmittags arbeitete sie als Notariatsangestellte im Bezirksnotariat. Nach der Krippe kümmerte sie sich dann um Mia. Mit ihrem Jura-Studium wollte sie fünf Jahre als Rechtsanwältin arbeiten und danach Notarassesorin werden, um dann später als Notarin arbeiten zu können. Wenn sie erst mal Notarin war, würde es für sie und Mia auch leichter werden, bestimmt. Zumindest hoffte sie das.

      Während der Woche, half sie ihrem Vermieter – Bernd - zwei- bis dreimal abends in der Bar aus. Das Geld konnte sie sehr gut gebrauchen. Den Rest der Zeit, war sie mit Nacharbeiten für das Studium, oder mit Haushalt und Kind beschäftigt. Das alles war guter Stress. Irgendwie brauchte sie diesen straffen Zeitplan, das pushte sie. Und so war sie in der Lage das alles unter einen Hut zu kriegen.

      Sie war sechsundzwanzig Jahre alt. Mia´s Vater hatte sich, direkt nachdem Susanne ihm von der Schwangerschaft erzählt hatte, aus dem Staub gemacht und nie mehr blicken lassen - geschweige denn Verantwortung für seine Tochter übernommen.

      Susannes Eltern lebten im Allgäu und somit etwa zwei Stunden entfernt. Deshalb waren sie und Mia meistens allein auf sich gestellt. Einzig und allein ihr Bruder Stefan, Pate von Mia, wohnte nur eine Stunde von ihr und half Susanne wo er nur konnte. Und manchmal sprang auch Eva, Susannes beste Freundin, ein.

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      Andreas, Martin und Thomas waren inzwischen an der Uni angekommen. Markus hatte noch Vorlesung gehabt. Aber er wollte sich die Party natürlich nicht entgehen lassen. Und dann kam er auch schon. „Na wie ist es gelaufen – ihr Weißkittel?“ „Geht so“, sagte Tom. „Also bestanden Tom, oder?“, neckte Markus ihn. „Warum denkt ihr das denn immer alle?“ „Weil du dich immer schlecht gefühlt und dann gut abgeschnitten hast“, sagte Andreas mittlerweile gelangweilt von der Leier. „Wohin jetzt?“, fragte Tom um abzulenken. „Kommen die Mädels auch?“, wollte Markus wissen. „Markus, die Mädels kommen vielleicht nach. Und Tom, wir gehen ins Luna´s.“, antwortete Martin. „Also los“, sagte Markus.

      Als die vier im Luna´s angekommen waren, war es dort schon ziemlich voll. Nur noch ein Tisch auf der rechten Seite vom Eingang war frei. Das wird eng, wenn die Mädels noch kommen, dachte Markus. Die Tische im Luna´s waren in O-Form gestellt, so dass in der Mitte die Kellner gut alle Tische erreichen konnten. Andreas und Thomas setzten sich mit dem Rücken zur Wand, so dass sie in das Innere des O und die Tür sehen konnten. Martin und Markus setzten sich mit Gesicht Richtung Wand.

      Andreas