Anna-Sophie Wagner

Stationen einer Liebe


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er nur Bernd, den Chef des Ladens, sehen. Wo ist sie nur, dachte er bei sich. Hoffentlich arbeitet sie noch hier, wir waren schon so lange nicht mehr da. Andreas hatte immer noch auf die Theke geschaut. Als seine Augen zurück zum Tisch wanderten, traf ihn Martins wissender, durchbohrender Blick. Und bei Markus war ein verschmitztes Grinsen zu sehen. Als könnten sie seine Gedanken lesen. Verdammt!

      Neben ihm war ein Handy zu hören. Tom´s! Wahrscheinlich Miriam, Jurastudentin aus Frankfurt, die neue Freundin. Da noch mal ein Handy. Martins! Irgendwie hatte Andreas den Verdacht, dass es da seit neuestem eine Frau im Leben seines besten Freundes gab. Aber dieser ließ einfach Nichts raus! Andreas sah, dass Markus schon Blickkontakt zu den beiden Mädels am Nebentisch aufgenommen hatte. Rechts von ihm war ein Pärchen ständig am Knutschen. Ihm wurde gleich übel. Ehrlich – was war nur mit allen los?

      Er, Andreas, war der Meinung, dass es nur die eine Richtige geben konnte, die zu einem passte. Außerdem hatte er jetzt keine Ambitionen eine Beziehung zu führen. An die „große Liebe“ glaubte er sowieso nicht, dass war wissenschaftlich nicht zu erklären. Außerdem war erwiesen, dass die Ursache für dieses ganze Liebesgedöns nur die erhöhte Ausschüttung der Hormone Oxytocin und Dopamin ist. Was allerdings zugegebenermaßen eigenartig war, war die Tatsache, dass er seit zwei Jahren immer an ein und dieselbe Frau dachte. Aber das hatte sicherlich Nichts zu bedeuten. Das eigentlich Komische in dieser Angelegenheit aber war, dass er nicht wie sonst, diese Dame einfach abschleppen konnte. Irgendetwas hielt ihn zurück – fast so etwas wie eine Schüchternheit – er konnte sie einfach nicht ansprechen. Total untypisch für ihn. Aber auch das hatte bestimmt nichts zu bedeuten, dachte er bei sich.

      Auf jeden Fall war sie heute hier nicht zu sehen. Aber was würde ihr Erscheinen für einen Unterschied machen? Er konnte sich ja ohnehin nicht überwinden, sie anzusprechen. Und da fühlte er schon wieder Martins Blick. Der machte ihn noch wahnsinnig. Er kennt mich einfach zu gut, dachte Andreas bei sich. Plötzlich hatte er das Gefühl, dass er hier raus musste – an die frische Luft – eine Rauchen. Und so stand er auf und lief nach draußen.

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      Zehn vor sechs – Susanne musste noch mal Fieber messen bei Mia. … 40,2, immer noch! Das Fieber sank einfach nicht. Mia schlief jetzt. Heute würde sie alle halbe Stunde zu ihr hoch schauen – egal wie sauer Bernd war.

      Bernd, ihr Chef und Vermieter, war ein richtiger Choleriker. Immer wenn ihm etwas widerstrebte, konnte man das frühzeitig an der Färbung seines Gesichts erkennen. Er war ein kleiner untersetzter Mann mit grauen Haaren.

      Als Susanne unten in der Bar angekommen war, traute sie ihren Augen nicht. Um sechs schon alle Plätze besetzt. Und das gerade heute, dachte sie bei sich. Sie ließ ihren Blick über die Gästeschar gleiten. Ganz vorne sah sie, natürlich die Stammgäste Sandra, Peter und Philipp. Sie waren jeden Donnerstag da. Am Tisch daneben saßen zwei junge Mädels – ziemlich aufgetakelt – wahrscheinlich auf Männerfang. Daneben fand Susanne Jens und Paul sitzen – die idealen Opfer für die Mädels am Nebentisch. Konnte interessant werden, dachte sie bei sich. Ganz hinten rechts, war der Club der Rennradfahrer. Ihrer Meinung nach, alle von sich selbst überzeugte junge Studenten, sehr darauf bedacht, dass sie auch jeder Frau als absolut sportliche und leistungsfähige Partner ins Auge stachen. Sie ließ ihren Blick nach links schweifen. Ah, Paula und Rike waren auch da. Die beiden mochte sie. Sie waren eigentlich fast jeden zweiten Abend hier. Manchmal hatten sie noch ein paar Mitstudenten oder -studentinnen dabei. Heute waren sie allein und in ein ziemlich wichtig erscheinendes Gespräch über die „sportlichen“ Männer am Nebentisch vertieft. Susanne schaute weiter. Ah, da war die, Clique Medizinstudenten. Die hatte sie schon länger nicht mehr gesehen. Wenn sie ins Luna´s kamen, dann waren sie meistens zu siebt. Vier Jungs und drei Mädels. Heute schienen sie extrem gut gelaunt zu sein. Am Tisch direkt vor der Theke saß ein Pärchen – anscheinend ganz frisch verliebt – wie zusammengewachsen. Puhh, dass würde auf jeden Fall ein anstrengender Abend für sie werden.

      „Was stehst du hier so rum? Los, sieh zu dass du die Getränke aufnimmst und an die Tische kriegst – Zeit ist GELD!!!“ Bernd! – Der, hatte heute wieder blendende Laune! Susanne nahm die Bestellungen der ersten drei Tische rechts auf – neun Personen auf einmal waren heute einfach das Maximum. Die Radler würde sie dann mit Rike und Paula machen. Danach die Mediziner und das Liebespaar. Sie machte sich gerade daran Bernd zu helfen, die neun Getränke ihrer ersten Bestellung einzuschenken, als das Babyphone einen ziemlichen Ausschlag hatte. Sie musste dringend zu Mia. Bernd würde ausrasten. Egal. Schnell machte sie sich auf den Weg nach oben zu ihrer Wohnung.

      Mia saß weinend und glühend rot im Bett. „Mein Schatz was ist denn?“ „Ich habe so Durst Mami!“ „Warte ich bringe dir gleich etwas! Leg dich wieder hin.“ Susanne machte sich daran, Mia ein Glas Tee einzuschenken. Danach ging sie wieder zu ihr und nahm sie ganz fest in den Arm. Sie musste unbedingt noch mal Fieber messen. „40,4 – das auch noch – gestiegen!“ Lange konnte sie jetzt nicht mehr warten bis sie einen Arzt aufsuchte. „Fieberzäpfchen“, sagte sie vor sich hin. Sie verabreichte Mia das zweite für heute. Dann gab sie ihr Tee zu trinken – danach schlief Mia vor lauter Erschöpfung gleich wieder ein. Susanne zog sie um, weil sie komplett nass geschwitzt war und machte noch schnell kalte Umschläge auf die Beine. „Mein Mäuschen in einer halben Stunde sehe ich wieder nach dir!“, flüsterte sie ihr ins Ohr und gab ihr einen Kuss.

      Unten in der Bar angekommen, war sie durch die Gesichtsfarbe von Bernd – schon mal gleich vorgewarnt. „Wo warst du so lange, denkst du ich bezahle dich fürs Nichtstun? Los bring die Getränke an die Tische und nimm die Bestellungen auf. Und setz dir ein motivierteres Gesicht auf! Da denken die Gäste ja du hättest keine Lust sie zu bedienen!“, sagte er sehr deutlich.

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      Martins Blick hatte auf Andreas geruht, - als dieser sich plötzlich fluchtartig erhob und nach draußen ging. Meine Güte, so konnte das echt nicht weiter gehen, dachte er. Jeder wusste, dass Andreas total verschossen war, in diese Kellnerin - Susanne – nur Andreas eben selber nicht. Weil, wie waren noch mal seine Worte? Weil so etwas ja wissenschaftlich überhaupt nicht zu erklären war und er außerdem keine Frau brauchte und wenn dann nur um Spaß zu haben. So etwas wie Liebe gibt es ja sowieso nicht, hatte er zu Martin gesagt. Es machte Martin langsam wahnsinnig! Natürlich gab es keine Liebe, wenn man es nicht mal bemerkte, wenn sie einem eine Ohrfeige gab. Sie mussten sich was einfallen lassen. Und er wusste auch schon genau was. Markus hatte er schon eingeweiht. Jetzt noch Tom. „Hey Tom, du hast doch sicherlich mitbekommen, wie unser Doc hier zu dieser Kellnerin, Susanne“, zwischenzeitlich war sie hinter der Theke aufgetaucht, „steht, oder?“, fragte ihn nun Martin.

      „Ich bin mir nicht sicher Martin, wie denn?“ „Oh Mann, du bist auch so ein Kandidat! Er ist total verschossen in sie und will es einfach nicht wahrhaben! Deswegen müssen wir jetzt was machen und ihm den Schritt des Bekanntmachens erleichtern – verstehst du?“ „Und was bitteschön sollen wir da machen Martin?“ „Ganz einfach, - warte ich erzähle es dir….“ „Findet ihr das fair?“, verlieh Tom seinen Bedenken Ausdruck. „Was heißt hier fair – ich finde das hilfreich!“, antwortete Markus. „Außerdem werden wir nicht mehr allzu oft hier sein, was bedeutet, so viele Chancen kriegt unser Freund Andreas nicht mehr!“, sagte Martin. „Ich kann das nicht – Erstens, fühle ich mich dann schlecht Andreas gegenüber und Zweitens, hintergehe ich doch nicht Miriam!“, sagte Thomas. „Meine Güte jetzt reiß dich mal zusammen! Wir ziehen das durch, basta!“ entschied nun Martin.

      Thomas musste nachdenken. Früher waren die besten Zeiten von ihm und Andreas, die Partys am See vor Andreas Elternhaus. Sie hatten immer die hübschesten und angesagtesten Mädels am Start. Und manches Mal hatten sie Andreas Eltern zur Verzweiflung gebracht. Andreas wurde in dieser Zeit nachgesagt, er könne jedes Mädchen glücklich machen. Und alle waren sie total verschossen in ihn. Aber Andreas ging es nur um den Spaß. Er wollte sich mit festen Beziehungen noch Zeit lassen. Und jetzt vor allem. Während des Studiums waren Frauen absolut tabu für ihn, das wusste Thomas. Sein Freund wollte unbedingt Arzt werden, das war immer schon sein Ziel gewesen. Dafür war dieser bereit alles zu geben.