Laryssa I. Bieling

Miramahelia


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dem Reich Miramahelia. Ich habe die Aufgabe dir eine Botschaft zu überbringen. Nun höre gut zu, merke dir jedes Wort und vergesse nicht ein einziges! Dieses Amulett gehört nicht dir, es ist allein für deinen Sohn bestimmt. Lege es ihm an! Es wird ihn schützen und mit ihm und seinen Aufgaben wachsen. Sobald du es verschlossen hast, wird es für dich und andere nicht mehr sichtbar sein. Dein Sohn wird nicht spüren oder sehen, dass etwas um seinen Hals hängt. Genauso unsichtbar, wie dieses Amulett sein wird, erscheint er den Mächten der Unterwelt Miramahelias, das aber nur so lange, wie er sich hier und nicht dort aufhält. In Miramahelia wird er Amulus sehen können. Man wird versuchen es ihm zu entreißen, um ihn zu schwächen und auf die dunkle Seite der Macht zu ziehen. Hüte dich davor, auch nur ein Sterbenswort darüber mit irgendjemandem zu sprechen, auch nicht mit deiner Frau! Verschriftliche niemals Gedanken, die dich beschäftigen! Die Feinde lauern überall und auch jetzt in dieser Sekunde wissen sie schon, dass mit ihm eine neue Hoffnung geboren wurde. Sie können aber noch nicht orten, wo er zu finden ist. Wir müssen schneller sein, denn man wird versuchen aus dem Reich der Menschen zu berichten. Deshalb erteile ich dir den Befehl dich sofort nach oben zu deinem Sohn zu begeben und ihm Amulus anzulegen! Deine Frau schläft tief und fest und wird nichts davon bemerken. Denke daran niemals zu niemandem ein Wort zu sagen und nun verabschiede ich mich!<<

      Die Gestalt trat so in den Spiegel zurück, wie sie herausgekommen war. Das Licht verschwand und nichts deutete mehr daraufhin, dass sich jemals etwas Merkwürdiges im Haus der Prittels abgespielt hatte. Überwältigt und verängstigt von den Dingen, die die Lichtgestalt gesagt hatte, rannte Robert Prittel die Treppe hinauf, wo seine Frau mit dem Baby im Arm vor Erschöpfung eingeschlafen auf dem Bett lag. Vorsichtig nahm er seinen Sohn, gab ihm einen Kuss, dann öffnete er das Handtuch indem er eingewickelt war und tat all das, was ihm aufgetragen wurde. Tatsächlich wurde das Amulett unsichtbar, als er es verschloss und es war unmöglich es zu ertasten. Nichts ahnend erwachte zwei Minuten später seine Frau.

      >>Was war da unten eigentlich los und warum hat das alles so lange gedauert?<<

      >>Mach dir keine Sorgen Schatz, es ist nichts passiert! Bei uns im Wohnzimmer hat lediglich der Blitz eingeschlagen und eine zackig geschwungene Einbuchtung im Marmor hinterlassen!<<

      >>Was hast du da gesagt? Ein Blitzeinschlag im Winter? Dabei kannst du so ruhig bleiben<<, quäkte sie ihm mit einem entsetzten Blick leicht hysterisch entgegen.

      >>Selbstverständlich bleibe ich ruhig, denn es ist ja nicht wirklich etwas Schlimmes passiert. Du wirst lachen, die vom Blitz erzeugte Einbuchtung sieht irgendwie sogar richtig gut aus, fast wie eine Gravur. Andere Leute müssten für so ein Design richtig Geld zahlen und uns hat alles der Himmel geschenkt.<< Mrs. Prittel konnte ihren verdutzten Gesichtsausdruck kaum verbergen und sich trotz der beruhigenden Worte einen Spruch nicht verkneifen.

      >>Na ja, wers glaubt wird selig, dann bin ich ja mal gespannt, was mich tatsächlich erwartet, wenn ich mir morgen das Zimmer anschaue. Jetzt bin ich dazu zu müde<<, sagte sie, nahm den kleinen Larris neben sich aufs große Bett und schlief vor Erschöpfung sofort ein.

      Am nächsten Morgen des neuen Jahres war alles ruhig. Auf den Straßen lag der Rest der Silvesterböller und in der Luft stand immer noch der Geruch des verbrannten Schwarzpulvers. In den angrenzenden Häusern schliefen alle tief und fest, nur bei den Prittels ging es rund. Larris hatte Hunger und brüllte, dass die Wände wackelten. Selbstverständlich konnte man unter solchen Bedingungen nicht weiterschlafen und so gingen Roisin und Robert unfreiwillig nach unten in die Küche, um zu frühstücken. Während er alles vorbereitete taperte Roisin mit Larris auf dem Arm in das Wohnzimmer, um sich den Boden anzuschauen. Bei seinem Anblick verschlug es ihr gänzlich die Sprache und auch Larris schien beeindruckt, denn ihm fiel zeitgleich der Schnuller aus dem Mund. Ihr Mann hatte nicht übertrieben. Dass, was der Blitz gemacht hatte, sah wirklich aus wie ein gemeißeltes Kunstwerk, dachte sie und ging zurück in die Küche.

      >>Du hattest recht!<<, plinkerte sie mit ihren lang bewimperten Augen.

      >>Es sieht grandios aus. So etwas Einmaliges sollte man lieber vor des Nachbars Augen verstecken, sonst wird man uns noch unterstellen, wir hätten in der Lotterie gewonnen<<, faselte sie euphorisch und wippte aufgeregt hin und her.

      >>Da bin ich ganz deiner Meinung. Ich habe auch keine Lust auf das Getuschel. Du weißt doch, wie es ist. Hier in der Square Stone Gasse haben die Wände Ohren. Kriegt die schrumpelige alte Griselda Milford das spitz, werden wir zum Stadtgespräch von London und das geht rucki zucki!<<

      Die Milford von der Mr. Prittel sprach, war die Mutter des unsympathischen Versicherungsfritzen in der Trichester Street. Ein knauseriger Kerl mit der Frisur einer explodierten Klobürste und einem Gesicht, das nur eine Mutter lieben konnte. Es war lutschpastillenförmig und extrem pickelig, aber das war noch nicht alles! Seine Figur glich der eines durchtrainierten Koteletts mit O-Beinen. Schlimm war, dass er durch seinen schlechten Kleidungsstil, seine leicht verblödete Erscheinung unfreiwillig betonte. Unter seiner Kleidung lugte nämlich immer ein hautfarbener Ganzkörperstretchbody hervor, der schwabbelige Stellen, wie seinen Hängebauch wegdrückte und den Po in Form brachte. Herausgekommen war das alles durch eine Krankenschwester aus dem Pökelmanns Hospital. Sie musste Mr. Milford aus der Kleidung und einem seiner Stretchanzüge schneiden, als er sich durch das Rauchen im Bett Verbrennungen dritten Grades zugezogen hatte. Aber mal ehrlich, wer ist denn auch schon so dämlich und raucht im Bett und schläft dann auch noch mit einer brennenden Zigarette ein? In so einem Fall sollte man wenigstens einen Feuerlöscher neben sich stehen haben. Würden die Prittels nun ihren entstandenen Schaden, der ja nun so ziemlich gar nichts von einem Blitzeinschlag hatte, bei Mr. Milford melden, würde die Gerüchteküche brodeln. George Milford erzählte nämlich immer alles seiner Mama, zum Beispiel, wenn die Geschäfte mal wieder schlecht liefen oder ihn mal wieder eine Frau hat abblitzen lassen. Immer dann lag er bei seiner Mutti heulend in den Armen. Ein richtiges Muttersöhnchen und das mit 55 Jahren. Selbst die Unterhosen bügelt sie ihm noch, das stelle man sich mal vor! Das Merkwürdige daran war aber, dass Griselda auch noch mit solchen Details herum prahlte. Das Letzte, was sie mit ihrer lockeren Zunge verbreitet hatte, war, dass ihr Sohn jede Nacht wohl immer unter schweren Albträumen leiden würde und sie mittlerweile nicht mehr wüsste, wie sie die Flecken aus der Wäsche herausbekommen soll. Für die Dunkleren hatte sie mittlerweile eine Lösung gefunden, nachdem sie in der ganzen Nachbarschaft von ihrem Problem berichtet hatte. Etwas Gebissreiniger kombiniert mit Wasserstoffperoxid und drei Löffeln Stärke vermengen, dick auftragen und anschließend im Vorwaschgang einweichen bis die letzten Schatten beseitigt sind. Erst dann zum Hauptwaschgang übergehen.

      Wie man merkt ist das ein sehr peinliches Detail, was sich sogar über die Grenzen von London hinweg verbreitet hat. Gar nicht auszudenken was passieren würde, wenn sie etwas über den Blitzeinschlag spitzkriegen würden. Genau das war auch der Grund dafür, dass die Prittels sich dagegen entschieden, den entstandenen Schaden der Versicherung zu melden. Es musste also eine andere Lösung dafür her, da die Inschrift direkt in der Mitte des schönen Wohnzimmers sofort jedem ins Auge gefallen wäre. Sie war gar nicht so schwer zu finden.

      Der Feind hört mit …

      Trotz aller Vorkehrungen der Prittels drang die Nachricht der ungewöhnlichen Geburtsereignisse unter denen Larris zur Welt kam nach außen. Da half auch der Kauf eines Teppichs nicht, mit dem man die Inschrift im Marmor bedeckte. Wie schon die Lichtgestalt gesagt hatte, waren die wachsamen Augen der Feinde überall.

      In diesem Fall waren es die Beobachtungen eines listigen Raben namens Urwel. Ein verbanntes und in eine fremde Gestalt verwandeltes Geschöpf der dunklen Seite Miramahelias. Urwel wartete nur darauf, dass sich ihm die Chance bieten würde nach Miramahelia zurückkehren zu können, um von dem Zauberbann befreit zu werden. Für den Herrn der Finsternis waren die vielen verbannten Wesen eine ideale Nachrichtenquelle, denn sie gaben natürlich die Hoffnung nicht auf wieder in ihre wahre Gestalt zurückverwandelt werden zu können, so auch Urwel. Er lebte in einem alten Kirchturm nicht weit von der Square Stone Gasse entfernt. Bestraft dort ewig zu verharren, immer in der Hoffnung etwas Wichtiges zu erspähen, mit dem er den Fürsten dazu bewegen könnte ihn von seinem Schicksal zu befreien, saß