Jörgen Dingler

Oskar trifft die Todesgöttin


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– statt ‚Antonio‘ als doppelten Toni. Das war eine nicht mehr revidierbare Benamung, weil Emiliana ihn vor Jahren aufgrund seiner stattlichen Statur gefoppt hatte, dass er kein Antonio sei, sondern man aus ihm ‚zwei Tonis machen könne‘. Demnach Tonitoni.

      Tonitoni nahm ‚Emilianas‘ Zugangskarte und scannte sie mit einem Handscanner, den er anschließend wieder in ein Halfter steckte, dann nickte er sie an. ‚Emiliana‘ legte ihre Handtasche ab, hob ihre Arme, er tastete sie ab. Währenddessen beobachtete sie grinsend beide Bodyguards und wackelte mit dem Po. Sie tippte, welche Waffen die beiden unter ihren Jacketts anhand der Ausbeulung haben konnten. Beim einen tippte sie auf eine Glock, beim anderen auf eine Beretta. Nein, doch nicht. Beide eine Glock. Sicher!

      Österreichische Glocks Topwaffen, aber ausrüstungstechnisch seid ihr keine Patrioten!

      »Und? Was ist passiert, ragazza?«, brummte der schwarzhaarige Tonitoni. Sein glatzköpfiger Kollege hielt sich mit Worten zurück und versuchte unauffällig zu erhaschen, dass sie auch diesmal keinen BH trug. Es war nicht wirklich unauffällig für eine aufmerksame ‚Emiliana‘. Ihre vollen Brüste spannten das T-Shirt. Bingo! Wieder kein BH! Nunmehr konnte sich der Glatzköpfige ganz ihrer Handtasche widmen, wühlte darin, holte Schlüsselbund, Geldbörse und Handy heraus, ließ sich von ‚Emiliana‘ ihre Armbanduhr aushändigen, gab ihr die Handtasche zurück und nickte in Richtung Metalldetektor.

      »Na, was wohl?«, spitzte sie beim Passieren des Metalldetektors. Alles sauber. Sie nahm Uhr, Handy, Geldbörse und Schlüsselbund wieder in Empfang. Routine.

      »Aha. Wieder dasselbe, du kleines Luder?«

      »Claro. Ich hatte noch netten Besuch, den ich erstmal leermachen musste. … Er kam spät«, setzte sie zweideutig nach und leckte obszön über ihre Lippen.

      »Ach deswegen klingt deine Stimme heute so belegt«, scherzte Tonitoni.

      Hm hab ich meine Stimme doch ein bisschen zu tief verstellt.

      Passt schon hab ja jetzt einen Grund dafür.

      Die beiden Bodyguards lachten sich an. Jetzt traute sich auch der andere etwas zu sagen.

      »Dann hast du heute schon was zu dir genommen und brauchst später kein Personalessen mehr«, feixte der.

      »Doch. Ich bin immer hungrig.«

      »Aber auf uns nicht, Zuckerpüppchen«, bemerkte Tonitoni mit nicht nur gespieltem Bedauern. »Kannst uns sogar beide auf einmal haben.« Die Männer lachten und nickten sich an. »Zwei richtige Kerle auf einmal als immer nur die halben Würstchen, die du sonst in dein Bett lässt.«

      »Tss, ragazzi! Sexuelle Intimität würde unsere wundervolle Freundschaft killen«, kokettierte sie und rieb kurz über Tonitonis Kinn.

      Ups! Ich sollte vielleicht nicht killen sagen. Apropos killen:

       Ich k ö nnte dich jetzt t ö ten!

       Nur schnell den Finger zwischen Unterkiefer und Adamsapfel

      Tut auch gar nicht weh! Naja, nicht lange

      »Seh ich anders. Es würd sie vertiefen, würd ich mal sagen. Hahahaha.« Beide Bodyguards lachten dröhnend.

      »Aber ich seh‘s nicht anders. Und das zählt«, schnappte die junge Dame.

      »Los, rein mit dir!«, brummte ein enttäuschter Bodyguard, der sich die x‘te Abfuhr bei ihr abholte, es aber beim nächsten Mal wieder versuchen würde. Diese scharfe kleine Maus war zweifelsohne ein Miststück, und irgendwann würde auch er mal zum Zug kommen. Hartnäckigkeit zahlt sich aus bei Frauen!

      Vom hinteren Gang aus konnte man einen Teil des Gastbereichs sehen. Der hohe Besuch war noch nicht da.

      ‚Emiliana‘ ging in den Personalraum, schloss ihren Spind auf, sah sich um, ob sie unbeobachtet war und zog dann ihr ziviles Gewand aus. Unter ihrem T-Shirt trug sie doch noch etwas, einen hautengen schwarzen Einteiler, der – kürzer als eine Radlerhose – auf ihren Oberschenkeln abschloss. Eine Kampfmontur, die volle Bewegungsfreiheit ließ. Die immersteifen Silikonnippel hinterließen bei den Bodyguards am Eingang den Eindruck, als ob sie unter dem T-Shirt – wie üblich von Frühjahr bis Herbst – nur nackte Haut trug. Sie hätte am liebsten wieder einen ihrer langen Bodysuits angezogen, um ihre in zahlreichen Einsätzen lädierte, zarte Haut an den Beinen zu schützen. Das wäre an diesem heißen Frühsommertag, an dem nur der obligatorische halbkurze Kellnerinnenrock ihre Oberschenkel bedeckte, allerdings aufgefallen. Was garantiert nicht auffiel, war ihr Schuhwerk. Es sah Emilianas normalen Dienstschuhen frappierend ähnlich, war aber rutschfest, kletter- und kampfgeeignet. Sie trug die Schuhe bereits bei ihrem Erscheinen anstelle der normalen Straßenschuhe, die die echte Emiliana immer erst beim Umziehen gegen die Dienstschuhe tauschte. Männer achten nicht auf Schuhe solche Neandertaler wie die beiden schon mal gar nicht.

      Zu guter Letzt entnahm sie die Zacken der Keramik-Wurfsterne aus einer Innenwand ihrer Handtasche und setzte sie zu ganzen, funktionstüchtigen Wurfsternen zusammen. Immer, wenn die ‚Wichtigen von drüben‘ – hohe Würdenträger oder Funktionäre aus der in Fußweite liegenden Vatikanstadt – im Restaurant speisten, gab es Personenkontrolle und Metalldetektoren wie am Flughafen. Sie schob die Stern-Teile sorgfältig mittels der eingefrästen Schienen zusammen, kniff ein Auge zu, besah sie sich aus mehreren Blickwinkeln. Jede Schlampigkeit beim Zusammenfügen würde die Flugeigenschaften und damit Treffsicherheit beeinträchtigen. Aus der steifen Seitenkante der Handtasche zog sie ein paar kleine, ebenfalls keramische Wurfpfeile. Sie knöpfte ihre weiße Bluse zu, platzierte Wurfsterne und -pfeile in einem hauchdünnen Spezialgurt, band diesen um, als Letztes die Kellnerinnenschürze drüber und trat in den Restaurantbereich. Der Chef des Restaurants kam hektisch auf ‚Emiliana‘ zu. Sie lächelte entschuldigend.

      »Emiliana, komm, komm, ragazza! Wir müssen noch alles aufdecken. Avanti!« Er klatschte in die Hände, schüttelte den Kopf und flüsterte

      »Die ist nochmal mein Tod!«

      Die Kollegen waren bereits mit Aufdecken beschäftigt und grinsten.

      Emiliana, wie üblich die Letzte!

      Sie bedachte den Chef mit einem Schmunzeln, ging in den Außenbereich und schenkte allen ein Lächeln.

      Nein, deiner nicht, mein Guter wenn du mir nur nicht in die Quere kommst

      Aha. Es wird also draußen gegessen. Klar, bei dem schönen Wetter. Außerdem heißt es ja La Veranda. Umso besser.

      Fuck! Ich muss Sofia nochmal über die neuen Folien für die Finger drüberjagen.

      Die halten in der Hitze doch nicht so gut wie versprochen. Scheiß Schweiß.

      Naja solange wie das hier dauert, werden sie schon halten.

      Hm werd hier wohl auch mal essen wenn ich mal wieder in Rom bin.

       Sieht nett aus

       Wien, Juni 2011

      »Mac is back!«, raunzte Oskar, als er nach der Kärnten-Erfahrung bei seinem Geschäftspartner seine Aufwartung machte. Greg konnte die wichtigen elektronischen Einrichtungen des Hauses vom Smartphone aus steuern. Auf die Art konnte er auf dem OLED-Display des Handys sehen, wer in seinem Eingangsbereich um Einlass begehrte und den Gast gegebenenfalls hineinlassen. Viele waren es ohnehin nicht, die darum begehrten. Er saß wie versteinert in einem Fernsehsessel und starrte auf den riesigen Flachbildschirm in seinem Wohnzimmer.